Proteine, Krebs und Spitzentechnologie

Dennis Kurzbach von der Fakultät für Chemie baut gemeinsam mit seinem internationalen Team das erste dDNP-Setup Österreichs. Mit dieser innovativen Messmethodik will er Risikofaktoren für Brustkrebs besser verstehen.

Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die wie winzige Anker auf unserer DNA sitzen und dort dafür sorgen, dass die genetische Information abgeschrieben wird. Sie spielen für viele Vorgänge im Körper eine immens wichtige Rolle. Gerät ihre Aktivität außer Kontrolle, z.B. durch eine Mutation, ist die Folge oft ein schwerwiegendes Gesundheitsleiden: "Die 'Anker' lösen sich, wenn sie eigentlich fest sitzen sollten", erklärt ERC-Preisträger Dennis Kurzbach vom Institut für Biologische Chemie der Fakultät für Chemie.

Atomare Einblicke

Sein Forschungsinteresse gilt den Aktivierungsprozessen dieser Moleküle. Er und sein Team hoffen, dass ihre Forschung dazu beitragen kann, beispielsweise Brustkrebsentstehung besser zu verstehen. "Mit verbesserter Technologie können wir wichtige Prozesse auf atomarer Ebene genauestens unter die Lupe nehmen, und vielleicht irgendwann eine Lösung finden, um z.B. die Aktivität von mutierten Transkriptionsfaktoren wieder zu normalisieren." Dazu baut er gemeinsam mit seinem internationalen Team das erste dDNP-Gerät Österreichs (dDNP steht für "dissolution dynamic nuclear polarization") auf, welches seit Mai 2020 betriebsbereit ist. Damit ist es möglich, molekulare Prozesse schnell und präzise zu untersuchen.

Benutzerfreundlichkeit besonders wichtig

Weltweit gibt es nur wenige Zentren, die bereits Forschung mittels dDNP ermöglichen. Die dafür genutzten dDNP-Geräte sind derzeit noch oft Prototypen und werden individuell designt.

Die Geräte des NMR Zentrums der Fakultät für Chemie der Universität Wien werden mit dem neuen dDNP kombiniert. Es ist klein und benutzerfreundlich, um vielfältige Nutzung zu ermöglichen. (© Salme Taha Ali Mohamed)

Dementsprechend gleicht kein dDNP-Gerät dem anderen, auch wenn sie sich in ihrer Grundausstattung und -funktion ähneln. "Jedes Gerät hat seine Eigenheiten und wird auf etwas Bestimmtes optimiert. Unseres wird beispielsweise auf den Faktor Zeit optimiert, andere Geräte fokussieren auf Signalstärke", erklärt der Chemiker. An der École Normale Supérieure in Paris, wo er im Fach Chemie habilitierte, hatte er bereits ein fertiges dDNP-Gerät mitdesignt und genutzt. "Die Geräte werden natürlich immer weiterentwickelt, einerseits in Bezug auf Robustheit, andererseits in der Performance. Das hört nie auf: Alle paar Jahre gibt es eine ganz neue Generation."

Mittels NMR Spektroskopie werden die magnetischen Eigenschaften von Atomen bestimmt, was Rückschlüsse auf die atomare Struktur von Molekülen erlaubt. dDNP verstärkt die Magnetisierung einer Probe und verstärkt somit die mittels NMR detektierten Signale. Dies ermöglicht beispielsweise Echtzeitmessungen und Spurennachweise, die mit herkömmlichen Methoden oft noch unmöglich sind.

Bei "seinem" Prototypen liegt dem Assistenzprofessor vor allem die Benutzerfreundlichkeit am Herzen. Sein Motto lautet: je leichter zu handhaben, desto besser. Deshalb ist das Uni Wien-Gerät auch viel kleiner geworden: Seinen Vorgänger in Paris mussten noch zwei Personen gemeinsam bedienen. Das neue läuft nach der Programmierung auf Knopfdruck.

Scherenförmige Bewegungen

Momentan liegt ein Hauptaugenmerk Kurzbachs auf der Weiterentwicklung der dDNP-Methode (auf Deutsch "Dynamische Kernpolarisation"). Hier wird die Probe, die untersucht werden soll, verschiedenen externen Bedingungen gleichzeitig ausgesetzt: einer extremen Kältetemperatur von minus 272 Grad, Mikrowellen sowie einem Magnetfeld. Durch all das wird die Signalstärke der Probe um ein Vielfaches (>10.000-fach) verstärkt, und somit die anschließende Messung mittels NMR (nuclear magnetic resonance)-Spektroskopie beschleunigt. "Es ist ganz logisch: Wenn etwas besonders grell leuchtet, muss man nicht lange hinschauen, um es zu erkennen", erklärt Kurzbach den Sinn der Methode.

Mithilfe der dDNP-Methode kann man die Signale von Protein- und Molekülproben verstärken und somit besser messen. (© Salme Taha Ali Mohamed) 

Schon nach wenigen Monaten Forschung hat der Chemiker erste Ergebnisse vorzuweisen: Er und sein Team konnten scherenartige Bewegungen beobachten, mit denen sich die Transkriptionsfaktoren entlang der DNA-Struktur bewegen. Bis ihr eigenes Gerät vollkommen betriebsbereit war, griffen sie auf ein Gerät zurück, das in Texas steht. Die Ergebnisse messen sie über das Internet. Dies ist nur möglich, weil Kollegialität in diesem Forschungsfeld ganz großgeschrieben wird. In diesem Sinne plant Kurzbach auch, sein dDNP-Gerät ab der Fertigstellung mit Wissenschafter*innen aus aller Welt und verschiedensten Disziplinen zu teilen. (st)

Dennis Kurzbach ist seit März 2018 als Assistenzprofessor an der Universität Wien tätig, wo er eine Fast-Track-Professur innehat. Für seine Doktorarbeit in Chemie erhielt er von der Max-Planck-Gesellschaft die Otto-Hahn-Medaille. Auf die dDNP-Forschung stieß er durch seinen ehemaligen Arbeitgeber, der ein NMR-Zentrum in Paris aufbaute. 2018 erhielt er den ERC-Grant des Europäischen Forschungsrats, mit dem er seine Forschung zu NMR und dDNP an dem Institut für Biologische Chemie der Universität Wien finanziert. Der ERC-Starting Grant wird an hervorragende junge Forscher*innen zum Aufbau eines eigenen Forschungsteams vergeben. (© Salme Taha Ali Mohamed)