Ein Schnurrbart aus Nano-Kohlenstoff

Nanotechnologie basiert auf der Herstellung von erstaunlich kleinen Materialstrukturen, den Nano-Strukturen. Physikern an der Universität Wien ist es nun gelungen, eine einzigartige Nano-Struktur aus Kohlenstoff zu züchten, die einem winzigen gezwirbelten Schnurrbart ähnelt.

Nano-Materialien weisen einzigartige Eigenschaften, etwa spezielle Quanteneffekte, auf. Diese kommen aber nur dann zur Geltung, wenn die Materialstrukturen winzig klein, d.h. auf der Nano-Skala, sind. Dazu ist es wichtig, vordefinierte Nano-Strukturen gezielt herzustellen und erklären zu können, wieso diese eine bestimmte Form annehmen.

WissenschafterInnen wollen daher genau verstehen, wie man das Wachstum von Nano-Materialien auslösen und steuern kann und verfolgen verschiedene Strategien, um Nano-Strukturen zu entwickeln und deren Wachstum zu kontrollieren. Im Vorbild Natur wachsen viele organische Formen bilateral, das heißt symmetrisch in zwei unterschiedliche Richtungen.

Neuartige Methode entwickelt

Einem internationalen Forscherteam von der Universität Wien, der Universität Surrey (UK) und des IFW Dresden (Deutschland) ist es nun mittels einer neuartigen Methode gelungen, anorganische Nano-Materialien bilateral in einer kontrollierten Umgebung zu züchten. Die Methode könnte wegweisend für die Bildung komplexerer Nano-Netzwerke sein. Die Ergebnisse des internationalen Teams rund um Forscher von der Gruppe "Elektronische Materialeigenschaften" der Fakultät für Physik wurden im neuen Open Access Journal "Scientific Reports" der Nature Publishing Group veröffentlicht.

Die Bedeutung von Nano-Schnurrbärten

Die WissenschafterInnen setzten ein Gas mit Kohlenstoff- und Eisen-Atomen bei hohen Temperaturen solange unter Druck, bis sie beobachteten, wie ganz spontan zwei Arme aus Kohlenstoff-Atomen von einem Eisenkern ausgehend zu wachsen begannen. Bei ausreichend kleinen Eisenkernen fingen die Kohlenstoff-Arme an, sich an ihren Enden spiralförmig einzudrehen, sodass die ganze Nano-Struktur eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem gezwirbelten Schnurrbart aufweist.

"Die ermutigenden Erkenntnisse aus unseren Experimenten bieten einen sehr guten Ausgangspunkt für die kontrollierte Herstellung von außergewöhnlichen neuen Materialien mit vordefinierten Nano-Strukturen", betont Hidetsugu Shiozawa, Erstautor der Publikation und Forscher an der Fakultät für Physik der Universität Wien.

Nützliche "Fehler"

Um mehr über den internen Aufbau der Nano-Schnurrbärte herauszufinden, schnitten die ForscherInnen ihr Nano-Material in extrem dünne Scheiben und benützten ein spezielles Mikroskop – ein Transmissionselektronenmikroskop –, das ihnen einen genaueren Blick in die Scheiben ermöglichte.

Wenn sich Nano-Strukturen ausbilden, entstehen strukturelle Fehlstellen im Material, die etwas über ihren Wachstumsprozess verraten. Die Art und Weise, wie die strukturellen Fehlstellen im beobachteten Fischgrätmuster der aufgeschnittenen Nano-Schnurrbärte verteilt waren, erlaubte den WissenschafterInnen einen Blick in die Vergangenheit und lieferte weitere Informationen über die Bildung des Nano-Materials.

Mechanismus im Detail erforschen

Für künftige Anwendungen ist es wichtig, diese Erkenntnisse auf das Wachstum von Nano-Strukturen in zwei oder drei Dimensionen zu übertragen, um so regelmäßige Muster und Netzwerke auf der Nano-Skala herzustellen.

Die WissenschafterInnen haben es sich deshalb zum Ziel gesetzt, noch mehr über den Mechanismus zu erfahren, der hinter der Ausformung der Nano-Schnurrbärte steckt und wollen in künftigen Forschungsprojekten mehrdimensionale und noch komplexere Nano-Strukturen züchten. (af)

Das Paper "Microscopic insight into the bilateral formation of carbon spirals from a symmetric iron core" (AutorInnen: Hidetsugu Shiozawa, Alicja Bachmatiuk, Andreas Stangl, David C. Cox, S. Ravi P. Silva, Mark H. Rümmeli & Thomas Pichler) erschien am 15. Mai im Journal "Scientific Reports".