Wettkampf der Mikroben

Sie machen drei Prozent der Landmasse aus – speichern aber 33 Prozent des terrestrischen Kohlenstoffs. Gleichzeitig sind sie für zehn bis 20 Prozent der globalen Methanemission verantwortlich – unser drittwichtigstes Treibhausgas. Die Rede ist vom nassen Lebensraum Moor. Der Umweltmikrobiologe Michael Pester widmet sich in einem FWF-Projekt bestimmten Mikroorganismen, die in den Mooren für einen wichtigen Prozess verantwortlich sind, der die Klimaerwärmung maßgeblich beeinflussen könnte: die Sulfat-Reduktion. Kürzlich ist es dem Forscher gelungen, eine Desulfosporosinus-Art als wichtigen Sulfat-reduzierenden Mikroorganismus in Mooren zu identifizieren.

Wie reagieren Moore auf die Klimaerwärmung? Vorausgesagte längere und häufigere Trockenperioden, unterbrochen von heftigen Regenfällen werden vor allem in den gemäßigten Breiten das delikate Gleichgewicht von Kohlenstoffspeicherung und Treibhausgas-Emissionen in Mooren stören – mit bisher ungewissem Ausgang. Zusätzlich können Permafrostböden in subpolaren Gebieten im Laufe der Klimaerwärmung auftauen und zu Mooren werden. Was passiert, wenn diese Böden auftauen und die riesigen Kohlenstoffvorräte – immerhin über 14 Prozent des weltweit gespeicherten Kohlenstoffs – zu CO2, also Kohlenstoffdioxid, umgesetzt werden?

Da die Moore außerdem sehr viel Methan produzieren, sind sie für die Forschung besonders spannend. Michael Pester vom Department für Mikrobielle Ökologie untersucht in einem FWF-Projekt, welche Mikroorganismen diese Prozesse beeinflussen können. "Die meisten Leute stellen sich unter Mikroorganismen für den Menschen schädliche Bakterien vor. Doch in Wirklichkeit ist der Großteil der Mikroorgansimen an globalen – für unsere Erde lebenswichtigen – biogeochemischen Prozessen beteiligt", hält der Mikrobiologe fest. Einer dieser Prozesse ist die Sulfat-Reduktion in den Mooren.

CO2 oder Methan?

Moore sind wassergesättigte Böden – das darin abgelagerte Material wird unter Sauerstoffabschluss abgebaut und vergärt. Dadurch entstehen sogenannte Intermediate, d.h. Fermentationsprodukte wie z.B. Essig- bzw. Milchsäure, die letztendlich zu Methan umgesetzt werden. "So ähnlich kann man sich auch die Sulfat-Reduktion vorstellen: Diese findet natürlich nur statt, wenn Sulfat in das Moor gelangt", erklärt Pester. Passiert das, kommt es zu einem Wettstreit zwischen den Sulfat-reduzierenden Mikroorgansimen und den methanogenen Archaeen – jenen "Urbakterien", die für die Methanproduktion zuständig sind. Denn im Gegensatz zu letzteren produzieren die Sulfat-reduzierenden Mikroorganismen kein Methan sondern CO2: ein wesentlich schwächeres – und somit für die Umwelt weniger schädliches – Treibhausgas als Methan.

Saurer Regen

"Mit dem sauren Regen in den 70er Jahren hat man zum ersten Mal erkannt, welchen Beitrag diese Sulfat-reduzierenden Mikroorganismen für die Umwelt leisten", so Pester. Da der Energiehunger im asiatischen Raum durch Kohlekraftwerke gestillt wird, werden die Sulfat-Emissionen allein bis 2020 um das Dreifache steigen. "Das bedeutet mehr sauren Regen, mehr Sulfat-Reduktion in den Mooren, mehr CO2 und gleichzeitig weniger Methanemission", folgert Pester. Aufgrund des steigenden Schwefeleintrags in die Moore wird vorausgesagt, dass die Methanemission der Moore bis zum Jahr 2030 insgesamt um 15 Prozent zurückgeht. "Während früher die Sulfat-Reduktion in den Mooren vernachlässigt wurde, weil man sich diese nur in geringen Mengen vorstellen konnte, weiß man jetzt, dass Sulfat in den Mooren sehr schnell recycelt wird und in einem kurzem Zeitraum große Mengen von Kohlestoff umgesetzt werden", so der Forscher weiter.

Hundertausende Arten

Wer genau ist für dieses "Recycling" in den Mooren zuständig? Um das herauszufinden, untersucht Pester zusammen mit seinen KollegInnen das Moor Schlöppnerbrunnen an der deutsch-tschechischen Grenze, das in den 70er und 80er Jahren besonders viel sauren Regen verkraften musste. "Zunächst haben wir die einzelnen Mikroorganismen mithilfe von Isotopen-Markierungsmethoden identifiziert", erklärt er die Vorgehensweise. Kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass sich in einem Gramm Boden mehrere hunderttausend verschiedene Arten befinden. Ob die Mikroorganismen Sulfat reduzieren, lässt sich am Isotopeneinbau ihrer DNA ablesen.

Kleine Anzahl – große Wirkung

Auf diese Weise haben Pester und sein Forschungsteam vor kurzem eine Desulfosporosinus-Art als Sufalt-reduzierenden Mikroorganismus identifiziert, dessen geringe Abundanz – d.h. die geringe Anzahl der Individuen seiner Art, bezogen auf ihr Siedlungsgebiet – bei den WissenschafterInnen Erstaunen ausgelöst hat: "Bisher wurde angenommen, dass nur Mikroorganismen mit einer Abundanz von über einem Prozent einen wichtigen biogeochemischen Beitrag leisten", so Pester. Dieser Sufalt-reduzierende Mikroorganismus macht aber nur 0,01 Prozent der mikrobiellen Gemeinschaft aus und gehört somit zur "rare biosphere". Trotz seiner geringen Abundanz hat der Mikroorganismus das erstaunliche Potential, einen großen Teil der Sulfat-Reduktion zu übernehmen. "Wir waren unter den ersten, die einen 'rare biosphere-member' gefunden haben, der einen so großen Beitrag zu einem biogeochemischen Zyklus leisten kann", freut sich der Umweltmikrobiologe.

Goldene Reinkultur

Um die Sulfat-reduzierenden Prozesse und die dahinter stehenden Mikroorganismen besser zu verstehen, wird Pester zunächst das Genom des Mikroorganismus sequenzieren und untersuchen, welche Gene abgelesen werden. Ferner untersucht der Projektleiter, wie der Desulfosporosinus veränderten Umweltbedingungen begegnet. "Dadurch können wir langfristig seine Reaktion auf globale Veränderungen besser einschätzen." Um am Ende des Projekts den "goldenen Standard der Mikrobiologie" zu erreichen, will Pester den Mikroorganismus in "Reinkultur" züchten. (ps)


Dipl.-Biol. Dr. Michael Pester vom Department für Mikrobielle Ökologie leitet das FWF-Projekt "Ökophysiologie eines Sulfat-reduzierenden Vertreters der rare biosphere", das von 1. April 2011 bis 31. März 2014 läuft.