Archäologischer Blick auf "Mädchen"

Welche Vorstellungen von "weiblicher Jugend" gab es im klassischen Athen? Diese Frage beleuchtet Marion Meyer, Vorständin des Instituts für Klassische Archäologie, in einem Vortrag am Dienstag, 22. März 2011. Als Quelle dienen bildliche Darstellungen von Mädchen aus dieser Zeit – insbesondere die attischen Grabreliefs, die zwischen 430 und 310 v. Chr. in Athen aufgestellt wurden.

Bei mythischen Darstellungen von weiblicher Jugend handelt es sich fast immer um Mädchen, die kurz vor ihrer Verheiratung stehen. Kleine oder halbwüchsige Mädchen kommen hingegen kaum vor. Anders ist dies in Darstellungen, die sich auf die Lebenswelt beziehen, wie etwa die attischen Grabreliefs. Diese zeigen ein breiteres Spektrum an weiblicher Jugend und lassen Mädchen aller Entwicklungsstufen erkennen.

Relevanz des Lebensalters?

In bisherigen Untersuchungen dieser Bilder ging es meist um die Frage, welcher Altersstufe die abgebildeten Mädchen angehören. Meyer nähert sich dieser Frage hingegen aus kritischer Perspektive, da sie davon ausgeht, dass das Lebensalter in der Antike keine bedeutende Rolle gespielt habe. Ist es wirklich die Absicht der Bilder, zwischen verschiedenen Altersstufen der Mädchen zu unterscheiden? Oder werden möglicherweise vollkommen andere Differenzierungsstrategien verfolgt?

Mehr als Abbildungen

Da die Darstellungen zu einem hohen Grad imaginär sind, können sie scheinbar Unvereinbares kombinieren: Einerseits werden kleine Mädchen mit Bildelementen dargestellt, die darauf verweisen, dass das eigentliche "Ziel" ihres Daseins die Hochzeit ist. Andererseits wird bei Mädchen im heiratsfähigen Alter unterstrichen, dass sie noch Kinder, also keine Frauen, sind. Angesichts dieser Ambivalenzen weitet sich der Blickwinkel des Vortrages auf grundsätzliche Fragen zur Bildlichkeit aus: Welche Aufgaben und Funktionen erfüllen Bilder in der griechischen Antike? Was bieten sie den BetrachterInnen heute? (sh)

Vortrag: Was ist ein Mädchen? Der Blick auf die weibliche Jugend im klassischen Athen
Dienstag, 22. März 2011, 18.15 Uhr
Institut für Klassische Archäologie, Seminarraum 12
Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien


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