HistorikerInnen-Bericht über Wiens Straßennamen

Seit 2011 untersuchte eine Kommission am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien – Oliver Rathkolb, Birgit Nemec, Peter Autengruber und Florian Wenninger – die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Das Straßennetz Wiens besteht aus ca. 6.600 Verkehrsflächen, davon sind 4.379 personenbezogenen. 159 davon sind als historisch kritisch einzustufen (= 3,6 Prozent). Diese kritischen Straßennamen wurden von der HistorikerInnenkommission in drei Kategorien gewichtet: Kategorie A beschreibt Fälle mit intensivem Diskussionsbedarf, Kategorie B Fälle mit Diskussionsbedarf und Kategorie C Fälle mit demokratiepolitisch relevanten biographischen Lücken.

"Es wurden Namensgeber von Verkehrsflächen erforscht, die antisemitische Einstellungen bzw. andere gruppenbezogene menschenfeindliche Vorurteile wie Antisemitismus vertreten haben bzw. dem Nationalsozialismus politisch nahe gekommen sind", erläutert Oliver Rathkolb vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, Projektleiter der HistorikerInnenkommission.

Politische Konsequenzen aus dem Bericht  

Die Ergebnisse der Studie will die Stadt Wien zum Anlass nehmen, die Kriterien für die Benennung von Verkehrsflächen zu überdenken und einen Katalog mit Empfehlungen zu erarbeiten. Straßennamen sollen künftig v.a. den Kriterien Erkennbarkeit, Unterscheidbarkeit, Kürze und Wien-Bezug gerecht werden. Insbesondere bei personenbezogenen Straßennamen sollen objektivierbare Verdienste vorliegen, historische Vorab-Prüfungen durchgeführt sowie die migrantische Diversität und Gendergerechtigkeit berücksichtigt werden.

Darüber hinaus werden jene Biographien von Politikern weiter erforscht und einem kritischen Diskurs unterzogen, von denen keine ausreichenden Daten zu Positionen, Einstellungen und Wirken in zeitgeschichtlich heiklen Fragen vorliegen.

Umgang mit kritischen Straßennamen  

Für die kritischen Straßennamen werden Maßnahmen wie Zusatztafeln bzw. künstlerische Interventionen gesetzt. Ausführliche Informationen sollen im Online-Lexikon der Wiener Straßennamen Eingang finden. Umbenennungen bleiben die Ausnahme: "Jede Stadt hat ihre Geschichte. Es geht darum, die Geschichte zu thematisieren, die dunklen wie die hellen Seiten", so Mailath-Pokorny.

Lesen Sie hier den vollständigen Bericht der HistorikerInnenkommission.

Das Forschungsprojekt "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'" unter der Leitung von Univ.‐Prof. DDr. Oliver Rathkolb (Universität Wien) wurde im Auftrag der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) auf Initiative von Stadtrat Dr. Andreas Mailath‐Pokorny und Altrektor der Universität Wien Univ.‐Prof. Dr. Georg Winckler durchgeführt.