Neuerscheinung: Climatic Risk Atlas of European Butterflies. Europas Tagfalter durch Klimaänderung ernsthaft bedroht

Schmetterlinge sind ein Frühwarnsystem für Umweltveränderungen. Wie sich die Klimaänderung in Europa auf die Tagfalter auswirkt, wurde nun systematisch dokumentiert. Der neue Klima-Atlas der Tagfalter Europas (Climatic Risk Atlas of European Butterflies) zeigt im zukünftigen Verbreitungsgebiet vieler europäischer Arten einen deutlichen Trend nach Norden. Martin Wiemers, Biologe der Universität Wien, hat sich im Rahmen dieses internationalen Projekts insbesondere auch der österreichischen Schmetterlingspopulationen angenommen.

Der Tagfalter Klima-Atlas basiert auf der Arbeit von zahlreichen WissenschaftlerInnen aus ganz Europa. Aus Österreich war der Biologe Martin Wiemers von der Universität Wien mit vertreten. Es wurden Daten, die tausende Freiwillige gesammelt hatten, als Basis für die Modellierung von Zukunftsszenarien ausgewertet. Die Zerstörung von Lebensräumen und die Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft der letzten Jahrzehnte wirkten sich negativ auf die Schmetterlinge aus. Diese nach wie vor anhaltende Gefährdung wird durch die klimatischen Risiken noch verstärkt. Bei einem Anstieg der Temperaturen, hauptsächlich verursacht durch die weltweit steigende CO2-Emission, müsste die Mehrzahl der Tagfalter nach Norden ausweichen. Dies wird jedoch nicht immer möglich sein, denn die Veränderungen in der Landnutzung haben zur Folge, dass geeignete Lebensräume oft sehr klein und viel zu isoliert sind, um zwischen ihnen "wandern" zu können.

Europäische "Worst-Case-Szenarien"
Unter einem "Worst-Case-Szenario", das von einem durchschnittlichen Temperaturanstieg in Europa von 4,1ºC bis 2080 ausgeht, würde sich beispielsweise für 70 der ca. 300 untersuchten Arten über 95 Prozent des derzeitig geeigneten Klimaareals verschieben. Ein Szenario relativ geringer Veränderung (durchschnittliche Temperaturerhöhung um 2,4°C) würde immer noch den Verlust von über 50 Prozent des derzeitig geeigneten Areals für 147 Arten nach sich ziehen.

Viele Tagfalter werden folglich aus den Gegenden verschwinden, in denen sie regelmäßig beobachtet wurden. Der Kleine Fuchs Aglais urticae dürfte sich aus großen Teilen Mittel- und Südeuropas nach Nordeuropa und in höhere Lagen der Alpen zurückziehen. Unter dem "Worst-Case-Szenario" würde der seltene Spanische Osterluzeifalter Zerynthia rumina 97 Prozent seines Areals in Spanien und Südfrankreich einbüßen. Der auch in Mitteleuropa noch lokal anzutreffende Apollofalter Parnassius apollo würde 76 Prozent seines Areals verlieren.

Zur Zukunft der Schmetterlinge in Österreich
Mit über 200 Tagfalterarten gehört Österreich zu den artenreichsten Ländern Europas. Welche Auswirkungen sind durch die Klimaerwärmung zu erwarten? Auf diese Frage gibt Martin Wiemers folgende Antwort: "Oftmals wird angenommen, dass Tagfalter eine Sonne und Wärme liebende Gruppe sind, die von der Klimaerwärmung profitiert. Tatsächlich ist zu erwarten, dass mediterrane Arten wie der Segelfalter Iphiclides podalirius sich in Österreich weiter ausbreiten oder gar neu einwandern."

So kommt der auf der Balkanhalbinsel weit verbreitete Karstweißling Pieris mannii in Österreich derzeit nur in einer isolierten Population in wärmebegünstigter Lage am Fuße der der Hohen Wand vor. In der Schweiz hat sich diese Art dieses Jahr plötzlich vom Wallis in das Mittelland bis nach Deutschland ausgebreitet. Ähnliches könnte auch in Österreich passieren.

Heute weit verbreitete Arten wie der Kleine Fuchs Aglais urticae würden sich voraussichtlich aus dem Flachland zurückziehen und könnten in Österreich nur mehr in den Bergen überleben. Umso mehr gilt dies für Arten, die in Österreich an kühlfeuchte Klimate angepasst sind, wie der Lilagold-Feuerfalter Lycaena hippothoe. In Wien kommt diese Art aktuell nur noch auf einer einzigen Feuchtwiese vor, während sie in den Bergen weit verbreitet ist.

“Besonders kritisch aber wird es für Arten, die bereits heute auf das Bergland beschränkt sind, wie der Apollofalter“, gibt Wiemers zu bedenken, und weiter: "Viele Arten kommen in Österreich nur in den Hochlagen der Alpen vor und diese haben keine Rückzugsmöglichkeiten bei einer Klimaerwärmung." Zu diesen Arten zählen der Alpen-Maivogel Euphydryas cynthia, der Helle Alpenbläuling Plebejus orbitulus sowie fast alle der in Österreich vorkommenden 27 Mohrenfalterarten. Beispiele sind der Kleine Mohrenfalter Erebia melampus oder der Weißpunktierte Mohrenfalter Erebia claudina, die einzige endemische Tagfalterart Österreichs, die nur im Lungau und sonst nirgends auf der Welt zu finden ist.

Der federführende Autor des Atlas, PD Dr. Josef Settele, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig, sagt: "Die meisten Tagfalterarten würden gezwungen, ihre Verbreitung radikal zu verändern, um mit den klimatischen Veränderungen mithalten zu können. Die Art und Weise, in der Tagfalter betroffen sind, gibt uns gute Anhaltspunkte darüber, wie auch viele andere Insekten reagieren dürften – und Insekten machen schließlich zwei Drittel aller Arten aus."

Climatic Risk Atlas of European Butterflies
publiziert von Pensoft – einem Wissenschaftsverlag mit Sitz in Sofia, Bulgarien.
Online zum Download unter: http://pensoftonline.net/biorisk/index.php/journal/issue/current/showToc

Kontakt:
Dipl.-Biol. Dr. Martin Wiemers
Department für Populationsökologie
Universität Wien
T +43-1-4277 57 403
M +43-688-860 29 87
martin.wiemers(at)univie.ac.at

PD Dr. Josef Settele
Butterfly Conservation Europe &
Department für Biozönoseforschung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
(UFZ) Halle-Leipzig
T +49-345-558 5320
Josef.Settele(at)ufz.de
(auch über: Tilo.Arnhold(at)ufz.de, +49-341-235 1635; UFZ Öffentlichkeitsarbeit)

Rückfragehinweis:
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T  +43-1-4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30
veronika.schallhart(at)univie.ac.at


Copyright der Schmetterlingfotos: Martin Wiemers, Universität Wien
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