Neue Ära der Elementarteilchenforschung eingeleitet

Aktuell wurde von den zwei großen LHC-Experimenten am CERN ein neues Elementarteilchen nachgewiesen. André Hoang, Professor für Teilchenphysik an der Universität Wien, erklärt, warum das neue Teilchen das sogenannte "Higgs-Boson" sein könnte, das als letzter Baustein des Standardmodells der Elementarteilchphysik gilt.

Die Eigenschaften des neu entdeckten Teilchens sind konsistent mit dem sogenannten Higgs-Boson, dem letzten Baustein des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Das Higgs-Boson ist absolut essenziell für unser Verständnis der Elementarteilchen, da es direkt daran beteiligt ist, dass Elementarteilchen und somit alle Materie, einschließlich uns selbst, Masse besitzen – sich also als feste, fassbare Materie manifestieren können. Das Higgs-Boson ist einzigartig unter den Elementarteilchen, da es ein sogenanntes skalares Teilchen ist, das dieselben Quantenzahlen wie das Vakuum besitzt.

Dass derartige Teilchen überhaupt als elementare Anregungen existieren können, war bis heute völlig unklar. Die Entdeckung hat, wie bei quantenmechanischen Messungen üblich, einen statistischen Charakter. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den beobachteten Signalen um eine statistische Fluktuation handelt, kleiner als eins zu einer Million. Dies ist das in der Elementarteilchenphysik übliche Kriterium, um eine Entdeckung bekanntzugeben, und war der Grund für die lange Zeit, die man für die Entdeckung gebraucht hat.

Vielzahl  neuer Entdeckungen erwartet

Mit der wahrscheinlichen Entdeckung des Higgs-Boson erfüllt das LHC-Experiment eines seiner Hauptaufgaben. Nun gilt es, die Frage zu klären, ob es sich bei dem neu entdeckten Elementarteilchen in der Tat um das skalare Higgs-Boson des Standardmodells handelt, oder ob es vielleicht sogar der erste Hinweis auf eine ganz andere, neuartige Theorie darstellt. Letzteres wäre natürlich noch interessanter!

Darüber hinaus erhoffen sich die ElementarteilchenphysikerInnen weitere spannende und vor allem unerwartete Entdeckungen neuer Phänomene. Die heutige Entdeckung eröffnet eine neue Ära der Elementarteilchenforschung und bezeichnet eventuell sogar den Startpunkt einer Vielzahl von weiteren aufregenden Erkenntnissen in der Teilchenphysik, die wir in naher Zukunft erwarten können.


André H. Hoang ist Professor für Theoretische Physik auf dem Gebiet der Teilchen- und Astroteilchenphysik sowie Gruppensprecher der Teilchenphysik an der Fakultät für Physik. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Theoretische Elementarteilchenphysik an Beschleuniger-Experimenten (LHC, Linear Collider, B-Fabriken), die Physik schwerer Quarks, instabiler Teilchen und Jets sowie Strahlungskorrekturen in der Quantenchromodynamik und der elektroschwachen Theorie.
Zum Porträt von André Hoang (April 2012)