André Hoang: Die Suche nach dem "Gott-Teilchen"

"Schwarze Löcher", "Gott-Teilchen" – was für viele wie Science-Fiction klingt, ist für André Hoang, neuer Professor an der Fakultät für Physik der Universität Wien, wissenschaftlicher Alltag. Der Teilchenphysiker beschäftigt sich u.a. mit der Suche und Erforschung des letzten unentdeckten Elementarteilchens.

"Es gibt keinen Forschungsbereich, in dem mit derart kleinen Abständen gearbeitet wird wie in der Elementarteilchenphysik. Hier eröffnet sich eine völlig neue Welt", schwärmt André Hoang. Die Faszination, die den gebürtigen Deutschen mit seinem Fachgebiet verbindet, ist deutlich spürbar: "TeilchenphysikerInnen versuchen Dinge zu verstehen, die auf den ersten Blick wenig relevant für den Alltag erscheinen. In Wirklichkeit beeinflussen die Eigenschaften der kleinsten Teilchen aber das gesamte Leben – allerdings auf so fundamentale Art und Weise, dass man sich im Normalfall nicht damit auseinandersetzen muss."

Im Fall von Hoang war die Begeisterung für die kleinsten bekannten Bausteine des Universums schon von Anfang an ein prägender Faktor: vom Studium der Physik und Mathematik an der Universität Karlsruhe über einen Postdoc-Aufenthalt an der University of California in San Diego bis zu einer Stelle als Fellow in der Theorieabteilung des CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) in Genf. Seit Oktober 2010 ist er als Professor für Theoretische Physik auf dem Gebiet der Teilchen- und Astroteilchenphysik an der Fakultät für Physik tätig, der er ein "sehr gutes internationales Renommee" bescheinigt: "Ich fühle mich sehr wohl in Wien, sowohl beruflich als auch privat."

LHC und "Higgs-Teilchen"

In punkto Forschung befasst sich der Gruppensprecher der Teilchenphysik vor allem mit theoretischen Berechnungen von Prozessen an Beschleuniger-Experimenten. Die größte und leistungsfähigste bislang gebaute Versuchsanlage dieser Art ist der LHC (Large Hadron Collider) am CERN. "Der LHC soll verschiedene offene Fragen der Teilchenphysik klären. Wichtigstes Ziel ist die Beantwortung der Frage, warum sich Materie überhaupt in Dingen manifestiert, die man anfassen kann", erklärt Hoang, der noch immer einen regen Kontakt zu seinen FachkollegInnen in Genf pflegt.

In Zusammenhang mit dieser Frage wurden mehrere mögliche Theorien entwickelt. Die einfachste und bekannteste ist die des sogenannten "Higgs-Teilchens" – in den Medien oft als "Gott-Teilchen" bezeichnet. "Am LHC wird mit höchster Intensität sowohl nach dem Higgs-Teilchen als auch nach ganz neuen Phänomenen gesucht. Die Entdeckung würde den Übergang in eine ganz neue, aufregende Ära der Elementarteilchenforschung einleiten", erläutert Hoang.


Die Inbetriebnahme des LHC (Large Hadron Collider) gilt als eines der größten wissenschaftlichen Projekte aller Zeiten. Mithilfe der 27 Kilometer langen ringförmigen Anlage, die zum europäischen Kernforschungszentrum CERN gehört, wollen die ForscherInnen mehrere grundlegende Fragen der Teilchenphysik klären. (Foto: flickr.com/Image Editor)



Der Bauplan der Natur

Elementarteilchenforschung, die der Physiker als "Suche nach dem Bauplan der Natur" bezeichnet, sei aber mehr als nur die Suche nach dem "Higgs-Teilchen". Am LHC würden derart viele Dinge erforscht, dass es manchmal auch ExpertInnen schwer falle, den Überblick zu behalten. "Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die dort zu Tage gefördert werden, sind um ein Vielfaches umfangreicher als das, was es schlussendlich in die Medien schafft", meint Hoang. Seine persönliche Rolle sieht der Wissenschafter dabei zwischen den Fronten von Theorie und Praxis: "Ich bin kein reiner Theoretiker aber auch kein Experimentalphysiker, Meine Aufgabe liegt vielmehr darin, die Experimente am Beschleuniger in theoretische Erkenntnisse umzumünzen."

Dass Hoang, der sich mit Frau und zwei Kindern im 21. Wiener Gemeindebezirk angesiedelt hat, nun nicht mehr direkt am CERN tätig ist, stellt für seine Forschungsarbeit keinerlei Hindernis dar. "Der LHC generiert eine gewaltige Datenmenge, die zu groß wäre, um sie an einem einzelnen Ort abzuspeichern. Dank Grid Computing – das speziell für die Elementarteilchenforschung am LHC entwickelt worden ist – können die Daten auf der ganzen Welt verteilt und abgerufen werden", schildert der Experte.

Lehrender mit Weitblick

Neben der Fortführung seiner Forschungen ist der begeisterte Hobbysportler (Langlaufen und Rollskifahren) und Modellbauer aber auch ein engagierter Lehrender, dem es wichtig ist, die Begeisterung für das eigene Fach an seine StudentInnen weiterzugeben. "Ich möchte Leute mit Talent identifizieren und fördern und so einen Pool an KollegInnen schaffen, die an einer wissenschaftlichen Karriere und einer Mitarbeit in der Forschung interessiert sind", fasst Hoang die eigene Zielsetzung zusammen. Auf diese Weise soll längerfristig das internationale Gewicht des Forschungsstandorts gestärkt werden: "Das Renommee einer Forschungsstätte entsteht nicht allein durch wissenschaftliche Publikationen und ein attraktives Forschungsumfeld vor Ort, sondern auch dadurch, dass kompetente Fachkräfte von hier ausgehend in die Welt ziehen und sich woanders etablieren." (ms)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. André Hoang, Professor für Theoretische Physik auf dem Gebiet der Teilchen- und Astroteilchenphysik und Gruppensprecher der Teilchenphysik an der Fakultät für Physik, zum Thema "'Quarks, Jets & Co' – Präzisionsphysik mit unfassbaren Teilchen" findet am Montag, 30. April 2012, um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.