Peter Schweitzer: Die Reise ins Unbekannte

Ein Österreicher, der in Alaska die arktische Sozialwissenschaft mitbegründete, den Klimawandel erforscht und nun Parallelen zwischen den Inuit und den BewohnerInnen alpiner Täler sucht: Nach 22 Jahren im Norden der USA ist der Ethnologe Peter Schweitzer als Professor an seine Alma Mater zurückgekehrt.

"'Eins muss Ihnen klar sein: Einen Job kriegen Sie mit Völkerkunde nie!' Mit diesem Satz wurden wir in der Einführungsvorlesung begrüßt", lacht Peter Schweitzer. Für den gebürtigen Welser hat sich diese Prophezeiung jedenfalls nicht bewahrheitet: Er ist heute Professor für "Materielle Kultur und Konsumtion" am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie an seiner Heimatuniversität. Und auch der Weg bis dahin kann sich sehen lassen. Wobei laut Schweitzer "alles eine Verkettung glücklicher Zufälle" war.

Begonnen hat seine wissenschaftliche Karriere mit einem Auslandsjahr während seines Doktoratsstudiums in Leningrad – dem heutigen St. Petersburg. In der damaligen UdSSR hat er nicht nur seine Ehefrau kennengelernt, sondern auch andere wichtige Bekanntschaften geknüpft: "Lustigerweise habe ich in der hermetisch abgeriegelten Sowjetunion die internationale Welt der Wissenschaft kennen – und lieben – gelernt. Von da an war mir klar, dass ich Wissenschafter werden will", erinnert sich Peter Schweitzer. Und auch seine Faszination für die arktische Forschung hat sich in diesem Jahr manifestiert.

Arktische Sozialwissenschaft

Sein Interesse an der eisigen Region sowie die russischen Bekanntschaften haben den Österreicher schließlich in die USA geführt, und zwar an die University of Alaska Fairbanks. "Anfangs war es lediglich eine Gastprofessur für ein Jahr – am Ende sind daraus zwei Jahrzehnte geworden." Obwohl Schweitzer in der Zwischenzeit immer wieder Lehraufträge in Wien – und auch in Russland – wahrgenommen hat, kamen mit der neuen Professur an der Universität Wien einige Veränderungen auf ihn zu: "In Alaska war ich fest in die arktische Sozialwissenschaft eingebettet und habe auch meinen Teil zur Etablierung dieser beigetragen. Während ich jedoch in Fairbanks niemanden erklären musste, warum ich die Arktis studiere, ist das in Wien weniger klar", schmunzelt der Ethnologe.


Peter Schweitzer hat 22 Jahre lang in Alaska gelehrt und geforscht. Im Bild: Peter Schweitzer mit seinem Forschungsassistent Jack Omelak in der Nähe von Council, Nordwestalaska, im Sommer 2004. "Wir haben den Einfluss des Klimawandels auf das Süßwasser – und die Menschen – untersucht. Dieser Sommer war übrigens einer der heißesten seit Jahrzehnten", erzählt der Forscher.



Der Klimawandel verbindet

Dabei gibt es laut Schweitzer einige Verbindungen zwischen dem Alpenstaat und der nördlichsten Region der Erde: wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Natur. So beziehen wir z.B. unser Erdgas aus der russischen Arktis, und auch der globale Klimawandel schafft eine starke Verbindung – als globales Phänomen, das sich regional unterschiedlich auswirkt und v.a. in arktischen und alpinen Regionen schnell sichtbar wurde.

Der Verbindung zwischen dem alpinen und arktischen Bereich will er nun in Wien verstärkt nachgehen. "Die Kryosphäre – die Zone, die von Eis und Schnee bedeckt ist – gibt es ja nicht nur im hohen Norden, sondern auch in den Alpen." Die ökologischen Ähnlichkeiten sind offensichtlich – die Inuit mit den österreichischen BergbäuerInnen gleichzusetzen fällt auf den ersten Blick hingegen schwerer. "Doch v.a. wenn es darum geht, zu untersuchen, wie die Menschen mit den Folgen des Klimawandels umgehen bzw. was sie dagegen unternehmen, ist dieser Vergleich sehr spannend", erklärt der Experte, der versucht, möglichst viel von seiner Forschung in seine Lehrveranstaltungen einfließen zu lassen.


Opfer des Klimawandels? In der arktischen Region wurde der Klimawandel sehr schnell sichtbar. Das zeigt die Küstenerosion in der Siedlung Shishmaref in Nordwestalaska. (Das Foto wurde 2005 aufgenommen).



Moral und Politik


"Interessant ist das Beispiel der Inuit-Gemeinden, die gegen amerikanische Öl-Firmen als Mitverantwortliche für den Klimawandel klagen", erzählt Schweitzer. Dabei geht es um handfeste Interessen, wie die Einforderung politischer Rechte oder Entschädigungszahlungen – argumentiert wird aber moralisch. In den Alpen ist der Umgang mit dem Klimawandel – zumindest nach außen hin – etwas beschwichtigender. "Hier spielt die Tourismusindustrie eine wichtige Rolle: Man versucht, Panik zu vermeiden und mit Technologie – wie Schneekanonen – den Folgen des Klimawandels beizukommen."

Die Anthropologie des Klimawandels – ökologische, moralische und politische Aspekte – wird daher auch Thema der Antrittsvorlesung von Peter Schweitzer sein. "Die Frage, wie in unterschiedlichen lokalen und regionalen Kontexten mit dem Klimawandel umgegangen wird, ist nicht nur politisch interessant, sondern oft auch eine Frage der Moral", betont der Sozialanthropologe und ergänzt: "Viele Auseinandersetzungen rund um den Klimawandel drehen sich um Werte. In den USA noch deutlicher als bei uns. Dort – und anderswo – ist es zu einer starken Polarisierung gekommen, die nicht auf wissenschaftlichen Auseinandersetzungen beruht, sondern auf einem Konflikt der Werte: Der Werte der richtigen Lebensführung. Das ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht sehr spannend."

Im Verbund Probleme lösen

Der Klimawandel ist ein allumfassendes Phänomen. "Es betrifft alle Aspekte unseres Lebens", betont Peter Schweitzer. "Die Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt, können wir daher nur im Verbund lösen", betont er. Dabei verweist er auf die Relevanz der interdisziplinären Zusammenarbeit in diesem Bereich und pocht auf eine stärkere Anbindung der Kultur- und Sozialanthropologie an die Ökologie: "Die sich verändernden Umwelten werden viel zu oft getrennt von den darin lebenden Menschen erforscht – hier können wir Ethnologen einen wichtigen Beitrag leisten."


Seine Studierenden fesselt Peter Schweitzer am liebsten mit Erzählungen aus der eigenen Forschungsarbeit. "Je älter man wird, umso wichtiger werden die eigenen Erfahrungen", schmunzelt der Professor.



Optimismus, Glück, aber vor allem knallharte Arbeit – das sind für Peter Schweitzer die Zutaten für Erfolg im Leben und auch in der Wissenschaft. Einen Ausgleich zur "Knochenarbeit Wissenschaft" findet der passionierte Ethnologe "unterwegs": "Die Reise ins Unbekannte – egal ob nach Oberitalien oder Südamerika – und die Auseinandersetzung mit anderen Menschen ist immer wieder spannend für mich." (ps)

Univ.-Prof. Dr. Peter Schweitzer vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie hält seine Antrittsvorlesung zum Thema "Anthropological Perspectives on Climate Change: Ecology, Morality and Politics" am Donnerstag, 9. Oktober 2014, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien.