documenta: Der Physik "die Türen eingerannt"

"Es ist unglaublich, welches Echo wir hatten", zieht Anton Zeilinger von der Universität Wien Bilanz über ein ungewöhnliches Projekt – die Präsentation quantenphysikalischer Experimente bei der Kunstausstellung documenta in Kassel. Bald sollen die Exponate auch an der Universität Wien zu sehen sein.

Sowohl das breite Publikum als auch die Künstler zeigten sich auf der kürzlich zu Ende gegangenen documenta überaus an den Quantenexperimenten interessiert, so Anton Zeilinger: "Die Leute rannten uns wirklich die Türen ein." Auch inhaltlich seien die Reaktionen "insgesamt sehr positiv", nur wenige hätte gefragt, was denn WissenschafterInnen auf einer Kunstausstellung zu suchen hätten. "Meine Antwort war dann immer: Wir wurden eingeladen, darum sind wir da."

Die künstlerische Leiterin der documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, hatte Zeilinger zunächst als wissenschaftlichen Berater für die wohl wichtigsten Schau zeitgenössischen Kunstschaffens verpflichtet und ihn dann auch überzeugt, seine Arbeit in Kassel zu präsentieren. Wobei der Professor der Universität Wien darauf Wert legte, "keine Kunstwerke" zu zeigen, sondern "eine wissenschaftliche Präsentation, die allen Kriterien der Forschung standhält", wie er zu Beginn der Ausstellung betonte. Ein ganzer Raum im Hauptgebäude Fridericianum stand für die fünf Experimente aus Wien zur Verfügung, Zeilinger war damit auch der einzige Vertreter aus Österreich bei der documenta.

Ferngesteuertes Experiment

Die Präsenz von Laser, Lichtleiter, Strahlteiler und Co. in Kassel nutzten die Wiener Physiker gleich für einen ungewöhnlichen Versuch. Weil gerade Zeit und die Präsentationen fernsteuerbar gewesen seien, "haben wir ein neues Experiment von Wien aus ferngesteuert, das nun auch wissenschaftlich publiziert werden soll", erzählte Zeilinger.

Er hatte den Eindruck, dass die Physik-Präsentation nicht nur vom Publikum angenommen wurde, sondern auch von den bei der documenta ausstellenden Künstlern. In der Abschlusswoche hat er an zwei Tagen Spezialvorlesungen für anwesende Künstler gegeben. "Das war hochinteressant und ganz wichtig", so Zeilinger. Denn viele Künstler würden diese Ausdrücke verwenden und sich dabei auf die Quantenphysik berufen. "Das steht ihnen zu, aber sie sollten dann wissen, was diese Konzepte bedeuten." Dem Physiker geht es dabei nicht darum, die Phänomene im Einzelnen verständlich zu machen, "sondern Verständnis zu vermitteln, was es bedeutet, wenn wir etwa von Unschärfe sprechen, dass das sehr wohldefinierte, klare Konzepte sind, die mathematisch überprüfbar sind, und nicht irgendetwas Unklares Ungenaues".

Langfristiger Blick in die Quantenwelt


Wer es nicht nach Kassel geschafft hat, bekommt künftig in Wien die Chance, einen Blick in die Quantenwelt zu werfen. Die fünf durch Akademie der Wissenschaften (ÖAW), den FWF und die Universität Wien finanzierten Schau-Experimente sollen die "Keimzelle eines Besuchslabors" an der Universität Wien bilden. Zunächst werden die Exponate in ein Physikgebäude in der Sensengasse in Wien-Alsergrund transferiert, Zeilinger hofft aber, sie "im zentralen Bereich der Physik", also im Gebäudekomplex Boltzmanngasse-Strudlhofgasse ansiedeln zu können. Als Zeithorizont dafür nannte er kommendes Jahr. (APA)