Manche mögen's heiß: Wärme liebende Bakterien in der Arktis

Im eiskalten Meeresboden vor Spitzbergen hat ein internationales ForscherInnenteam mit österreichischer Beteiligung Ungewöhnliches entdeckt: Alexander Loy vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien und seine KollegInnen konnten dort überraschend viele Sporen von thermophilen Bakterien nachweisen. Diese Mikroorganismen bevorzugen normalerweise Temperaturen um 50°C. Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe von Science nachzulesen.

Wie die Gruppe aus ForscherInnen des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie sowie der Universitäten Wien, North Carolina (USA) und Aarhus (Dänemark) herausfand, stammen die Sporen von verschiedenen Bakterien mit Stoffwechselfähigkeiten, die man auch bei einigen der an Kälte angepassten Mikroben im arktischen Sediment findet.

Zum Beispiel können beide Gruppen in Abwesenheit von Sauerstoff organische Substanz abbauen. Allerdings sind die Wärme liebenden Bakterien in der Arktis nicht aktiv, sondern verharren als Sporen in einem gegen widrige Umweltbedingungen optimal gewappneten Ruhezustand.

"Seltene Biosphäre"
Hunderttausende der ungewöhnlichen Sporen konnte das internationale Forscherteam pro Gramm Meeressediment messen. Dennoch machen die Sporen nur einen Bruchteil der gesamten Bakterienmenge in diesem Lebensraum aus. Zur Erklärung verweisen die WissenschafterInnen auf das Modell der so genannten "Seltenen Biosphäre". Versteckt in der großen Masse sehr häufiger Bakterien gibt es extrem seltene Mikroben, die zwar keinen wichtigen Beitrag zum Stoffumsatz leisten, aber die Vielfalt (Biodiversität) der Mikroorganismen erhöhen.

Wie sich Mikroorganismen verbreiten und zur lokalen Vielfalt im Meer beitragen, war größtenteils ungeklärt. Die thermophilen Sporen scheinen die entscheidenden Hinweise zur Lösung dieses Rätsels der Biogeographie in sich zu tragen, auch wenn sie schlafend auf dem eiskalten Meeresgrund wahrscheinlich vergeblich auf wärmere Zeiten warten. Die Anzahl der Sporen nimmt jedes Jahr um mehr als 100 Millionen pro Quadratmeter Meeresboden zu. Offenbar sind Meeresströmungen und Sedimentationsprozesse an dieser Zunahme beteiligt. Die eigentlichen Quellen dieses konstanten Zustroms an Bakteriensporen sind aber noch ungewiss.
 
Indikatoren für Erdölvorkommen?
Die ForscherInnen vermuten zirkulierende Strömungen aus den Spalten der sich neubildenden Erdkruste, den so genannten "Schwarzen Rauchern" und den Hydrothermalquellen, da die dort gefundenen Bakterien sehr große genetische Ähnlichkeit mit den jetzt in der Arktis gefundenen Sporen aufweisen. Eine weitere Quelle könnten heiße Erdöllagerstätten sein, aus denen Gas und Öl herausströmen und die den Meeresboden durchbrechen. Somit könnten diese Sporen bildenden Mikroben als Indikatoren noch unentdeckter Erdöl- und Gasvorkommen dienen.

Originalartikel
A Constant Flux of Diverse Thermophilic Bacteria into the Cold Arctic Seabed.
Casey Hubert, Alexander Loy, Maren Nickel, Carol Arnosti, Christian Baranyi, Volker Brüchert, Timothy Ferdelman, Kai Finster, Flemming Mønsted Christensen, Júlia Rosa de Rezende, Verona Vandieken, and Bo Barker Jørgensen. Science, 18. September 2009, VOL 325, doi: 10.1126/science.1174012

Kontakt:
Dr. Alexander Loy
Department für Mikrobielle Ökologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-542 07
alexander.loy(at)univie.ac.at
loy(at)microbial-ecology.net
www.microbial-ecology.net

Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
alexandra.frey(at)univie.ac.at