Bleiverschmutzung führte zu IQ-Rückgang bei Menschen im Römischen Reich
07. Januar 2025Eisbohrkerne aus der Arktis ermöglichten Rekonstruktion der Bleibelastung im alten Rom
Ein internationales Team an Wissenschafter*innen mit Beteiligung der Universität Wien untersuchte drei Eiskerne, um die Bleiverschmutzung zwischen 500 v. u. Z. und 600 n. u. Z. im Römischen Reich zu ermitteln. Blei hat viele negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, eine davon ist eine Verringerung des Intelligenzquotients – auf diesen haben sich die Wissenschafter*innen in dieser Studie konzentriert und konnten feststellen, dass die Bleiverschmutzung bei den Menschen im alten Rom zu einer Verringerung des IQs um 2 bis 3 Punkte geführt hat. Die Studie ist aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.
Mit riesigen Bohrern entnehmen die Wissenschafter*innen in mühevoller Kleinarbeit bis zu 3.400 Meter lange Eissäulen, die mit jedem Zentimeter weiter in die Erdgeschichte vordringen. Drei solcher Eiskerne aus der Arktis wurden nun auf Bleirückstände untersucht. Die im Eis gemessenen Bleikonzentrationen geben Auskunft darüber, wann sich wie viel Blei aus der Atmosphäre abgelagert hat. In den Fokus genommen wurde dabei die Zeitspanne vom Aufstieg der Römischen Republik bis zum Fall des Römischen Reiches, wobei sich die Studie auf die etwa 200-jährige Blütezeit des Reiches, die so genannte Pax Romana, konzentriert – in dieser Zeit erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung und erstreckte sich über weite Teile Europas. Und in diese Pax Romana fallen auch die höchsten Konzentrationen der Bleibelastung. Die Eiskerne seien wie Postkarten aus der Vergangenheit, sagt Hydrologe Joe McConnell vom Desert Research Institut (DRI) in den USA und Hauptautor der Studie. Im Eis eingeschlossene Gasblasen geben Aufschluss über die Atmosphäre vergangener Epochen, während Schadstoffe wie Blei zur Interpretation von Bergbau- und Industrieaktivitäten oder wie in diesem Fall menschlicher Gesundheit herangezogen werden können.
Die Bleiverschmutzung in der Antike ist weitgehend auf den Silberbergbau zurückzuführen, bei dem das bleihaltige Mineral Bleiglanz eingeschmolzen wurde, um Silber zu gewinnen. Für jedes gewonnene Gramm Silber fielen bei diesem Prozess mehrere Kilogramm Blei an, von denen ein Großteil in die Atmosphäre gelangte. Dabei kam das Team der Universität Wien rund um den Meteorologen Andreas Stohl ins Spiel.
Stohl und sein Team lieferten die Analysen über die Verbreitung des Bleis in der Atmosphäre: "Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Expert*innen zusammen, die Eisbohrkerne analysieren und unterstützen sie mit atmosphärischer Transportmodellierung. Damit kann man quantitative Zusammenhänge zwischen den Quellen von Luftverschmutzung und ihrer Ablagerung im Eis herstellen", erklärt Stohl von der Universität Wien.
Blei hat viele Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, wie Gedächtnisverlust, Unfruchtbarkeit, Krebs, Konzentrationsschwierigkeiten oder eben einem geringeren Intelligenzquotienten (IQ). Die Wissenschafter*innen dieser Studie haben die Auswirkung auf den IQ untersucht, da dieser genau beziffert werden kann. Sie konnten dabei eine wahrscheinliche Verringerung des IQ-Werts um mindestens 2 bis 3 Punkte in der europäischen Bevölkerung feststellen. "Eine Verringerung des IQ um 2 bis 3 Punkte hört sich nicht nach viel an, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das beträchtlich", sagt Nathan Chellman, Mitautor der Studie und Experte für Schnee- und Eishydrologie am DRI.
Den Forschungsergebnissen zufolge wurden während der fast 200-jährigen Blütezeit des Römischen Reiches mehr als 500 Kilotonnen Blei in die Atmosphäre abgegeben. Obwohl Eiskernaufzeichnungen zeigen, dass die Bleibelastung in der Arktis während des historischen Höchststandes in den frühen 1970er Jahren bis zu 40-mal höher war, zeigen die Erkenntnisse dieser Studie, wie "der Mensch seine Gesundheit seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten beeinträchtigt hat", so McConnell.
"Es gibt weltweit nicht viele Gruppen, die in puncto Transportmodellierung mit Eisbohrkernexpert*innen zusammenarbeiten, wie wir es tun. Wir haben daher schon viele interessante Ergebnisse publiziert. Aber eine Berechnung der Luftgüte für die Zeit der Pax Romana anzustellen, war eine gänzlich neue Idee. Ich finde es sehr spannend, als Meteorologe etwas zum besseren Verständnis der Geschichte und der Gesundheit der Menschen beitragen zu können. Unsere Studie zeigt sehr schön, wie lohnend interdisziplinäre Zusammenarbeit über viele Fächergrenzen hinweg sein kann", so Stohl.
Originalpublikation in PNAS:
Joseph R. McConnell, Andreas Stohl, et al: Pan-European atmospheric lead pollution, enhanced blood lead levels, and cognitive decline from Roman-era mining and smelting. 2025.
Abbildungen:
Abb. 1: Eiskern-Längsproben, die mit dem kontinuierlichen Eiskern-Analysesystem des Desert Research Institute auf Blei und andere Chemikalien untersucht werden sollen (C: Jessi LeMay)
Abb. 2: Eis im Bohrkernfass bei Bohrungen auf dem grönländischen Eisschild (C: Joseph McConnell)
Abb. 3: Sorgfältige Vorbereitung der länglichen Eiskernproben für hochauflösende Bleimessungen (C: Jessi LeMay)
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Stohl
Institut für Meteorologie und GeophysikUniversität Wien
1090 - Wien, Althanstraße 14 (UZA II)
+43-1-4277-53730
andreas.stohl@univie.ac.at
Rückfragehinweis
Theresa Bittermann
Media Relations, Universität Wien1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17541
theresa.bittermann@univie.ac.at
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