Performing Femininity – Konstruktionen von Geschlecht im Film

Im Kino Hollywoods müssen Frauen vor allem eines sein: sexy. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig geändert. Wie das Publikum eine weibliche Leinwandfigur wahrnimmt, wird nicht nur durch die Rollenverteilung bestimmt, sondern auch durch die Erzählweise. Hier setzt die feministische Filmwissenschafterin Andrea Braidt in ihrem aktuellen Projekt an: Sie untersucht den Einfluss der Erzählperspektive auf die mediale Konstruktion von Geschlecht. Passend zum Thema verlost "uni:view" 2 x 2 Karten für den Dorothy-Arzner-Film "Honor Among Lovers", der im Österreichischen Filmmuseum gezeigt wird. Nähere Informationen zum Gewinnspiel siehe Textende.

Geschlechterforschung ist ein breit gefächertes, interdisziplinäres Forschungsfeld. "In meinem Feld, der Filmwissenschaft, ist das naheliegend: Sobald es um Repräsentation bzw. Bilder und Bildpolitik geht, ist die Frage, wie Geschlecht konstruiert wird, bedeutend", sagt Andrea Braidt vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft.

Ein stereotypes Frauenbild

Wie aber wird Geschlecht in modernen Hollywood-Produktionen konstruiert? Gehört das stereotype Frauenbild, das weibliche Filmfiguren über lange Zeit entweder als Heilige oder Hure darstellte, heute der Vergangenheit an? "Innerhalb des Genres der Romantic Comedy, das die Geschlechterdifferenz zum Hauptthema hat und deshalb in der Filmwissenschaft als Paradebeispiel herangezogen werden kann, hat sich dieses Bild jedenfalls nur marginal verändert. Wenn man die enorme Dialogkraft bedenkt, die weiblichen Schauspielerinnen à la Katharine Hepburn im US-Kino der 1930er und 40er-Jahre zugestanden wurde, oder die differenzierten Porträts weiblicher Figuren im Kino Dorothy Arzners hat sich die Situation womöglich sogar verschlechtert", meint Braidt.

Erzählperspektive und Geschlechterkonstruktion

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die Rolle der Frau in der Gesellschaft ihre Darstellung im Film beeinflusst – und umgekehrt. Weit weniger erforscht ist die Wirkung der Erzählperspektive, obwohl sie die Wahrnehmung einer Leinwandfigur entscheidend mitprägt. In ihrem Habilitationsprojekt "Erregung erzählen. Filmperspektive, Gender, Empathie" geht die Filmwissenschafterin diesem Aspekt auf den Grund: "Ich schaue mir an, aus welcher Perspektive im Film erzählt wird und wie diese Erzählperspektive die Konstruktion von Geschlecht beeinflusst."

Als Beispiel nennt Braidt eine typische Kameraperspektive im Horrorfilm, die das Geschehen aus Sicht des Mörders einfängt – die ZuschauerInnen erfahren aber nicht, wessen Blickwinkel sie da einnehmen. "Diese Einstellung ist sehr interessant. Einerseits ist das Geschlecht des Subjekts auf dieser simplen repräsentationstechnischen Ebene nicht sichtbar. Andererseits werden bestimmte Klischees mit dieser Handlung – der Tat des Mordens – verbunden, die in weiterer Folge bestätigt oder nicht bestätigt werden."

Was bedeutet der Internationale Frauentag für Sie?

Andrea Braidt: Der Frauentag ist insbesondere aus PR-technischer Sicht eine sehr wichtige Einrichtung für die Frauenbewegung. Dieser Tag wird speziell wahrgenommen und bietet eine besonders gute Möglichkeit, frauenpolitische Themen aktuell in die Öffentlichkeit zu bringen. Man darf dabei nicht vergessen, dass es sich bei diesem Tag um eine wichtige Errungenschaft der sozialistischen Frauenbewegung handelt, die erst erkämpft werden musste. Diese historische Verbindung gilt es sich stets zu vergegenwärtigen. Für mich persönlich ist der Frauentag vor allem ein Tag zur politischen Aktion.


Feministische Filmwissenschaft …

Mit ihrem Forschungsansatz liefert Braidt einen Beitrag zur feministischen Film- und Medienwissenschaft, die historisch gesehen auf die Anfänge der 1970er-Jahre zurückgeht. Begonnen hat alles mit dem Artikel "Visual Pleasure and Narrative Cinema" der britischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey, der gewissermaßen als Gründungsdokument der Forschungsrichtung gilt. "Dieser Text hat eine theoretische Wende in der feministischen Filmanalyse eingeleitet. Während zuvor lediglich repräsentationskritische Fragen im Vordergrund standen, hat Mulvey zum ersten Mal einen psychoanalytischen Ansatz miteinfließen lassen und festgestellt, dass schon der filmische Apparat an sich eine geschlechterdifferente Logik in sich birgt: Es wird ein männlicher Blick propagiert, der die weiblichen Figuren zu seinem Gegenstand hat."

Mittlerweile berufen sich die Ansätze der feministischen Film- und Medienwissenschaft vor allem auf die Performativitätskonzeption im Anschluss an die Poststrukturalistin Judith Butler. Queer Theory und die Beschäftigung mit queerem Kino bildet einen weiteren Schwerpunkt in der feministischen Filmwissenschaft und auch einen Fokus von Braidts wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Kino.

… und neue Medienwelt

Seit Mulveys Artikel haben sich sowohl die feministische Filmwissenschaft als auch die Medienwelt weiterentwickelt. Der Siegeszug des Internets und die Diversifizierung des Medienangebots bilden eine veränderte Ausgangslage für die feministische Filmwissenschaft. "In den neuen Medien – insbesondere ihren sozialen Erscheinungsformen im Web 2.0 – stellen sich in Bezug auf emanzipatorisches Potenzial und Handlungsmacht ganz neue Fragen. Aus wissenschaftlicher Sicht gilt es zunächst zu klären, wie sich die Konstruktionsweisen von Geschlecht dadurch verändert haben, bzw. wo die Differenzen bzw. Kontinuitäten zu den 'alten' Medien liegen", erläutert Braidt.

Ob die Veränderungen in der Medienlandschaft letztendlich dazu führen, dass sich das Frauenbild im Film verändert, bleibt abzuwarten. "Es ist sicher nicht so, dass dadurch gleich alles anders wird. Ehrlich gesagt glaube ich zum Beispiel nicht, dass sich das Frauenbild in Hollywood groß ändern wird. Filme finden heute aber auch über andere Vertriebskanäle als die großen Studios einen Weg zu ihrem Publikum. Als Konsequenz ist auch das medial propagierte Frauenbild nicht länger ausschließlich durch Mainstream-Produktionen geprägt." (ms)

Mag. Dr. Andrea Braidt ist Senior Scientist und Lehrende am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Mitglied des Senats der Universität Wien. Derzeit arbeitet sie an ihrer Habilitation "Erregung erzählen. Filmperspektive, Geschlecht, Empathie".


GEWINNSPIEL: 2 x 2 Karten für "Honor Among Lovers"

In Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum verlost "uni:view" 2 x 2 Karten für den Film "Honor Among Lovers", der im Rahmen einer großen Retrospektive zum Werk der US-Regisseurin Dorothy Arzner gezeigt wird.

Vorstellungstermin: Montag, 4. April 2011, 19 Uhr
Augustinerstraße 1, 1010 Wien

Die Verlosung für das Gewinnspiel hat bereits stattgefunden. Die ermittelten GewinnerInnen werden per E-Mail verständigt.