Tropenwälder: "Unberührte Natur existiert nicht mehr"

Der vermehrte Gehalt an reaktivem Stickstoff in der Atmosphäre und folglich im Boden lässt Ökosysteme nicht unberührt. Wie reaktiver Stickstoff entlegene Tropenwälder beeinflusst, steht im Fokus des Ökologen Wolfgang Wanek von der Universität Wien und des BOKU-Forschers Peter Hietz. Dazu publizierten die Wissenschafter im "Science Magazine".

Landwirtschaft, Industrie, Verkehr: Sie alle sind für einen globalen Anstieg von CO2 und reaktivem Stickstoff – dazu zählen Stickoxide, Nitrat und Ammonium – in der Atmosphäre  verantwortlich. "Von Schadstoffen unbeeinflusste Orte finden sich auf der gesamten Erdoberfläche leider gar nicht mehr", erklärt Wolfgang Wanek vom Department für Chemische Ökologie und Ökosystemforschung, der gemeinsam mit Peter Hietz von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) im FWF-Projekt "Globaler Wandel in tropischen Wäldern" die Auswirkungen von Stickstoff auf zwei entlegene Regenwälder in Thailand und Panama untersuchte.

Grüne Lunge

Tropenwälder sind global gesehen ein enorm wichtiger Stabilitätsfaktor für Klima und Niederschlag. Jede ökologische Veränderung in diesem durchaus fragilen System kann weltweite Auswirkungen haben. Bis dato ist der Einfluss von steigendem CO2 auf das tropische Ökosystem weit besser erforscht als die Veränderungen, die durch steigende Stickstoff-Emissionen – es ist bekannt, dass sich diese weltweit über die letzten 35 Jahre verdreifacht haben – ausgelöst werden. Diesem Manko nahmen sich Wanek und Hietz – in Kooperation mit dem Smithsonian Tropical Research Institute – nun an, um erstmals den genauen Stickstoffgehalt in den ausgewählten Tropenwäldern zu erheben und festzustellen, ob und welche Veränderungen diese Stickstoffemissionen hervorrufen.

Beschleunigter Waldkreislauf

Ausgangpunkt für die Forschungen war die Tatsache, dass die Biomasse von tropischen Wäldern in jüngster Zeit deutlich ansteigt und die "Produktivität" der Wälder zunimmt. "Das Wachstum nimmt zu, der gesamte Waldkreislauf ist quasi beschleunigt worden", erklärt Wanek. Manche ExpertInnen waren der Meinung, dafür sei CO2 alleine verantwortlich, doch Hietz und Wanek setzten auch auf Stickstoff, da der "Düngeeffekt" dieses Elements ähnlich hoch sein kann als jener von CO2.


Mit dem ausklingenden Jahr 2011 neigt sich auch das Jahr der Wälder seinem Ende zu. "Blättern" Sie zum Abschluss durch das uni:view-Dossier mit vielen spannenden Forschungsartikeln rund um das Thema Wald!



Der richtige Rückschluss: Im FWF-Projekt konnten die beiden Forscher aufzeigen, dass der Stickstoffgehalt der beiden Wälder in Panama und Thailand sowohl im Holz als auch in den Blättern über die letzten Jahre stark angestiegen ist. Zudem zeigen ihre Untersuchungen, dass der Stickstoffkreislauf heute weniger geschlossen ist – das heißt Stickstoff geht aus dem Nährstoffkreislauf verloren. Diese Erkenntnisse veröffentlichten Hietz und Wanek im November 2011 in "Science".


Da keine Langzeitstudien zu den beiden tropischen Regenwäldern existieren, griffen die Forscher auf "museales" Vergleichsmaterial – Blätter aus Herbarien – sowie auf Holzbohrkerne zurück. "Die Jahresringe der Holzbohrkerne reichen etwa 150 Jahre zurück, das älteste Herbarmaterial ist rund 50 Jahre alt. Beides haben wir mit heutigen Blättern und Holzbohrkernen verglichen", erläutert Wanek: "Den vermuteten Anstieg des Stickstoffs haben wir dann auch bestätigt bekommen."

Die Zusammensetzung der Isotope

Ein wesentlicher Indikator für den Stickstoffkreislauf an sich ist die Zusammensetzung der Stickstoffisotope 15N und 14N: Letztere geben Auskunft darüber, ob der Kreislauf ein offener oder ein geschlossener – der Stickstoff verbleibt großteils im System – ist. Die Analyse nahm Wolfgang Wanek am SILVER-Labor im Biozentrum Althanstraße vor und konnte feststellen, dass der Kreislauf wie befürchtet immer offener wird.


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"Das Verhältnis der 15N-Isotope zu den 14N-Isotopen steigt an, sowohl im Holz als auch in den Blättern, und das ist ein Zeichen, dass Tropenwälder kontinuierlich Stickstoff im Laufe ihres Nährstoffzyklus verlieren", so Wanek: "Dadurch erhöhen sich die Einträge von reaktivem Stickstoff und es kommt zu weiteren Nährstoffverlusten und einer Übersäuerung des Bodens." Auch wenn ein erhöhtes Wachstum der Tropenwälder auf den ersten Blick vielleicht durchaus positiv scheint, ist das nur ein kurzfristiger Effekt, längerfristig übersäuert der Boden dadurch und das kann sich fatal auf das ökologische Gleichgewicht der Regenwälder auswirken. (td)

Das Paper "Long-Term Change in the Nitrogen Cycle of Tropical Forests" (Autoren: Peter Hietz, Benjamin L. Turner, Wolfgang Wanek, Andreas Richter, Charles A. Nock und S. Joseph Wright) erschien im November 2011 im "Science Magazine".