Energiedemokratie? Zur Nachhaltigkeit in der europäischen Energiepolitik

Über 60 TeilnehmerInnen aus 18 Ländern trafen sich vom 3. bis 5. Juli 2013 in Wien zur Tagung "Socioecological Transformation – Focus Energy", die vom Politikwissenschafter Ulrich Brand von der Universität Wien in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert wurde.

Entgegen aller öffentlicher und wissenschaftlicher Einsichten, dass die Ressourcen knapp werden und der von Menschen verursachte Klimawandel unübersehbare Folgen haben wird, bleiben die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle weiterhin dominant.


Welche Rolle spielt die europäische Politik mit ihrer Ausrichtung an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und den Strategien der "Energie-Sicherheit"? Diese und viele weitere Fragen wurden auf der dreitägigen Tagung von den 60 TeilnehmerInnen – WissenschafterInnen, ExpertInnen aus Politik und Gewerkschaften, NGOs und sozialen Bewegungen – diskutiert.



Öl, Gas und Kohle


Die Förderung und Nutzung nimmt sogar zu, was mit der weiterhin ressourcen- und energieintensiven Produktions- und Lebensweise des globalen Nordens wie auch mit dem Aufstieg der Schwellenländer zusammenhängt. Zudem sind im Energiebereich wenig an Nachhaltigkeit orientierte Interessen enorm mächtig: Von Energieunternehmen über Gewerkschaften bis hin zu Staaten. Der Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Quellen geht entsprechend schleppend voran und wird durch die genannten Entwicklungen konterkariert. Eine Ausnahme bildet Deutschland im Strombereich ("Energiewende"), aber auch hier zeigen die Verbrauchszahlen fossiler Energieträger in den Bereichen Verkehr und Wärme eher nach oben.


Nick Hildyard (links) vom britischen Think Tank "The Corner House" stellte die im Mai 2013 veröffentlichte Studie "Energy Alternatives. Surveying the Territory" vor.



Wie kann eine höhere Nachhaltigkeit umgesetzt werden?


Im Mittelpunkt der Anfang Juli in Wien stattgefundenen Tagung standen die Fragen, wie der Umbau des Energiesystems zu mehr Nachhaltigkeit vorangetrieben werden kann und welche Rolle dabei die Sozialwissenschaft spielen kann. Die TeilnehmerInnen aus über 18 Ländern diskutierten über offene Fragen und Problemstellungen, etwa wie Unternehmen und Beschäftigte der fossilen Energiegewinnung für einen Transformationsprozess zu gewinnen sind und wie – wenn der Weg nicht nur technologische Innovationen sind – Produktion und Konsum reduziert werden können, ohne dass dieses zu Krisen und Verarmung führt.


Bei einer öffentlichen Abendveranstaltung zu den Perspektiven der Energiewende in Europa wurden vor allem Unterschiede zwischen der deutschen, österreichischen, französischen und polnischen Energiepolitik deutlich. Im Bild (v.l.n.r.): Hans Thie, Wirtschaftsexperte im Deutschen Bundestag, Silvia Angelo von der Arbeiterkammer Wien, Moderatorin Alexandra Strickner, Sabine Leidig, deutsche Bundestagsabgeordnete für die Partei "Die Linke", Maxime Combes, Attac Frankreich und Bozena Gawryluk von der Bergbaugewerkschaft Polen.



Energiedemokratie


Ein Begriff wurde immer wieder verwendet und dieser könnte einen Umbauprozess anleiten, nämlich jener der "Energiedemokratie". Er könnte anzeigen, wie die Transformation des Energiesystems als gesellschaftliche Aufgabe begriffen wird, die nicht nur an den Gewinninteressen der Unternehmen ausgerichtet, sondern viel umfassender ist.



Die Tagung reiht sich in zahlreiche Forschungsaktivitäten zu sozial-ökologischen Themen des Instituts für Politikwissenschaften der Universität Wien ein. So leitet Institutsvorstand Ulrich Brand (im Bild) derzeit eine umfassende Literaturstudie zum Thema "sozial-ökologische Transformation", finanziert mit Mitteln des Wissenschaftsministeriums. Ein dreijähriges Projekt, in dessen Rahmen Ulrich Brand aus politikwissenschaftlicher Perspektive die Rolle der städtischen Landwirtschaft im Prozess sozial-ökologischer Transformation untersuchen will, wurde vom Wiener Wissenschafts- und Technologie-Fonds genehmigt und ein vom Klima- und Energiefonds finanziertes Projekt zu Klimaskeptikern kürzlich abgeschlossen. 



Veranstaltungen 2014

Die Tagung fand bereits zum zweiten Mal statt. Die Kooperation zwischen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brüssel sowie Ulrich Brand und seinem Team am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien soll weitergeführt werden. So sind u.a. Workshops zur Liberalisierung des europäischen Gasmarktes im Jahr 2014, zur Rolle der Finanzmärkte bei der Ausweitung der europäischen Energieinfrastruktur sowie zu Beschäftigten und Gewerkschaften im Prozess sozial-ökologischer Transformation geplant.  Ein weiterer Schwerpunkt bleibt das Thema Ressourcenpolitik in Ländern des globalen Südens – insbesondere in Lateinamerika. (red)