Verhaltensbiologie: Mit Testosteron zum Sieg?

Sieger haben einen hohen Testosteronspiegel, Verlierer einen niedrigen – so das Ergebnis vieler Studien. Die Verhaltensbiologin Katharina Hirschenhauser von der Universität Wien zeigt, dass Testosteronwallungen nicht von Sieg oder Niederlage, sondern vom sozialen Umfeld abhängen.

Fußball- und Basketballspieler haben – ebenso wie deren Fans – nach einem Sieg einen höheren Testosteronspiegel als nach einer Niederlage. "Angeblich erhöht das Sexualhormon die Gewinnchance beim nächsten Spiel", erklärt Katharina Hirschenhauser vom Department für Verhaltensbiologie den sogenannten "Siegereffekt" – umgekehrt dazu gibt es auch den "Losereffekt". Beide wurden im Rahmen verschiedener Studien auch bei Mäusen und Fischen nachgewiesen. "Andere Studien, z. B. an Vögeln, können dieses einfache Muster jedoch nicht bestätigen", unterstreicht die Forscherin.

Verhalten und Hormone

Katharina Hirschenhauser verfolgt deshalb ihre eigene Theorie: Nicht nur die Hormone verursachen eine Verhaltensneigung, sondern eine bestimmte Interaktion bzw. ein Verhalten löst eine Hormonreaktion aus." Männliche Wirbeltiere zeigen vermutlich generell Testosteronwallungen nach aggressiven Auseinandersetzungen – egal ob sie als Sieger oder Verlierer aussteigen."


Katharina Hirschenhauser hat bereits in mehreren Projekten die Wechselwirkungen zwischen Verhalten und Hormonen erforscht – u.a. im Kontext von Aggression und Paarbindung. Letztere hat sie bei Graugänsen und experimentell mit Hausgänsen (Bild) untersucht. Im Rahmen des L'Oréal Österreich Stipendiums analysiert sie nun – bei Wachteln – erstmals die Rolle des Publikums: Macht es hormonell einen Unterschied, ob eine aggressive Auseinandersetzung von Artgenossen beobachtet wird?



Sozialer Kontext als Schlüssel

In Grünau – der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Universität Wien – hat die Verhaltensbiologin Wachteln dabei beobachtet, wie sie gegen ihr eigenes Spiegelbild "kämpfen" und festgestellt, dass aggressives Verhalten offenbar nicht immer an die Hormonausschüttung gekoppelt ist. "Sehr vereinfacht erklärt, können Wachteln quasi abschätzen: Zahlt es sich bei diesem Gegner aus, in ein entsprechendes Verhalten zu investieren, oder werde ich sowieso verlieren?"

Wachteln schreibt Hirschenhauser somit die soziale Fähigkeit zu, sich selbst wahrzunehmen und in Relation zum Gegenüber zu setzen. "Genau diese Wahrnehmung von sozialem Kontext ist der Schlüssel zu den unterschiedlichen Hormonreaktionen", bringt es die Biologin, die sich vor kurzem an der Universität Wien habilitiert hat, auf den Punkt.

Zuschauereffekt

Um die Hormonantworten zu messen, bedient sich Hirschenhauser einer alternativen und aufwändigen Methode – sie misst die Rückstände von Testosteron im Kot: "Üblicherweise werden Hormone aus Blutproben gemessen, womit jedoch ein 'Handling' der Tiere verbunden wäre. Außerdem ermöglicht diese Methode nur punktuelle Messungen. Kotproben hingegen können wiederholt vom selben Tier gesammelt werden, ohne dabei die Tiere und ihre sozialen Interaktionen zu beeinflussen." Die Ergebnisse überraschen: Der Testosteronspiegel ist nicht nur beim Sieger hoch – und der Sieg an sich somit nicht entscheidend für die Hormonwallung.


