4 ERC Consolidator Grants für die Universität Wien
03. Dezember 2024Förderung für den Historiker Grigor Boykov, die Genetikerin Christa Buecker, die Archäologin Katerina Douka und den Sportwissenschafter Hans Kainz
Vier ERC Consolidator Grants, die mit je rund 2 bis 2,7 Millionen Euro dotiert sind, gehen an die Universität Wien: Historiker Grigor Boykov, Genetikerin Christa Buecker, Archäologin Katerina Douka und Boimechaniker Hans Kainz erhalten diese prestigeträchtige Auszeichnung. Damit wurden insgesamt bereits 143 ERC Grants an die Universität Wien vergeben. Mit dem Programm des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) wird grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial ermöglicht.
"Ich gratuliere unseren ERC-Preisträger*innen zu dieser hohen Auszeichnung. Die erfolgreichen Forschungsprojekte dokumentieren eindrucksvoll Exzellenz und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universität Wien", so Rektor Sebastian Schütze.
Das osmanische Reich aus einer neuen historischen Perspektive
In seinem Projekt OttomanCORE untersucht der Historiker Grigor Boykov, wie das Osmanische Reich während seiner Entstehungszeit (14. bis 16. Jahrhundert) geformt und regiert wurde. Boykov und sein Team stellen dabei die konventionelle Sichtweise der osmanischen Herrschaft als zentralisiertes und patrimoniales System in Frage. Stattdessen nehmen sie eine regionale und akteursorientierte Perspektive ein, um die Regierungspraktiken auf lokaler Ebene zu untersuchen. Das Projekt konzentriert sich auf den Balkan und integriert historische Aufzeichnungen und archäologische Funde, um Regierungsmuster aufzudecken, die wichtigsten Akteure in den Provinzen hervorzuheben, ihre Netzwerke zu kartieren und die Ursprünge der osmanischen Herrschaft an der Basis nachzuzeichnen. Unter Verwendung modernster digitaler Methoden, einschließlich automatischer Datenextraktion aus osmanischen Dokumenten, Raum- und Netzwerkanalyse und quantitativer Techniken, versucht das Projekt, die grundlegenden Komponenten der Macht in vormodernen Agrargesellschaften zu dekonstruieren, einschließlich Landbesitz, Siedlungsnetzwerk, Bevölkerungsdynamik, Konnektivität und Einkommensverteilung.
Über Grigor Boykov
Grigor Boykov ist Historiker und spezialisiert auf die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des osmanischen Balkans. Er promovierte 2013 in osmanischer Geschichte an der Bilkent-Universität in Ankara. Zuvor lehrte er an der Universität Sofia und der Central European University in Budapest und war als Forscher am Institut für Habsburger- und Balkanstudien an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig. Im Jahr 2019 erhielt er ein Marie Skłodowska-Curie-Stipendium, das er an der Koç-Universität in Istanbul wahrnahm. Seit 2022 ist Boykov Postdoc-Assistent am Institut für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien. Im Jahr 2023 wurde er als Key Researcher für den Exzellenzcluster "EurAsian Transformations" ausgewählt, der vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanziert wird.
Systematische Analyse von Genexpressionen
Jeder Zelltyp im menschlichen Körper zeichnet sich durch eine sehr spezifische Signatur aus: Nur einige, spezielle Gene sind aktiv, andere werden unterdrückt. Wenn diese spezifische Signatur gestört wird, sind oft Krankheiten die Folge. Der Schlüssel zur zelltypspezifischen Regulation sind regulatorische DNA Sequenzen, die oft weit entfernt von dem Gen liegen, das sie steuern. Wie diese sogenannten Enhancer die Distanz zum Ziel-Gen überbrücken, ein Ziel-Gen einem anderen vorziehen können und miteinander kooperieren, ist noch immer rätselhaft. Die Gruppe um Christa Buecker hat ein neues System entwickelt, das die systematische Analyse von einzelnen und Kombinationen von regulatorischen Sequenzen erlaubt. In ihrem Projekt GENE-TUNE wird die Gruppe regulatorische Landschaften systematisch aufbauen und dadurch aufklären, wie die Genexpression aus der Ferne gesteuert werden kann.
Über Christa Buecker
Die Genetikerin Christa Buecker widmet sich in ihrer Forschung den Grundlagen der transkriptionellen Regulation während der Embryonalentwicklung. Einen speziellen Fokus legt sie auf die Frage, wie Änderungen in der Genexpression während der Entwicklung orchestriert werden. Christa Buecker studierte Technische Biologie an der Universität Stuttgart und promovierte 2011 an der Utrecht Universität in den Niederlanden in Kooperation mit dem Harvard Stammzellinstitut in Boston, USA. Zwischen 2011 und 2015 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) an der Stanford Universität in den USA tätig. Seit 2015 leitet sie eine Forschungsgruppe an den Max Perutz Labs an der Universität Wien, erst als Assistenzprofessorin und seit 2022 als Assoziierte Professorin im Bereich Transkriptionelle Regulation.
