Pollen in der Falle

Wenn in Ungarn die ersten Frühlingsboten Erle und Haselnuss blühen, heißt es auch für AllergikerInnen in Österreich aufgepasst: Mit dem Wind kann der federleichte Blütenstaub mehrere hundert Kilometer weit getragen werden. Allerdings berücksichtigen die österreichischen Pollenwarndienste weder die Windrichtung, noch finden Daten über die Vegetation und den Blütebeginn benachbarter Länder Eingang in die Pollenflugvorhersagen. Deren Verlässlichkeit will der Botaniker Ralf Buchner verbessern: In einem laufenden Projekt rückt er dem Blütenstaub mit einer speziellen Falle am Dach des Fakultätszentrums für Biodiversität zu Leibe.

Vorsichtig befestigt Ralf Buchner einen Plastikstreifen auf einer Metalltrommel. "Das ist die Klebefläche: Hier werden später Baum- und Gräserpollen, aber auch Staub- und Rußpartikel und die eine oder andere Pilzspore ihr Ende finden – alles, was auch in unserer Atemluft zu finden ist." Zuvor muss der Streifen aber noch mit flüssigem Silikon bestrichen und die Trommel in einem staubdicht verschlossenen Gefäß aufs Dach gebracht werden: Dort, in 20 Metern Höhe, hat der Botaniker vor kurzem eine Pollenfalle sowie eine kleine Klimastation, die permanent alle relevanten meteorologischen Daten misst, installiert.

Während die Klebefläche trocknet, gehen wir nach nebenan, um das Silikon aus dem weichen Marderhaarpinsel zu waschen. Dabei erzählt Buchner von seinem aktuellen Projekt, das die Vorhersage des Pollenflugs zum Thema hat: "Was Pollenwarndienste bisher nicht oder nur am Rande berücksichtigen, sind die Zusammensetzung der Vegetation rund um den jeweiligen Messstandort und die Richtung, aus der der Wind kommt."

Blütenstaub auf der Reise


So bringt etwa der Ostwind Pollen aus Ungarn und Tschechien mit, weshalb sich HeuschnupfenpatientInnen nicht allein auf die österreichischen Prognosen verlassen können: "Es kann leicht sein, dass in den Nachbarländern aufgrund regionaler Temperaturunterschiede bestimmte Gräser oder Bäume früher oder zu anderen Zeiten blühen als hier bei uns." In Kooperation mit Luise Ehrendorfer-Schratt vom Department für Biogeographie – sie stellt die Vegetationskarten zur Verfügung –, sowie der Firma UBIMET, die ein österreichweites meteorologisches Messstellennetz betreibt und die Klimastation finanziert hat, will Buchner nun für verlässlichere Vorhersagen sorgen.

Forschung über den Dächern Wiens


Seine "Ausbeute" kontrolliert der frischgebackene Pollenfänger einmal pro Woche. "Heute finden wir vermutlich noch keinen Blütenstaub auf dem Silikonstreifen, höchstens vereinzelt Haselpollen", meint er, während wir mit dem Lift nach oben fahren: "Aber mit den frühlingshaften Temperaturen in der kommenden Woche kann sich das schnell ändern." Noch pfeift der Wind kalt über den Dächern Wiens, und wir sind dankbar für unsere warmen Mützen, als wir über eine Metallleiter auf das Dach des Liftschachts klettern – dem höchsten Punkt des Gebäudes.

Hier trotzt die Pollenfalle seit mehr als zwei Wochen gut festgezurrt allen Witterungen. Sie dreht sich nach dem Wind und saugt über eine Pumpe zehn Liter Umgebungsluft pro Minute an – so viel, wie ein gesunder, ruhig atmender Erwachsener in derselben Zeit verbraucht.

"Dieser Luftstrom wird auf den klebrigen Silikonstreifen geblasen. Die Trommel, auf die der Streifen gespannt ist, dreht sich pro Stunde um genau zwei Millimeter weiter", erklärt Buchner: "Damit kann ich exakt messen, zu welcher Stunde des Tages welcher Pollen in der Luft war." Nebenbei erlaubt die Dichte der anorganischen Partikel wie Sand, Staub, Ruß, etc. Rückschlüsse auf den Verkehr: "Wie zu erwarten ist hier die Konzentration in den Morgenstunden und abends am größten."

Analyse unter dem Lichtmikroskop

Nach dem Austausch der Trommeln inspizieren wir die Schaltzentrale der Klimastation, die in einer Kammer direkt unter dem Dach untergebracht ist. Die Messdaten – u.a. Temperatur, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie Luftfeuchte – werden per GSM-Modem laufend an die Firma UBIMET weitergeleitet. Bereinigt bekommt Buchner die Klimadaten wieder zurück und kann sie mit der Zusammensetzung des Blütenstaubs aus der Pollenfalle, den Vorhersagen der Klimamodelle und den Vegetationskarten kombinieren.

Zurück im warmen Büro erklärt er uns abschließend, was er mit dem "gefangenen Pollen" vorhat: Zunächst wird ein 48 Milimeter dicker Abschnitt des Silikonstreifens in Glyzeringelatine eingebettet und unter dem Lichtmikroskop untersucht. Dann identifiziert und zählt der Botaniker die Pollenkörner und rechnet das Ergebnis auf einen Kubikmeter Atemluft um: "Bereits 50 Pollenkörner pro Kubikmeter können allergische Beschwerden verursachen. Beim Traubenkraut (Ragweed) reicht sogar schon eine Konzentration von sechs Pollenkörnern, um starke Reaktionen auszulösen!"

Was der Pollen vom Klimawandel erzählt

Mit seiner Forschung will Ralf Buchner dazu beitragen, den Pollenflug in seiner meteorologischen Gesamtsituation besser zu verstehen. Hier spielen auch der Klimawandel und die damit einhergehend befürchtete Veränderung der Blütezeiten eine Rolle. Allerdings findet es der Pollenforscher übertrieben, dass jeder verfrühte Blühbeginn gleich mit globaler Erwärmung in Zusammenhang gebracht wird. "Saisonale Schwankungen sind hier ganz normal und hat es immer schon gegeben", meint er, der selbst nach 15 Jahren Blütenstaubforschung immer noch begeistert von der bizarren Schönheit der Pollenkörner ist: "Um hier verlässliche statistische Aussagen treffen zu können, müssen wir den Pollenflug über mehrere Jahrzehnte hinweg beobachten." (br)

Das Projekt "Klimawandel und vegetationsabhängige Vorhersage der Allergenbelastung von Pollenallergikern durch Monitoring des Pollenflugs in Abhängigkeit von der meteorologischer Gesamtsituation" wird von der Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien gefördert. Es wird unter der Leitung von Dipl.-Biol. Dr. Ralf Buchner vom Department für Strukturelle und Funktionelle Botanik in Kooperation mit Dr. Luise Ehrendorfer-Schratt vom Department für Biogeographie und der Firma UBIMET durchgeführt.