"Studien mit Japanwachteln haben gezeigt: Nur wenn andere Artgenossen eine aggressive Auseinandersetzung beobachten, ist der Unterschied zwischen 'Winner' und 'Loser' relevant, ansonsten zeigen beide eine Testosteronwallung", beschreibt Hirschenhauser ein zentrales Ergebnis – das sie "Losing in Public" nennt. Diese öffentliche Niederlage schwächt den sozialen Status des Verlierers langfristig. Das Forschungsergebnis hat sie im Journal "Hormones and Behavior" publiziert.



Vom "Loser" zum "Winner"

Einmal Loser immer Loser? "Nicht ganz, denn während der Sieger auch beim nächsten Streit Sieger bleibt – er hat den 'Siegerblick' – ist der 'Losereffekt' bei Wachteln reversibel", beschreibt Hirschenhauser ein weiteres Ergebnis ihrer Arbeit. Dafür hat sie das Testosteron manipuliert: Der "Siegerwachtel" hat sie es mit Hilfe von Präparaten aus der Brustkrebstherapie kurzzeitig abgedreht – diese verhindern das Andocken von Testosteron an die Rezeptoren. Der Sieger aus dem ersten Streit blieb tatsächlich auch ohne Testosteron dominant. Den "Loser" hat sie nach der Auseinandersetzung mit einer Testosteron-Creme behandelt – drei Tage später wurde er mit Hilfe dieser einmaligen Hormonbehandlung zum Sieger. "Testosteron macht aus Verlierern Sieger", schmunzelt die L'Oréal-Preisträgerin.

Der Hahn macht den Unterschied

Zurück zum Zuschauereffekt: Macht es in Hinblick auf die Hormonreaktion einen Unterschied, ob Männchen oder Weibchen dem Konflikt beiwohnen? "Dem dominanten Sieger ist es 'wurscht', wer zuschaut – er bleibt sowieso Sieger. Beim 'Loser' hingegen macht es tatsächlich einen Unterschied", so Hirschenhauser. Doch wider Erwarten sind es nicht die Frauen auf der Tribüne, die Einfluss nehmen. "Schauen Weibchen zu, hat das denselben Effekt als würde gar niemand zuschauen. Ist hingegen ein anderer Hahn anwesend, ist das dem Verlierer anscheinend derart 'peinlich', dass er die Hormonantwort auslässt."





Video-Porträt von "For Women in Science"-Stipendiatin Katharina Hirschenhauser



Stressmanagement und Tierpsychologie


Fazit: Soziale und hormonelle Vorgänge regulieren aggressive Konfliktsituationen und führen zur Herausbildung von Hierarchien – von Fischen über Vögel bis hin zu Säugetieren. "Unsere Forschungsergebnisse lassen sich erstaunlich gut auf den Menschen übertragen. Sie sind für unsere Gesellschaft, individuelles Stressmanagement und sozialpädagogische Fragen relevant und helfen, Konfliktlösungen und Dominanzstrukturen besser zu verstehen", so die Wissenschafterin.

In der Soziobiologie und Psychobiologie liegt demnach auch ihr Hauptinteresse. Bereits als Schülerin haben sie die Geschichten über Konrad Lorenz und Dian Fossey fasziniert. "Die Anfänge der Verhaltensbiologie lagen in der Tierpsychologie – und heute greifen wir wieder darauf zurück", freut sich die Expertin, die auf ihrem Hof in der Steiermark selbst Hühner, Enten und Wachteln heranzieht. (ps)

Mag. Dr. Katharina Hirschenhauser vom Department für Verhaltensbiologie forscht im Rahmen des L’Oreal Österreich-Stipendiums zum Thema "Winning and losing in public: Der Einfluss von Geschlecht und Identität auf den 'Siegereffekt'" und führt damit ihre laufende Forschungs- und Publikationstätigkeit über soziale und hormonelle Vorgänge in Dominanzverhältnissen fort. Im Juni 2013 hat sie sich an der Universität Wien habilitiert.