Forschungsprojekt zu Sprachproblemen bei Asyl- und Strafverfahren
07. July 2009Martina Rienzner, Projektleiter Walter Schicho und Gabriele Slezak vom Institut für Afrikawissenschaften
"Do you understand English?" oder "Do you understand the interpreter?" werden Verfahrensbeteiligte aus afrikanischen Herkunftsländern am Anfang ihres Asyl- oder Strafverfahrens in Österreich häufig gefragt. Die Antwort darauf wirkt sich wesentlich auf das weitere Verfahren aus. Ziel des Forschungsprojekts "Sprachwahl in Straf- und Asylverfahren" unter der Leitung von Walter Schicho, Professor am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien, ist es, den konkreten Prozess der Sprachwahl im Asyl- und Strafverfahren empirisch nachzuzeichnen, die Ursachen für sprachbezogene Missverständnisse zu identifizieren und in weiterer Folge Lösungsvorschläge zu formulieren.
Afrika ist als gesamter Kontinent von einer besonderen sprachlichen Vielfalt geprägt. Allein in Nigeria - jenem Land, aus dem der Großteil der in Österreich lebenden Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund kommt - werden über 400 verschiedene Sprachen gesprochen. Im Kontext dieser Mehrsprachigkeit fungiert Englisch offiziell als einzige Amtssprache, obwohl ein Großteil der nigerianischen Bevölkerung Englisch nur sehr eingeschränkt beherrscht. Darüber hinaus erfasst in diesem Zusammenhang die übliche Bezeichnung einer Sprache nicht zwingend auch die Vielfalt sprachlicher Varietäten. „Dies kann im Kontext eines Straf- oder Asylverfahrens in Österreich dazu führen, dass beispielsweise Verfahrensbeteiligte aus afrikanischen Ländern zwar angeben, Englisch zu sprechen, aber tatsächlich eine Varietät des Englischen verwenden, die sich von der Varietät, die der/die engagierte DolmetscherIn verwendet, wesentlich unterscheidet. Verständigungsprobleme sind hier oft die Folge“, erklären Gabriele Slezak und Martina Rienzner vom Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien.
Nicht zertifizierte DolmetscherInnen für afrikanische Sprachen
Im Verzeichnis des Österreichischen Verbands der Gerichtsdolmetscher sind derzeit geprüfte ExpertInnen für rund 50 Sprachen eingetragen. Für afrikanische Sprachen stehen allerdings keine akademisch ausgebildeten und gerichtlich beeideten DolmetscherInnen zur Verfügung. Werden DolmetscherInnen für afrikanische Sprachen benötigt, greifen EntscheidungsträgerInnen bei Behörden und Gerichten meist auf intern geführte Listen oder mündliche Empfehlungen zurück. Die so eingesetzten LaiendolmetscherInnen verfügen aber über keine entsprechende Ausbildung. Deshalb fehlen ihnen oft wichtige Informationen zu ihren Rechten und Pflichten sowie zum Berufsethos der DolmetscherInnen. Dies kann Auswirkungen auf das Verfahren haben und unter Umständen zu einer Benachteiligung der vernommenen Personen führen.
Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis
Ausschlaggebend für den Erfolg des Projekts ist eine gute Zusammenarbeit mit der Praxis. "Es ist uns ein besonderes Anliegen, gemeinsam mit den Zuständigen im Straf- und Asylverfahren Lösungsansätze zu entwickeln", betonen die beiden jungen Wissenschafterinnen. Die Forschungsergebnisse des Projekts werden wertvolle Inputs liefern, um bereits vorhandene Kompetenzen und Ressourcen gezielter in den Verfahren einsetzen zu können und so insgesamt zu einer Qualitätssicherung beigetragen zu können. Das zweijährige Projekt läuft seit April 2009 und wird vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank gefördert.
Kontakt
Mag. Gabriele Slezak
Mag. Martina Rienzner
Projekt Sprachwahl in Sprach- und Asylverfahren
Institut für Afrikawissenschaften
1090 Wien, Spitalgasse 2, Hof 5
T +43-1-4277-432 55
gabriele.slezak(at)univie.ac.at
martina.rienzner(at)univie.ac.at
http://www.sprachmittlung.at
Rückfragehinweis
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30
veronika.schallhart(at)univie.ac.at