Wirkungsmechanismen von Hormonen

Botenstoffe oder Krebserreger? Hormone spielen verschiedene Rollen im menschlichen Organismus. Noch sind aber nicht alle ihre Funktionsmechanismen verstanden. In einem Gastbeitrag erklärt Nikola Getoff neue Erkenntnisse über den komplizierten Reaktionsmechanismus von Hormonen.

Hormone sind hauptsächlich für den harmonischen Verlauf der vielzähligen biologischen Prozesse im Organismus verantwortlich. Sie werden in speziellen Geweben und von bestimmten Drüsen mit innerer Sekretion in extrem kleinen Mengen produziert und in die Blutbahn ausgeschüttet. Viele Hormonfunktionen und hormonelle Wirkungsmechanismen können jedoch durch bestehende wissenschaftliche Modelle noch nicht zufriedenstellend erklärt werden.

Neue Erkenntnisse

An der Fakultät für Lebenswissenschaften konnte an Hormonen und Phytohormonen (pflanzlicher Natur) – mittels orientierender strahlenbiologischer und biophysikalischer Studien – zum ersten Mal festgestellt werden, dass diese Substanzen sogenannte "solvatisierte Elektronen" produzieren. Im Rahmen des 2011 abgeschlossenen FWF-Projekts "Free Radical Action on Sexual Hormons in Respect to Cancer" ist es gelungen, neue Erkenntnisse über den recht komplizierten, vielseitigen Reaktionsmechanismus der Hormone zu erzielen. Die biologischen Prozesse im Organismus wurden dabei durch UV-Licht simuliert.

Solvatisierte Elektronen

Ein solvatisiertes Elektron ist ein energiearmes Elektron (E < 10 eV), das in ca. zwei Pikosekunden auf allen Seiten von den positiven Dipolen der Wassermoleküle umgeben wird. Das solvatisierte Elektron reagiert stark reduzierend und stellt die basische Form des H-Atoms dar. Die Existenz von solvatisierten Elektronen wurde erstmals bei der Umwandlung von CO2 in wässriger Lösung bei Gamma-Bestrahlung in einfachen organischen Substanzen festgestellt (N. Getoff, G. Scholes, J. Weiss, 1960). Solvatisierte Elektronen entstehen auch bei UV-Bestrahlung wässeriger Lösung eines Elektronen-Donors (z.B. Eisen-II-Ionen; N. Getoff, 1960; 1962)


Lesetipp: Artikel "Emittieren und regenerieren" von Nikola Getoff
im Journal "Nachrichten aus der Chemie" (59/11, November 2011)



Alle der mehr als ein Dutzend bisher untersuchten Hormone emittieren solvatisierte Elektronen, wobei die Ausbeute von der Molekularstruktur, der absorbierten Energie, der Temperatur, dem pH-Wert des Mediums sowie der Substratkonzentration abhängig ist. Die dabei entstehenden freien Radikale können je nach Hormonstruktur "neutral" sein: sogenannte freie Hormon-Radikale wie etwa bei dem weiblichen Geschlechtshormon 17ß-Östradiol oder aber sie sind "positiv" geladen und werden als "Radikal-Katione" bezeichnet – dazu gehören etwa die von Progesteron oder Testosteron stammenden Transienten.


Auswirkungen auf biologische Prozesse

Hormone reagieren auch mit solvatisierten Elektronen, wobei "Radikal-Anionen" entstehen, die die Elektronen weiter übertragen können: Sie agieren sozusagen als "Elektronen-Vermittler". Dadurch werden im Organismus verschiedene biologische Prozesse ausgelöst. Zum einen können die Hormone durch die mit spezifischen Frequenzen emittierten solvatisierten Elektrone nicht nur untereinander, sondern via Gehirn durch Elektronenübertragung auch mit anderen biologischen Systemen kommunizieren. Zum anderen können die bei der Emission von solvatisierten Elektronen entstehenden Hormon-Transienten mit im Medium eventuell vorliegenden karzinogenen Stoffen (z.B. Benzpyren) reagieren, wobei karzinom-induzierende Metabolite entstehen (Brust-, Prostatakrebs).

Regeneration von Hormonen

Weiters wurde im Rahmen des Projekts experimentell festgestellt, dass Hormon-Radikale kurz nach ihrer Bildung (statu nascendi) durch Elektronen-Übertragung von einem potenten Elektronendonor (z.B. Vitamin C) zumindest teilweise regeneriert werden können.

Der Hormon-Rezeptor-Komplex

Die Untersuchungen zeigten außerdem, dass Rezeptoren ebenfalls solvatisierte Elektronen emittieren: In einem Hormon-Rezeptor-Komplex findet gegenseitiger Elektronenaustausch statt. Dabei können die vom Rezeptor produzierten solvatisierten Elektronen die Hormon-Radikale teilweise regenerieren und somit die Wirkungsweise des Hormons verlängern.

Hormone beeinflussen sich gegenseitig

Einen tieferen Einblick in die vielseitigen biologischen Hormonwirkungen ermöglichte schließlich die Anwendung von Krebszellen bzw. Bakterien als Modellsysteme unter dem Einfluss von Gamma-Strahlung (Simulation der Bildung von Primär-Radikalen im Organismus). Vor allem zeigen die Ergebnisse, dass die Hormone einander gegenseitig in ihrer Wirkung stark beeinflussen. Dabei wurde auch der Reaktionsmechanismus der Bildung karzinogener Metabolite unter Beeinflussung von primären Radikalen (werden auch im Organismus generiert) weitgehend aufgeklärt.

Im Rahmen der Forschungen konnte erstmalig gezeigt werden, dass die Hormonwirksamkeit eine biologische Konsequenz der emittierten solvatisierten Elektronen und der dabei resultierenden freien Hormon-Radikale ist. Diese Erkenntnisse sind von besonderer Bedeutung für Medizin und Biologie.

Emer. O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Nikola Getoff ist emeritierter Professor der Fakultät für Lebenswissenschaften. Das FWF-Projekt "Free radical action on sexual hormones in respect to cancer" unter seiner Leitung lief von November 2008 bis Mai 2011.

Weitere Publikationen zum Thema:
"Dopamine: Effect of Concentration and pH on the Electron Emission. Reaction Mechanisms" (Nikola Getoff, Eric Brenn, Shaobin Ying) im Journal "In Vivo" (Jänner-Februar 2012, 26 (1): 107-111)

"Photo-induced regeneration of hormones by electron transfer processes: Potential biological and medical consequences" (Nikola Getoff, Johannes Hartmann, Heike Schittl, Marion Gerschpacher, Ruth Maria Quint) im Journal "Radiation Physics and Chemistry" (August 2011, 80 (8): 890–894)

"Metabolite formation of 17alpha-hydroxyprogesterone as a consequence of e⁻(aq)-emission and progesterone effect regarding cancer" (Nikola Getoff, Iren Danielova, Johannes Hartmann, Heike Schittl, Marion Gerschpacher, Shaobin Ying, Ruth Quint, Johannes C. Huber) im Journal "In Vivo" (September/Oktober 2010, 24 (5): 727-33)