Meeresschneeflocken: Nährstoffoasen für Tiefseemikroben

Meeresoberfläche

Im Tiefseereich schwimmen die Mikroben nicht frei herum, sondern leben allesamt auf "Meeresschnee"-Partikeln, berichtet ein Team um Gerhard Herndl. Mit ihnen rieseln ständig Nährstoffe vom lichtdurchfluteten Oberflächenwasser nach unten, sie sind daher quasi Oasen in der finsteren "Tiefseewüste".

Gerhard Herndl vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien untersuchte mit Kolleg*innen, wie die Tiefseemikroben ihre Nahrung quasi mundgerecht zerschneiden. Dazu haben sie Enzyme, die Eiweißstoffe und Kohlenhydrate spalten. "Mikroorganismen können nur kleine Moleküle mit einem Molekulargewicht von weniger als 600 aufnehmen", so der Meeresbiologe.

Mikroben zerteilen Nährstoffe außerhalb des Körpers

Einfachen Zucker (Glukose) mit einem Molekulargewicht von 180 könnten sie problemlos "schlucken", langkettige Kohlenhydrate mit Molekulargewichten über Tausend und größere Eiweißstoffe nicht. Solche Nährstoffe müssen die Mikroben außerhalb ihres Körpers zerlegen, genau so wie Menschen ihre Mahlzeiten vor dem Verzehr mit Messer und Gabel in kleine Häppchen teilen.

Bisher glaubte man, dass die dafür nötigen Enzyme an der Außenhülle der Bakterien und Archaeen verankert sind, so Herndl. Denn, wenn die Mikroben sie einfach ausschütten, wie das zum Beispiel Darmbakterien machen, würden sie sich im Meerwasser zerstreuen und irgendwo weitab Nährstoffe spalten, die dann aber außer Reichweite der kleinen Organismen sind. Doch je tiefer im Ozean die Mikroben leben, umso mehr solcher frei ausgeschiedenen Enzyme haben sie, fanden die Forscher*innen heraus.

"Das deutet darauf hin, dass diese Mikroorganismen in der Tiefe überhaupt nicht im freien Wasser sind, sondern an Partikeln festsitzen", erklärt Herndl. Dort wäre die Diffusion genau so wie im menschlichen Darm limitiert, sprich, die Enzyme und Nährstoffe können nicht rasch in den unendlichen Weiten der Tiefsee verschwinden, sondern stehen den Mikroben weiterhin zur Verfügung.

Die Publikation "Linking extracellular enzymes to phylogeny indicates a predominantly particle-associated lifestyle of deep-sea prokaryotes" (Autoren: Zihao Zhao, Federico Baltar, Gerhard J. Herndl) erschien am 15. April 2020 im Journal "Science Advances".