Einzelne Siliziumatome in Graphen verschoben

Physikern der Universität Wien ist es in Kooperation mit internationalen Forschern gelungen, einzelne Siliziumatome im Graphen-Gitter zerstörungsfrei zu bewegen: mittels spezialisierter Mikroskopie-Techniken und aufwendiger Computerberechnungen.

Bereits 1959 hat der Physiker Richard Feynman die berühmte Frage gestellt, ob es jemals möglich sein wird, einzelne Atome sehen und sogar bewegen zu können. Lange Zeit galt seine Vision eher als Science Fiction, aber Schritt für Schritt wurde diese Vision durch die moderne Mikroskopie zur Realität im wissenschaftlichen Alltag. Bei solchen Untersuchungen können jedoch manchmal Schäden am erforschten Material entstehen.

High-Tech-Mikroskop ermöglichte Forschungserfolg


In der aktuellen Studie des internationalen Physiker-Teams wurde Graphen – eine nur ein Atom dicke Lage aus Kohlenstoffatomen, in die einzelne Siliziumatome eigebettet sind – getestet. Die Siliziumatome ragen aufgrund ihres Größenunterschiedes aus der Ebene der Kohlenstoffatome heraus.

"Wir kamen mithilfe detaillierter Computersimulationen zum Schluss, dass das Material durch Beschuss mit Elektronen manipuliert werden kann, ohne dieses zu beschädigen. Dafür haben wir eine Beschleunigungsspannung von 60.000 Volt benötigt", so Toma Susi, Erstautor und FWF-Lise-Meitner-Stipendiat an der Universität Wien.

Voraussetzung für diese High-Tech-Experimente ist ein modernes hochauflösendes Ultra-Hochvakuum-Raster-Transmissionselektronenmikroskop, von denen es derzeit weltweit nur etwa zehn gibt. Die Universität Wien verfügt über ein derartiges Gerät, das mit einer Auflösung von weniger als ein Ångström, das ist ein Zehnmillionstel Millimeter, nahezu alle atomaren Abstände auflösen kann. "Die Kooperationspartner aus Daresbury (UK) haben ebenfalls mit einem solchen Mikroskop gearbeitet", erzählt Toma Susi.




Mit Hilfe von Computersimulationen wurde klar, was experimentell beobachtet wurde: Ein einzelnes Elektron stößt auf ein dem Siliziumatom benachbartes Kohlenstoffatom. (Foto: Toma Susi, Universität Wien)



Vergleich der Messergebnisse mit Computersimulationen

Die Computerberechnungen haben gezeigt, dass Kohlenstoffatome in unmittelbarer Nachbarschaft der Siliziumatome weniger stark gebunden sind als jene Kohlenstoffatome, die weit entfernt von den Siliziumatomen liegen. Dadurch können die ForscherInnen mit dem Elektronenstrahl ein Nachbaratom eines Siliziumatoms nur gerade soweit aus dem Gitter stoßen, dass das Siliziumatom und das Kohlenstoffatom ihre Plätze tauschen.

Dieser Platztausch wurde von beiden Forschungsteams direkt im Elektronenmikroskop beobachtet. Durch Analyse von etwa 40 solcher aufgenommenen Prozesse konnten die ForscherInnen herausfinden, dass es sich bei dem Platztausch um einen stochastischen Prozess handelt und dessen Wahrscheinlichkeit bestimmen. Ein direkter Vergleich der Messergebnisse mit den Computersimulationen zeigte eine beeindruckende Übereinstimmung.

Elektronenstrahl steuert Platzwechsel der Siliziumatome

Neben der Bedeutung für die Physik eröffnen diese Ergebnisse sehr vielversprechende Möglichkeiten für die gezielte Erzeugung von Strukturen aus einzelnen Atomen. "Was unsere Ergebnisse wahrlich beeindruckend macht, ist, dass dieser Platzwechselprozess steuerbar ist, da das Siliziumatom immer an die Stelle, die vom Elektronenstrahl getroffen wird, springt", so Toma Susi weiter: "Das ermöglicht uns, die Bewegung jedes einzelnen Siliziumatoms auf das Genaueste zu steuern. Vielleicht sehen wir bald neue Quantenstrukturen oder das Logo einer Universität – geschrieben aus Siliziumatomen in Graphen."

Das Paper "Silicon-carbon bond inversions driven by 60 keV electrons in graphene" (PDF) (AutorInnen: T. Susi, J. Kotakoski, D. Kepaptsoglou, C. Mangler, T. C. Lovejoy, O. L. Krivanek, R. Zan, U. Bangert, P. Ayala, J. C. Meyer & Q. Ramasse) erschien am 11. September 2014 im Fachjournal "Physical Review Letters".