"Mutter der Pille" Carl Djerassi verstorben

Der Chemiker Carl Djerassi, Ehrendoktor der Universität Wien und "Mutter der Pille", wie er sich in seiner Autobiografie nannte, ist in der Nacht von Freitag auf Samstag (31. Jänner) 91-jährig verstorben.

Zu seinem Geburtsland Österreich hatte Djerassi lange Zeit ein sehr schwieriges Verhältnis: Am 29. Oktober 1923 kam er als Sohn eines bulgarischen Vaters und einer österreichischen Mutter, die für die Heirat die bulgarische Staatsbürgerschaft annehmen musste, in Wien zur Welt. Die jüdische Familie zog alsbald nach Bulgarien, allerdings kehrte Djerassi nach der Scheidung der Eltern mit seiner Mutter wieder nach Wien zurück. Sie bekam die österreichische Staatsbürgerschaft wieder, für den Sohn wurde dies jedoch nicht genehmigt. Erst 2004 wurde Djerassi "im Republiksinteresse" Österreicher.

"Als Chemiker bin ich Amerikaner"

Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits die US-Staatsbürgerschaft inne. Der spätere Wissenschafter wurde 1938 von den Nazis aus Wien vertrieben und flüchtete im Jahr darauf in die USA. "Als Chemiker bin ich Amerikaner. Kulturell ist das eine ganz andere Sache", meinte Djerassi einmal. Seine künstlerische Entfaltung als Autor ab 1985 sah er damals als "Stempel, den meine Kindheit in Wien in mir hinterlassen hat. Der hat sich sehr spät ausgewirkt".

Nach seiner Emigration ermöglichten Pflegeeltern Djerassi den Besuch einer High School in Newark und der University of Wisconsin, wo er im Alter von 21 Jahren in organischer Chemie promovierte. Zunächst arbeitete er in der Industrieforschung. Weltweiten Ruhm brachten ihm zwei Entdeckungen ein: die Synthetisierung des Hormons Cortison, wodurch dessen Massenproduktion möglich wurde, und 1951 die Synthetisierung des Schwangerschaftshormons Gestagen, die er zusammen mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock als Grundlage der Antibabypille entwickelte – eine Bezeichnung, die Djerassi selbst ablehnte, weil er die oral einzunehmende Verhütungspille nicht gegen Babys gerichtet verstand, sondern für die Frau.

Im Jahr 1952 nahm Djerassi seine akademische Lehrtätigkeit an der Wayne State University in Detroit auf. 1959 wechselte er an die Stanford University in Kalifornien, an der er 2002 emeritierte. Seine Arbeitsschwerpunkte als Forscher bildeten Empfängnis, Reproduktionsmedizin und ihre Folgen für die Familie.

"Mischung aus süß und bitter"

Nach Wien kehrte Djerassi nach eigenen Angaben erstmals in den 1950er-Jahren zu einem biochemischen Kongress zurück. "Für Emigranten war Rückkehr immer eine Mischung von süß und bitter." Mit zunehmendem Alter "wird es immer süßer", meinte er damals. In den vergangenen Jahren war Djerassi häufig in Wien, wo er auch einen Wohnsitz hatte.

Ehrendoktorat der Universität Wien

Am 5. Juni 2012 erhielt Carl Djerassi das Ehrendoktorat der Universität Wien. Unter den Ehrengästen im Großen Festsaal waren u.a. Bundeskanzler Werner Faymann und Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder – Carl Djerassi hat der Wiener Albertina u.a. Werke aus seiner Paul Klee-Sammlung zur Verfügung gestellt. Gleich vier Fakultäten hatten den Antrag auf ein Ehrendoktorat für Carl Djerassi eingereicht.

Die Verleihung des Ehrendoktorats an Carl Djerassi, der "zu den bedeutendsten und vielseitigsten Forscherpersönlichkeiten unserer Zeit" zähle, war ein besonderes Anliegen der Universität, wie der Rektor der Universität Wien Heinz W. Engl anlässlich der Verleihung betonte. Zu diesem Zeitpunkt war Djerassi bereits Träger 27 weiterer Ehrendoktorate – jenes der Universität Wien unterscheide sich aber von den anderen, wie er bei der Verleihung im Großen Festsaal der Universität Wien sagte: "Hier haben meine Eltern studiert. Hier hätte ich studiert."

Autor und Kunstsammler

Als Autor schrieb Djerassi zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bevor er sich in "Cantors Dilemma", "Das Bourbaki Gambit", "Menachems Same" und "NO" dann der von ihm erfundenen Romangattung "Science in Fiction" widmete. Seit 1997 konzentrierte sich Djerassi auf das Schreiben von Theaterstücken, die er unter dem Begriff "Science in Theatre" zusammenfasste. Diese feierten zwar Premieren in Edinburgh, London und fanden auch Eingang in die Spielpläne heimischer Häuser, der Sprung an eine große Wiener Bühne blieb ihm aber verwehrt.

Als Kunstsammler besaß Djerassi mit über 150 Werken eine der größten Paul-Klee-Privatsammlungen, die er zur Hälfte dem Museum of Modern Art in San Francisco und der Albertina vermacht hat. Weiteres begründete er die Djerassi-Stiftung, eine Künstlerkolonie in der Nähe von San Francisco, und initiierte das "Djerassi Resident Artist Program" zur Förderung von MalerInnen, MusikerInnen, SchriftstellerInnen und BildhauerInnen.

Zahlreiche Auszeichnungen

Carl Djerassi hat über 30 Ehrendoktorate bekommen, in Wien neben der Universität Wien auch von der Medizinischen Universität Wien, der Universität für angewandte Kunst und der Sigmund-Freud-Privatuniversität. Zu seinen zahlreiche Auszeichnungen zählen die "National Medal of Science" und der erste "Wolf Price in Chemistry". Djerassi wurde in die "National Inventors Hall of Fame" aufgenommen, war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences sowie Ehrenmitglied der britischen Royal Society of Chemistry.

1999 wurde ihm das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und 2008 das Große silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Im Jahr 2005 wurde in Österreich eine Briefmarke mit Djerassis Bild herausgegeben. (APA/red)