Universität bewegt: Lehrgang Psychomotorik (MA)

Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig. In Österreich sind bereits über 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Der Masterlehrgang "Psychomotorik (MA)", der nun erstmals an der Universität Wien abgeschlossen wird, hat dazu ein Gegenkonzept entwickelt.

Die interdisziplinäre, postgraduale Ausbildung bereitet auf Tätigkeiten in Bildung, Gesundheit und Forschung vor. Wissenschaftliche Basis des Lehrgangs ist eine Studie des Instituts für Sportwissenschaften, bei der psychomotorische Lehr- und Lernmethoden an der Volksschule und Neuen Mittelschule überprüft werden.

Im Rahmen des Forschungsprojekts, das bis 2015 läuft, wird derzeit an einer Volksschule und an einer Neuen Mittelschule überprüft, ob psychomotorische Lehr- und Lernmethoden effizienter sind als herkömmliche Unterrichtsmethoden. Die LehrerInnen integrieren dort einen "bewegten", am Aneignungsprozess der SchülerInnen orientierten, Unterricht in ihren pädagogischen Alltag. Ziel ist es, den SchülerInnen mehr Freude am Unterricht vermitteln zu können, ihre Leistungsbereitschaft zu erhöhen und ihnen im sozialen Bereich positive Erfahrungen teil werden zu lassen.


Otmar Weiß, Lehrgangsleiter und stellvertretender Vorstand des Instituts für Sportwissenschaft (Foto: privat)



Mit diesem Unterrichtsmodell, das Bewegung auch z.B. im Sprach- und Mathematikunterricht zulässt und fördert, leistet es einen Beitrag zur aktuellen Bildungsdiskussion in Österreich. Das Forschungsprojekt ist auch wissenschaftlicher Ausgangspunkt für den Masterlehrgang "Psychomotorik (MA)", der erstmals am 11. Mai mit einer akademischen Feier erfolgreich abgeschlossen wird. "Unsere AbsolventInnen haben sehr gute Berufschancen und werden in den Bereichen Bildung, Schule und Soziales ihre Expertise einbringen", so Otmar Weiß.

Zusammenspiel von Bewegung, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung

Psychomotorik ist eine neue wissenschaftliche Disziplin, in der Bewegung, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund stehen. Der Universitätslehrgang Psychomotorik – die einzige wissenschaftliche Ausbildung auf diesem Gebiet in Österreich – ist theoretisch fundiert sowie praxisorientiert. Inhaltlicher Schwerpunkt ist "effizientes Lernen", die optimale Wechselwirkung von Kognition, Emotion und Bewegung.

"Lernen erfolgt über den Austausch des Menschen mit seiner Umwelt, wobei die Bewegung eine wichtige Rolle spielt. Bewegung ist für die sensorische Integration – Aktivierung und Zusammenspiel aller Sinne – wichtig. Die sensorische Integration wiederum fördert abstraktes Denken. Bewegungs- und Wahrnehmungslernen ist also effizienter, weil es das Erfassen von Zahlen und Buchstaben sowie komplexen Inhalten mit mehreren Sinnen ermöglicht", erklärt Otmar Weiß.

Bewegung als soziale Funktion

Kinder kommunizieren vor allem über ihren Körper, also durch Bewegung; sie erklären sich nicht so sehr verbal. Mit Bewegung können Fähigkeiten eingesetzt und Eigenschaften zur Schau gestellt werden, die in der sozialen Umwelt geschätzt werden, wie Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination, Kraft, Wissen, Intelligenz, Mut oder Selbstbeherrschung. Soziale Anerkennung ist ein Grundbedürfnis des Menschen, das somit auch über das Medium Bewegung gestillt werden kann. Anerkennung bedeutet Integration, Aufnahme in eine Gemeinschaft oder Gruppe. Anerkennung bedeutet vor allem aber auch Motivation, die wiederum den Lernprozess fördert.

Physiologische Funktion von Bewegung

Bewegung fördert auch die Produktion neuer Nervenzellen im Gehirn, und es kommt zu einer Ökonomisierung des Denkens. Wie in der "Bewegungs-Neurowissenschaft" nachgewiesen, beeinflusst körperliche Aktivität kognitive Gehirnfunktionen in jedem Lebensalter positiv und lässt den Endorphin-Spiegel um das Drei- bis Vierfache über den Ausgangswert ansteigen. Das ist auch ein entscheidender Faktor zur Stimmungsverbesserung. (vs)

Nähere Information zum Masterlehrgang Psychomotorik