Neue Fossilien sollen mehr Einblick in die menschliche Evolution geben
Der moderne Mensch (Homo sapiens) entwickelte sich in Afrika, breitete sich in Eurasien aus und erreichte vor etwa 60.000 Jahren Sahul, den Superkontinent, der das heutige Australien, Papua-Neuguinea und Tasmanien miteinander verbindet. Dennoch ist das Wissen über die Gruppen, die vor rund 100.000 Jahren in Afrika lebten, und über die Gruppen, die erst einige Jahrtausende später Sahul erreichten, aufgrund des Mangels an fossilen und molekularen Daten nach wie vor begrenzt. In ihrem neuen ERC-geförderten Projekt RIFT-to-RIM will Douka diese Lücke schließen. Es baut direkt auf ihr vorangegangenes ERC Projekt auf, das Douka erst heuer abgeschlossen hat. Das Ziel des Projekts ist die Entdeckung und molekulare Analyse neuer Fossilien des frühen modernen Menschen. Möglich wird das durch die Untersuchung von Tausenden archäologischer Knochen und Hunderten von Sedimentproben aus 21 archäologischen Stätten in sechs Ländern entlang des afrikanischen Grabens und der pazifischen Randgebiete, die auf einen Zeitraum zwischen 200.000 und 10.000 Jahren datiert werden. Die menschliche Evolution hat eine komplexe Geschichte: RIFT-to-RIM wird eine Fülle neuer Daten aus zwei Schlüsselregionen liefern und dazu beitragen, das komplizierte Mosaik zu entschlüsseln, das den modernen Menschen heute ausmacht.
Über Katerina Douka
Katerina Douka ist Assoziierte Professorin für Archäologische Wissenschaften am Department für Evolutionäre Anthropologie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien. Sie ist auch Mitglied des HEAS-Forschungsnetzwerks. Douka kam 2021 an die Universität Wien, nachdem sie zuvor Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (2017-2021) und an der Universität Oxford (2011-2017) war. Sie hat einen Master und einen Doktortitel von der Universität Oxford (2006 bzw. 2011) und einen Bachelor von der Technologischen Universität Athen (2004).
Neue Möglichkeiten zur Vorbeugung von Knochendeformationen finden
Knochen sind für die langfristige Gesundheit von entscheidender Bedeutung, denn sie bieten strukturelle Unterstützung und ermöglichen Mobilität. Bei bestimmten Patient*innengruppen kommt es jedoch häufig zu pathologischem Knochenwachstum, was zu erheblichen klinischen Problemen führt. Mechanische Belastungen spielen eine zentrale Rolle im Knochenwachstum, doch die genauen Bedingungen, die normales Wachstum fördern oder zu pathologischem Wachstum führen, sind bisher unklar. Im ERC-geförderten Projekt INSIDE-BONE soll diese Wissenslücke geschlossen werden: Der Biomechaniker Hans Kainz und sein Team untersuchen die Beziehung zwischen muskuloskelettaler Anatomie, alltäglichen Bewegungen, mechanischer Belastung und Knochenwachstum – sowohl bei Kindern mit normaler Entwicklung als auch bei Kindern mit pathologischem Knochenwachstum. Ziel der Forschung ist es neue Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung von pathologischem Knochenwachstum zu finden.
Über Hans Kainz
Hans Kainz promovierte 2016 in Biomechanik an der Griffith University (Australien). Er arbeitete als Rehabilitationsingenieur am Queensland Children's Hospital (2014-2016) und war von 2017 bis 2020 Postdoctoral Research Fellow an der KU Leuven (Belgien). Im Jahr 2020 kam Kainz als Assistenzprofessor für Neuromechanik an die Universität Wien, wo er die Forschungsgruppe Neuromechanik gründete, und wurde 2024 zum Assoziierten Professor ernannt. Kainz' Gruppe kombiniert in-silico-Simulationen mit experimentellen Daten, um das Verständnis von typischen und pathologischen Bewegungen zu verbessern. Seine Arbeit zielt darauf ab, die klinische Entscheidungsfindung für Menschen mit Bewegungsstörungen und die evidenzbasierte motorische Rehabilitation nach Verletzungen oder orthopädischen Eingriffen zu verbessern.
Abbildungen:
Abb. 1: Grigor Boykov C: Grigor Boykov
Abb. 2: Christa Buecker C: Max Kropitz
Abb. 3: Katerina Douka C: Universität Wien
Abb. 4: Hans Kainz C: Johannes Wiedl
Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Media Relations ManagerUniversität Wien
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alexandra.frey@univie.ac.at
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