3 ERC Starting Grants für die Universität Wien

Förderung für Isabella Anderson-Wagner, Pere Gelabert und Ugur Öztürk

Drei ERC Starting Grants gehen an die Universität Wien: Neurowissenschafterin Isabella Anderson-Wagner, Biologe Pere Gelabert und Naturgefahrenforscher Ugur Öztürk erhalten je einen ERC Starting Grant, der mit jeweils rund 1,5 Millionen Euro dotiert ist. Damit wurden insgesamt bereits 139 ERC Grants an die Universität Wien vergeben. Mit dem Programm des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) wird grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial ermöglicht.

"Wir gratulieren unseren ausgezeichneten Wissenschafter*innen, die mit ihren Erfolgen eindrucksvoll zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universität Wien unterstreichen", so Rektor Sebastian Schütze.

Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und dem Gehirn verstehen

Die Bakterien im Darm prägen unser Erleben und Verhalten, soviel ist klar. Wie sich das sogenannte Darmmikrobiom auf die Plastizität des menschlichen Gehirns – und somit auf unser Gedächtnis – auswirkt, ist jedoch völlig offen. Das genaue Wissen darüber soll den Umgang mit Demenzrisiko nachhaltig verändern. 

Im ERC-geförderten Forschungsprojekt "MemoryLane" werden Isabella Anderson-Wagner und Team untersuchen, inwiefern sich das Darmmikrobiom auf die neuronalen Grundlagen von Gedächtnisprozessen auswirkt. Im Zentrum steht der Hippokampus – eine Gehirnstruktur im medialen Temporallappen, die wesentlich für ein gutes Gedächtnis ist. Um die Funktion des Hippokampus zu messen, wird das Forschungsteam modernste neurowissenschaftliche Verfahren anwenden. Die Messergebnisse werden anschließend im Kontext der individuellen Gedächtnisleistung und des Darmmikrobioms betrachtet. Auch das Darmmikrobiom selbst wird Gegenstand der Untersuchungen sein, sowie Personen mit erhöhtem Alzheimerrisiko.  Ziel des Forschungsprojekts "MemoryLane" ist zu zeigen, ob zur Vorbeugung oder Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen – wie etwa Alzheimer – beim Darmmikrobiom angesetzt werden kann. 

Über Isabella Anderson-Wagner

Isabella Anderson-Wagner widmet sich in ihrer Forschung den neuronalen Grundlagen von Lernen und Gedächtnis. Speziellen Fokus legt sie auf die Rolle des Darmmikrobioms, dessen Auswirkung auf die Plastizität des Gehirns sowie dem Zusammenspiel mit dem individuellen Risiko für Demenzerkrankungen. Anderson-Wagner studierte Psychologie an der Karl-Franzens-Universität Graz und promovierte 2017 im Fach Medizinwissenschaften an der Radboud Universität in den Niederlanden. Zwischen 2016-2021 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) an der Radboud Universität sowie an der Universität Wien tätig. Seit 2021 ist sie Assistenzprofessorin an der Universität Wien und leitet den Arbeitsbereich Kognitive Neurowissenschaften. 

Artenschutz durch Paläogenomik 

Höhlen dienten während des Jungpleistozän (130.000-11.000 v.u.Z.) als wichtige Lebensräume für Menschen und Raubtiere, sie waren Schutzräume, Aasplätze und Futterstätten. Die archäologischen und tierischen Überreste in diesen Höhlen bieten ein einzigartiges Fenster in die Vergangenheit. Während sich die meisten Studien dazu auf die Menschen konzentrieren zielt das Projekt SHADOWS von Pere Gelabert darauf ab, diese Perspektive zu verändern, indem es den Fokus auf die Raubtiere legt, die eine bedeutende Rolle bei der Ansammlung und Veränderung von Knochen in diesen Höhlen spielten. Ziel ist es, das Verständnis dafür zu erweitern, wie diese Raubtiere mit den Menschen koexistierten, um Ressourcen konkurrierten und schließlich ausstarben. Die Iberische Halbinsel wird untersucht, da sie während der letzten Eiszeit als eines der wichtigsten Rückzugsgebiete für Menschen und Fauna diente.

Das Projekt wendet modernste Methoden wie hochpräzise Spatial Probenahmen für Sediment-DNA, die DNA, die in Sedimentschichten, wie Erde oder Schlamm, enthalten ist, und alte Proteine. Ergänzt wird die Analyse durch traditionelle zooarchäologische Techniken wie etwa Knochenforschung. Außerdem wollen Gelabert und sein Team verbliebene Populationen dieser Raubtiere identifizieren und deren Interaktionen mit zeitgenössischen menschlichen Populationen darstellen. Die Forschung soll so schließlich das Verständnis der biologischen Prozesse, die zum Aussterben führen, erheblich erweitern und wichtige Erkenntnisse für den Schutz kritisch bedrohter Arten von heute liefern.

