Superfood

Rote Rüben-Power

14. April 2021 von Theresa Dirtl
Leistungsfördernd, blutdrucksenkend, gefäßerweiternd – das sind nur einige der nachweislich positiven Wirkungen der Roten Rübe. Oliver Neubauer, Ernährungswissenschafter an der Uni Wien, untersucht aktuell in einer klinischen FWF-Studie, ob das Wundergemüse auch präventiv medizinische sowie therapeutische Wirkung haben kann.
Die positiven Effekte von Rote Rüben-Saft speziell auf das Herz-Kreislauf-System sowie auf das Immunsystem untersucht Ernährungswissenschafter Oliver Neubauer in einer aktuellen klinischen Studie. © Pixabay/Congerdesign

Rote Rüben zählen aufgrund ihrer Inhaltsstoffe – Vitamine, Mineralien etc. – zu den besonders gesunden Gemüsesorten. "Weniger bekannt ist, dass auch ihr Nitratgehalt verschiedenste positive Wirkungen auf den menschlichen Körper hat. So senkt er nachweislich den Blutdruck und erweitert die Gefäße", erklärt der Ernährungswissenschafter Oliver Neubauer, Mitglied der Forschungsplattform Active Ageing an der Universität Wien: "In unserer aktuellen klinischen Studie untersuchen wir auch einen gänzlich neuen Aspekt, und zwar die potenziellen entzündungshemmenden und immun-modulierenden Effekte von pflanzlichem Nitrat."

Nitrat aus pflanzlichen versus tierischen Lebensmitteln

Manche Leser*innen mögen jetzt vielleicht etwas skeptisch sein, da eine Nitratanreicherung in Lebensmitteln bis dato eher mit möglichen negativen Effekten auf die Gesundheit in Verbindung gebracht wurde. Oliver Neubauer betont, dass die Unterscheidung zwischen pflanzlichem und tierischem Nitrat wesentlich ist: "Die zunehmende Evidenz von positiven physiologischen Effekten von Nitrat-speichernden Pflanzen steht gesundheitlichen Bedenken der ernährungsbedingten Aufnahme von Nitrat, wie z.B. aus gepökeltem Fleisch, entgegen. Doch auch hier möchte ich betonen, dass ein Zusammenhang zwischen Nitrataufnahme und Krebs bei Menschen nicht nachgewiesen ist."

Warum also hat das Nitrat aus Pflanzen, wie der Roten Rübe, im Gegensatz zum tierischen Nitrat viele positive Effekte auf die Gesundheit? "Wesentlich dürfte dabei sein, dass Nitrat aus Gemüse im Verbund und in enger Wechselwirkung mit Vitaminen und anderen sekundären Pflanzenstoffen wirkt", erklärt Neubauer. 

Proband*innen trinken Rote Rüben-Saft

Vorläufer des aktuellen Projekts "Diätetisches Nitrat, Gefäßfunktion und Entzündung", das vom FWF im Programm Klinische Forschung gefördert wird, ist eine Humanstudie, die Oliver Neubauer an der Queensland University of Technology, Australien, geleitet hat. "In Queensland haben wir die sogenannten 'akuten Effekte' der Einnahme von Rote Rüben-Saft untersucht, also die Effekte einer einmaligen Dosis", blickt der Ernährungswissenschafter zurück. Dazu tranken die Proband*innen – gesunde, ältere Menschen – in einer randomisierten, placebo-kontrollierten Cross-Over-Studie einmalig 140 Milliliter Rote Rüben-Saft. Die bereits bekannte blutdrucksenkende Wirkung des Gemüsesafts konnten die Forscher*innen bereits nach drei Stunden messen und bestätigen. "Gänzlich neu war die Beobachtung seiner positiven Effekte auf Blutzellen, speziell auf bestimmte Immunzellen", so Neubauer.

In der aktuellen Studie – eingebettet in die Forschungsplattform Active Ageing der Uni Wien in Kooperation mit der Med Uni Wien – interessieren ihn nun die Langzeiteffekte des Rote Rüben-Konsums, "mit einem speziellen Fokus auf immun-modulierende Effekte von Nitrat."

Das FWF-Projekt "Diätetisches Nitrat, Gefäßfunktion und Entzündung" startete unter der Leitung von Oliver Neubauer von der Forschungsplattform Active Ageing der Universität Wien im Jänner 2021 und geht bis Dezember 2023. Die Humanstudie läuft im FWF-Programm Klinische Forschung und wird in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien sowie mit David Berry, Professor am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien, durchgeführt. Teil des Teams ist auch die Doktorandin Rebeka Fejes.

Jeden Tag ein Stamperl

Aufgebaut ist die Wiener Studie ganz ähnlich wie die australische Humanstudie, außer, dass die Proband*innen statt einmalig nun über vier Wochen hinweg täglich 140 Milliliter Rote Rüben-Saft zu sich nehmen werden. Die ersten Untersuchungen zu Blutdruck, Speichel- und Blutproben etc. erfolgen vor der Studie und werden dann mit den Untersuchungen nach der Intervention verglichen. "Dabei untersuchen wir speziell auch Entzündungsmarker, da chronische Entzündungen etwa bei Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine große Rolle spielen. Eine unserer großen Hypothesen lautet: Rote Rüben Saft wirkt antientzündlich."

Ein weiterer Unterschied zur Akutstudie ist die körperliche Verfassung der Proband*innen. Waren es in Australien gesunde, ältere Menschen, werden im FWF-Projekt Proband*innen im Alter zwischen 55 und 75, die bereits wegen Bluthochdruck medikamentös behandelt werden, untersucht. "Hier wollen wir wirklich schauen, ob der Rote Rüben-Saft sogar therapeutische Wirkung zeigt und ob er das Potenzial hat, als ergänzende und unterstützende Ernährungsmaßnahme die Gefäßgesundheit bei Bluthochdruckpatient*innen zu verbessern."

Die Rolle des Mikrobioms

Ein wichtiger Kooperationspartner an der Uni Wien ist Mikrobiologe David Berry vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft. "Die Bakterien im Mundraum spielen eine große Rolle bei der Umwandlung von Nitrat in Nitrit. Nitrit wird dann weiter zum physiologisch wirksamen Signalmolekül Stickstoffmonoxid umgewandelt", erklärt Neubauer. Berry und sein Team werden analysieren, ob eine regelmäßige Aufnahme von Nitrat in Form des Roten Rüben-Saftes einen Einfluss auf die Mikrobiome in Mund und Darm nehmen kann, wovon die Forscher*innen ausgehen. Insgesamt wird die FWF-Humanstudie, die coronabedingt erst im Spätfrühling mit Proband*innen starten kann, zeigen, ob Rote Rüben-Saft einen positiven Einfluss auf die Gefäßfunktion, den Blutdruck, das Mund- und Darm-Mikrobiom sowie auf Entzündungsmarker bei älteren Menschen mit Bluthochdruck haben kann. (td)

© Andrea Reischer
© Andrea Reischer
Oliver Neubauer ist derzeit Senior Postdoc der Forschungsplattform "Active Ageing" an der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den physiologischen und gesundheitlichen Effekten von Ernährungs- und Trainingsinterventionen, speziell auf das Immunsystem und die Skelettmuskulatur.

Er arbeitet gerade an seiner Habilitation im Bereich Sporternährung mit physiologischer Ausrichtung am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.