Das Trojanische Pferd im Kampf gegen Krebs
11. Oktober 2006Chemiker der Universität Wien auf der Suche nach neuen Tumortherapeutika
Einer antiken Kriegslist bedient sich Bernhard Keppler, Vorstand des Instituts für Anorganische Chemie an der Universität Wien, um bösartige Tumore in Schach zu halten: Er schleust durch ein Eisentransportprotein "getarnte" Wirkstoffe in Krebszellen ein. Statt des Eisens, das der Tumor für sein Wachstum dringend benötigt, gelangen antitumoral wirkende Substanzen in die Zelle, die daraufhin abstirbt. Ein viel versprechender neuer Weg in der Krebstherapie, der auch schon erfolgreich an PatientInnen getestet wurde.
"Die Entwicklung von neuen, Krebs hemmenden Substanzen ist die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen", beschreibt O. Univ.-Prof. DDr. Bernhard Keppler seine Aufgabe. Er selbst hat zusammen mit seiner Arbeitsgruppe in den letzten 20 Jahren etwa 100 verschiedene synthetische Verbindungen pro Jahr hergestellt und sie aufgrund von Arbeitshypothesen auf ihre Wirksamkeit überprüft. Im Moment sind zwei seiner Entwicklungen in der Phase I der klinischen Studien, das heißt sie durchlaufen den so genannten "proof of principle" direkt am kranken Menschen. Dieses Krebsforschungsprojekt wird gemeinsam mit Forschern des Instituts für Krebsforschung (Univ.-Prof. Dr. Walter Berger, Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche) und der Klinischen Abteilung für Onkologie (Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski) an der Medizinischen Universität Wien betrieben und von der Forschungsförderungsgesellschaft mit einem drei Millionen-Euro-Projekt unterstützt.
Erste Tests am Patienten
In ersten, schon abgeschlossenen klinischen Studien erzielten Keppler und seine KollegInnen zusammen mit der beteiligten Firma Faustus AG Wien mit ihrem "Trojanischen Pferd" erfreuliche Ergebnisse. "Die Verträglichkeit ist gut und es gibt nur wenige Nebenwirkungen, auch weil der Einsatz der Wirkstoffe zielorientiert an der kranken Zelle erfolgt, während gesundes Gewebe unversehrt bleibt. Bei einigen PatientInnen konnte eine Stabilisierung des Tumorwachstums und damit des Krankheitsverlaufs erreicht werden", erklärt der Chemiker und Arzt.
Doch nicht nur das Eisentransportprotein Transferrin, das versteckt Anti-Krebs-Wirkstoffe in Tumorzellen transportiert, steht im Mittelpunkt der Forschungstätigkeit von Bernhard Keppler. Der zweite Wirkstoff, der ebenfalls bereits im Krankenhaus an PatientInnen erprobt wird, zeigt erste Anzeichen von Wirksamkeit am Nierenzellkarzinom. Er verhindert einen Prozess, bei dem vereinfacht ausgedrückt RNA in DNA umgewandelt wird, sodass die Erbinformation des Tumors verändert werden kann.
Problem: Resistenzen
Daneben gibt es eine Reihe von präklinischen Projekten, bei denen am Institut Versuche an menschlichen Tumorzellen gemacht werden. Bei diesen Forschungsarbeiten steht das Resistenzproblem im Mittelpunkt. "Das Problem bei jeder Chemotherapie besteht darin, dass die Krebszellen allmählich lernen, sich gegen das Therapeutikum zu wehren. Wenn der Tumor aber gegen den Wirkstoff resistent wird, kann er ungehindert weiter wachsen", beschreibt Bernhard Keppler das Dilemma. Deswegen ist er jenen Verbindungen auf der Spur, die Tumorzellen, die im Lauf der Behandlung schon resistent geworden sind, wieder sensibel machen können. Bisher funktioniert diese Strategie nur in der Zellkultur, und auch der genaue Wirkmechanismus ist noch weit gehend unbekannt. "Wenn wir so weit kommen, dass diese Methode auch beim Menschen eingesetzt werden kann, wäre das ein großer Fortschritt für die Behandlung von Krebs", meint Keppler.
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Bernhard Keppler, Chemiker und Arzt
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Kontakt:
O. Univ.-Prof. DDr. Bernhard Keppler
Institut für Anorganische Chemie
Universität Wien
1090 Wien, Währingerstraße 42
T +43-1-4277-52602
bernhard.keppler(at)univie.ac.at
Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31