Über Pere Gelabert 

Der Biologe Pere Gelabert erlangte 2018 seinen Doktortitel in Biomedizin an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, Spanien. Seit 2019 forscht er als Postdoktorand am Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien und hat sich als Autor mehrerer Publikationen im Feld der Paläogenomik etabliert. 2023 erhielt Gelabert ein FWF-Stand-Alone-Projekt-Stipendium, um die komplexe Beziehung zwischen sozialem Status und Gesundheit in altertümlichen Populationen zu untersuchen, wobei er besonderes Augenmerk auf das Mikrobiom in der frühmittelalterlichen Epoche legt. Seine Forschung beleuchtet, wie Mikrobiome und Umweltproben Aufschluss über die Gesundheit vergangener Gesellschaften und deren Interaktionen mit ihrer Umwelt geben. Zudem widmet sich Gelabert der Untersuchung der Lebensbedingungen paläolithischer Gruppen, wobei er cutting-edge Technologien wie sedaDNA-Analyse und Zooarchäologie kombiniert, um ein tieferes Verständnis der prähistorischen Lebensweisen zu gewinnen.

Zunehmende Hangrutschrisiken verstehen

Der Naturgefahrenforscher Ugur Öztürk untersucht in seinem ERC-geförderten Projekt UrbanSlide das komplexe Hangrutschrisiko. Der Hintergrund: Die städtische Bevölkerung ist weltweit in den vergangenen Jahrzehnten rapide gewachsen. Aktuell leben 65 Millionen in Gebieten, die eine Hangrutschgefahr haben, bis 2050 wird die Zahl der betroffenen Menschen auf geschätzte 90 Millionen steigen. Ein solcher Anstieg von Stadtbevölkerungen ist oft mit Landschaftsveränderungen verbunden und das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Hangrutschungen, insbesondere in tropischen Gebieten. So könnten beispielsweise nicht genehmigte Bauten von Häusern die Hangstabilität verringern und die dort lebenden Menschen gefährden. Gleichzeitig könnte der vom Menschen verursachte Klimawandel die für Hangrutschungen relevanten Niederschlagsextreme verdoppeln und damit die Gefahr von Hangrutschungen erhöhen.

Das ERC-geförderte Projekt UrbanSlide zielt darauf ab, die komplexe Gestaltung des Hangrutschungsrisikos offenzulegen. Dabei stehen wechselseitige Interaktionen von gesellschaftlichen, ökologischen und urbanisierungsbedingten Faktoren im Fokus. Ziel des Projekts ist es Hangrutschrisiken besser quantifizieren zu können, um eine Wissensgrundlage für entsprechende Entscheidungen zu schaffen – insbesondere in tropisch gelegenen Metropolen. Zum Einsatz kommt dabei ein hybrides Modell, in dem statistische und prozessbasierte Ansätze, sowie empirische Daten zum Zusammenspiel von Gesellschaft und Umwelt, integriert sind. Hauptaugenmerk liegt dabei darauf die verschiedenen menschlichen Handlungen vorherzusehen, die das Hangrutschungsrisiko beeinflussen. 

Über Ugur Öztürk

Ugur Öztürk promovierte 2019 an der Universität Potsdam und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Anschließend hatte er zwei Postdoktorandenstellen am GFZ Deutsches GeoForschungsZentrum und an der Universität Potsdam. Seine Forschung konzentriert sich auf Naturgefahren, insbesondere auf Erdrutschgefahren und -risiken. Ugur Öztürk untersucht die räumlichen und zeitlichen Muster von Erdrutschen mithilfe statistischer Lernmodelle, um zu verstehen, wie Starkregen, Überschwemmungen und Erdbeben Erdrutsche auslösen. Darüber hinaus verwendet er prozessbasierte Modelle, um die Auswirkungen schneller und informeller Urbanisierung auf das Erdrutschrisiko zu bewerten, insbesondere in einkommensschwachen Ländern. Seine Arbeit zielt darauf ab, prädiktive Modelle zur Identifizierung von Erdrutschrisikogebieten zu verbessern. Derzeit ist Ugur Öztürk noch an der Universität Potsdam, den ERC Starting Grant hat er für die Universität Wien eingeworben.

Abbildungen: 

Abb. 1: Isabella Anderson-Wagner C: Melanie Lenger

Abb. 2: Pere Gelabert C: Pere Gelabert

Abb. 3: Ugur Öztürk C: Andreas Kubatzki

Rückfragehinweis

Theresa Bittermann

Media Relations, Universität Wien
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