Inspirationsquelle Arabischer Frühling

Am Freitag, 9. März 2012, fand der Forschungsworkshop "Arab Spring Revisited – Populäre Mythen, Narrative und ästhetische Dimensionen" statt. Aus philologisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive wurde analysiert, was im vergangenen Jahr auf der "arabischen Straße" passierte.

Vor rund einem Jahr erreichte der sogenannte Arabische Frühling seinen ersten Höhepunkt und hat dabei große Hoffnungen auf Demokratisierung und soziale Veränderungen geweckt – sowohl im Westen als auch in der Arabischen Welt. Die politischen und sozialen Umbrüche in vielen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas brachten diese Region nicht nur in den Fokus der internationalen Medien, sondern riefen auch großes Interesse in der Wissenschaft hervor. Binnen weniger Monate erschien eine schier unüberschaubare Menge an politologischen und soziologischen Studien, darunter nicht wenige von fragwürdiger Qualität.


Für die Initiatorin, Lea Müller-Funk vom Institut für Orientalistik (gemeinsam mit Anna Telič), war es eine gelungene Veranstaltung, in deren Rahmen u.a. auch NachwuchswissenschafterInnen ihre Erkenntnisse präsentieren und zu weiterer Auseinandersetzung mit der Thematik anregen konnten. (Foto: Anna Telič)



Ein leitender Gedanke für die Organisation des Workshops war, aus philologisch-kulturwissenschaftliche Perspektive zum besseren Verständnis der weiterhin sehr dynamischen Prozesse beizutragen. Gefragt war daher eine Auseinandersetzung mit Themen des Arabischen Frühlings, die über die sonst im Mittelpunkt stehenden politischen Aspekte hinausgehen. Die Vortragenden analysierten anhand authentischer Materialien die Stimmung der "arabischen Straße", die in hohem Maße durch Spontaneität und Emotion geprägt ist. Dabei zeigte sich auch, dass das in vielen Medien transportierte Bild von vorherrschender Aggression zurechtgerückt werden muss.

Von Street-Art zu Rap

Eingeleitet wurde der Workshop durch zwei Impulsreferate: Gudrun Harrer (Der Standard) und Cengiz Günay (Österreichisches Institut für Internationale Politik) präsentierten ihre Einsichten aus der Perspektive der Politikwissenschaft und steckten damit den politischen Rahmen ab, innerhalb dessen eine Auseinandersetzung mit den ästhetischen Dimensionen des Arabischen Frühlings stattfand. Auf die Impulsreferate folgten Kurzvorträge zu vielfältigen Themen wie dem Internetauftritt der Freien Syrischen Armee, Graffiti und Street-Art im postrevolutionären Tunesien, der Figur des Anti-Helden im syrischen Exiltheater und nicht zuletzt der Rolle von Pop- und Rapmusik im Zusammenhang mit den Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Syrien.



Über den politischen Hintergrund des Arabischen Frühlings sprachen Gudrun Harrer von "Der Standard" und Cengiz Günay vom Österreichischen Institut für Internationale Politik. (Foto: Anna Telič)



Die Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Syrien waren eine Inspirationsquelle für Kreativität, die unter den diktatorischen Regimen lange Zeit durch repressive Gesetze und strafrechtliche Verfolgung unterdrückt worden war. Der Workshop zeigte, dass sich während des Arabischen Frühlings 2011 – wenn auch nur für kurze Zeit – ein Fenster künstlerischer und politischer Freiheiten geöffnet hatte. Denn gerade die Situation in Ägypten führt drastisch vor Augen, dass die postrevolutionären staatlichen Autoritäten bei der Repression kritischer Stimmen nicht weniger zimperlich sind als die gestürzten Regime.

Träume einer Generation

Vor allem Produkte der sogenannten Populärkultur demonstrieren, wie in spontaner, oft anonymer, aber immer sehr authentischer Form Hoffnungen und Ängste künstlerisch zum Ausdruck gebracht wurden. HipHop-Songs, Cartoons und Marionettentheater sind sowohl Vehikel für soziale und politische Kritik, als auch Manifestationen einer in der jüngeren arabischen Geschichte einzigartigen Aufbruchsstimmung. Auch Graffiti, Street-Art und Websites sind eindrucksvolle Zeugnisse für die Träume einer ganzen Generation von einer besseren und freieren Zukunft.

Vergängliche Populärkultur


In der Schlussbesprechung des Workshops wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kurzlebigkeit von Populärkultur sowie die kontrarevolutionären Tendenzen der neuen Staatsführungen ein konsequentes und rasches Aufarbeiten der Materie erfordern. Websites verschwinden, Graffitis werden übermalt und manch gefeierter Popstar der Revolution ist schon wieder fast in Vergessenheit geraten.


Der Forschungsworkshop "Arab Spring Revisited – Populäre Mythen, Narrative und ästhetische Dimensionen" fand am 9. März 2012 am Institut für Orientalistik statt.

Univ.-Prof. Dr. Stephan Prochazka, Mag. Lea Müller-Funk, BA M.A. und  Mag. Anna Telič sind am Institut für Orientalistik tätig.