Von der Entstehung der Sterne zum Ursprung des Lebens

Am Montag, 16. Jänner 2012, sprach Manuel Güdel – seit Februar 2010 Professor für Astronomie, Satelliten- und experimentelle Astronomie – in seiner Antrittsvorlesung über den Ursprung des Lebens im Weltall. In einem Gastbeitrag hat er seine Vorlesung zusammengefasst.

Die Entdeckung von über 700 extrasolaren Planeten hat der Wissenschaft der Stern- und Planetenentstehung in den letzten Jahren zu einer enormen Blüte verholfen. Wo entstehen Sterne? Wie bilden sich Planeten? Wie wirken Sterne und Planeten zusammen, damit Leben auf den Planetenoberflächen entstehen kann? Und vor allem – können wir diese Prozesse beobachten und vielleicht schon bald im Prinzip belebbare, erdähnliche Planeten nachweisen?


Die Anfänge eines Sonnensystems

Modernste astronomische Beobachtungen sowie komplexe numerische Berechnungen erlauben es den Astrophysikern, in groben Zügen die Ursprünge unseres eigenen Sonnensystems nachzuzeichnen. Wir wissen, dass Sterne durch Kontraktion von kühlen molekularen "Wolken" entstehen. Hier setzt eines der ganz großen Forschungsgebiete der heutigen Astrophysik ein. Aus der kollabierenden Wolke entsteht im Zentrum ein sonnenähnlicher Stern, aber darum herum auch eine Gas- und Staubscheibe von der Größe eines ganzen Sonnensystems. Diese protoplanetaren Scheiben bestehen vor allem aus Gas, beherbergen aber auch bedeutende Mengen an "Staub", also kleinste Partikel aus z.B. Silikaten, die durch gegenseitigen Zusammenschluss langsam zu erdähnlichen Planeten anwachsen.
 
Hochenergie in kühlen Umgebungen

Obwohl Sterne in kühlen Gaswolken mit Temperaturen von zehn bis 100 Kelvin entstehen, sind die Entstehungsphasen stets von Hochenergieprozessen und -strahlung begleitet. So haben wir zum Beispiel im nahen Orionnebel eine Million Grad heiße Gasblase nachgewiesen, in der eine riesige Ansammlung entstehender Sterne eingebettet ist. Aber auch die jungen Sterne werden schnell intensive Röntgenstrahler. Ähnlich wie die heutige Sonne besitzen sie eine magnetische Korona mit heißem Plasma, jedoch strahlt dieses auf Grund viel stärkerer Magnetfelder bis zu zehntausendmal intensivere Röntgenemission als die Sonne aus. Auch ausfließende "Jet"-Ströme haben wir bereits als starke Röntgenstrahler identifiziert.

Was ist die Folge für die Sternumgebung? Ultraviolett- und Röntgenstrahlung haben die bemerkenswerte Eigenschaft, kühles Gas zu ionisieren und schließlich auf hohe Temperaturen zu heizen. Dies führt zum Abdampfen von Scheibengas, aber auch zu enorm komplexen "chemischen Netzwerken" in den Scheiben. Letztere sind gewissermaßen gigantische chemische Fabriken, die wichtige Moleküle wie Wasser und organische Verbindungen herstellen, wie das Herschel-Observatorium der ESA in seinen Infrarot-Spektren zeigt. Neue Herschel-Projekte in unserer Gruppe beginnen nun, die Zusammenhänge mit der Röntgenstrahlung aufzuhellen, und in einem neu bewilligten, großen EU-Projekt werden wir die chemischen und physikalischen Vorgänge in den Scheiben in bisher unerreichtem Detail erkunden.

Ohne Sterne kein Leben

Bereits in diesen frühesten Phasen also werden wichtige Voraussetzungen für später belebbare Planeten geschaffen. Doch wie werden die wichtigen Moleküle auf die Planeten transportiert? Welche Planeten werden später überhaupt habitabel, also belebbar sein? Falls – wie wir glauben – flüssiges Wasser vorhanden sein soll, so muss ein Planet im richtigen Abstand zum Stern stehen – wie die Erde.


Webstream der Antrittsvorlesung von Manuel Güdel



Doch damit nicht genug. Zwischen der Sonne und der Erde findet ein komplexes Spiel zwischen Magnetfeldern, dem Sonnenwind, hochenergetischen Teilchen, der Erdmagnetosphäre, der Erdatmosphäre und natürlich der Ultraviolett- und Röntgenstrahlung der Sonne statt. Die äußerst intensive Hochenergiestrahlung eines jungen Sterns und sein intensiver Wind können problemlos Wasserdampf in der planetaren Hochatmosphäre aufspalten und in den Weltraum abdriften lassen. Möglicherweise passierte damals genau das auf der heute wasserarmen Venus. Die Erde dagegen hat sich mit einem Schutzschild umgeben – der Magnetosphäre, möglicherweise der Grund, weshalb hier Leben entstehen konnte. Andererseits kann dieselbe hochenergetische Strahlung in den jungen Planetenatmosphären Vorstufen von Ribose, Nukleinsäuren und Aminosäuren, also Voraussetzungen für erdähnliches Leben, produzieren.

Diesen komplexen Zusammenhängen von der Zeit der Sternentstehung bis zur Frühzeit eines ausgebildeten Planetensystems geht unser kürzlich vom FWF bewilligtes nationales Großprojekt "Wege zur Habitabilität" nach. Darin werden wir in den nächsten acht Jahren die Wechselwirkungen zwischen Stern, Wind, Strahlung, Scheibe und jungen Planetenatmosphären im Detail berechnen und beobachten. Es sind bereits fast 90 in- und ausländische Forscher an dem Projekt beteiligt.

Eine hoffnungsvolle Zukunft

Die Zukunft hält für unser Forschungsgebiet äußerst lukrative Möglichkeiten bereit. So werden Großobservatorien wie das "James Webb Space Telescope" oder das vorgeschlagene "Exoplanet Characterisation Observatory" der ESA mit starker Wiener Beteiligung zum ersten Mal detailliert die Zusammensetzung der Exoplaneten-Atmosphären messen und vielleicht Gase von Lebensformen nachweisen können. Das nun in Betrieb gehende Millimeter-Großobservatorium ALMA und das noch projektierte "Extremely Large Telescope" der ESO werden in bisher nie erreichter Auflösung protoplanetare Scheiben und letztlich auch die entstehenden Planeten direkt untersuchen. In diese Projekte bringen wir uns deshalb sowohl instrumentell wie auch mit neuen Beobachtungsideen ein, um damit neue Aussagen über die Entstehung belebbarer Umgebungen zu machen.

Das Forschungsgebiet der Stern- und Planetenentstehung ist damit heute zur fundamentalen Frage vorgedrungen: Woher kommen wir? Wie ist Leben entstanden? Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir Aussicht, diese Fragen zu beantworten.

Univ.-Prof. Dr. Manuel Güdel ist seit Februar 2010 Professor für Astronomie, Satelliten- und experimentelle Astronomie sowie Leiter des Instituts für Astronomie.