Wer lehrt, hat auch einmal studiert (Teil 4)

Das Sommersemester ist derzeit in vollem Gange. In dem letzten Teil unserer Serie erzählt Mikrobiologe Michael Wagner von seiner Studienzeit, in der das Motto galt: "Hart arbeiten, hart feiern".

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium Biologie) erlebt?
Michael Wagner: Ich hatte nach dem Abitur zwei Jahre Pause, in denen ich meinen Zivildienst gemacht habe und lange in Griechenland war. Nach dieser Zeit hatte ich richtig Lust zu studieren, ohne eine genaue Vorstellung zu haben, was mich an einer Universität erwartet. Wir wurden an der TU München von Tutoren aus höheren Semestern begrüßt und mit den wichtigsten Dingen bzgl. der Organisation des Studienalltags vertraut gemacht. Zudem wurden kleinere Gruppen gebildet, in denen wir jeweils einen anderen Studierenden aus der Gruppe vorstellen durften. Dabei habe ich zwei Studenten kennengelernt, mit denen ich bis heute befreundet bin. Am Abend des ersten Tages hat sich unsere Gruppe dann in der Stadt für eine kleine Studium-Opening-Party getroffen.


Michael Wagner genoss es während seines Studiums, in die unterschiedlichsten Bereiche der Biologie hineinschnuppern zu können. Das Bild entstand Ende der 1980er Jahre auf einer Pflanzenbestimmungsexkursion in Griechenland. (Foto: privat)



uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Michael Wagner: "Hart arbeiten, hart feiern". Biologie zu studieren war für mich eine spontane Bauchentscheidung. Ich war dann selbst ein wenig überrascht, wie interessant ich das Studium fand. Im Gegensatz zu meiner Schulzeit habe ich mich sehr engagiert und immer wieder recht extreme Lernphasen eingelegt. Diese Phasen wurden dann unterbrochen durch Perioden, in denen gemeinsame Aktivitäten mit StudienkollegInnen im Vordergrund standen – da wir an der TU München nur ca. 60 StudentInnen in meinem Semester waren, kannten wir uns alle recht gut. Es war eine wirkliche schöne und lustige Zeit.

uni:view: Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Studienzeit?
Michael Wagner: Die Freiheit, sich mit einem wissenschaftlichen Thema in aller Ruhe beschäftigen zu können und so viel wie man möchte darüber zu lesen. Heute lese ich sehr zielgerichtet und selten bleibt genug unfragmentierte Zeit, um sich in aller Ruhe und ohne ein bestimmtes Ziel mit einem Thema zu beschäftigen. Ich habe in meinem Studium besonders die Möglichkeit genossen, in viele verschiedene Bereiche der Biologie hinein zu schnuppern. So habe ich im Rahmen einer intensiven Exkursion Pflanzen in Griechenland bestimmt, Viren in Hühnereiern angezüchtet, mein eigenes Blut im Detail chemisch analysiert und vieles mehr. Ich habe viel mehr Praktika und Exkursionen belegt, als ich für mein Studium anrechnen lassen konnte, aber im Gegensatz zu den heutigen, meiner Meinung nach viel zu verschulten Studien, war genug Raum für solche Aktivitäten. Zudem vermisse ich manchmal die Freiheit, sich den Tag völlig frei einteilen zu können – an einem sonnigen, warmen Tag statt in die Vorlesung an den See zu fahren, ging als Studierender ganz einfach, als Lehrender dann leider nicht mehr.

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Michael Wagner: Wählt eure Studienschwerpunkte rein nach Interesse und nicht nach strategischen Gesichtspunkten aus. Seid und bleibt neugierig. Versucht möglichst früh in Arbeitsgruppen, die euch interessieren, mitzuarbeiten. Und genießt die Freiheit, auch wenn sie leider geringer ist als früher. (mw)


Michael Wagner studierte von 1986 bis 1992 Biologie an der Technischen Universität München, an der er auch 1995 promovierte. Danach ging er unterstützt durch ein Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Post-Doc an die Northwestern University in den USA und kehrte 1996 als Arbeitsgruppenleiter an die TU München zurück, an der er sich 2000 habilitierte. Seit 2003 ist er Professor für mikrobielle Ökologie an der Universität Wien. Er leitet das Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung sowie die Großgeräteeinrichtung für Isotopenforschung und ist Mitglied des Senats.