Ein Genuss für das Bioakustiker-Ohr

Der Elefantenbulle Duma zeigt sich "gesprächig" und begrüßt seine Gefährten mit lautem Rumbeln und Trompeten – wahre Genüsse für das Bioakustiker-Ohr. Die KognitionsbiologInnen der Universität Wien melden sich heute mit ihrer vorerst letzten Feldnotiz aus Afrika.

Man kann es uns Bioakustikern manchmal einfach nicht recht machen. Der Elefant sollte im Idealfall nicht zu weit entfernt sein, die Lichtverhältnisse für die Videoaufnahmen sollten passen, und es sollten sich keine nervtötenden dröhnenden Autos in unmittelbarer Nähe befinden. Die Windstärke sollte am besten gleich Null sein, und an Regen darf man gar nicht denken.

Obwohl in Südafrika momentan noch Winter ist, können die Tagestemperaturen äußerst mild ausfallen. Allerdings hat uns letzte Woche eine anhaltende Schlechtwetterfront überrascht, die uns die Arbeit im Feld nicht gerade erleichtert hat. Trotz Regen fahren wir den Nationalpark ab und hoffen, dass der Regenfall aufhört oder zumindest abnimmt, sobald der erste Elefant auftaucht. In der Regel ist das Glück auf unserer Seite. Ergibt sich eine mögliche Test-Situation, wird sogleich aufgebaut: Wir verlassen das Auto und decken den Lautsprecher unter der roten Plane ab. Dann wieder schnell zurück hinter das Lenkrad – denn wenn ein Löwe nicht will, dass man ihn sieht, dann sieht man ihn auch nicht. Im Auto bereiten wir die Stimuli zum Abspielen vor, die Bedingungen scheinen perfekt: Der Elefant steht dort, wo wir ihn haben wollen, und es sind keine dröhnenden Motorgeräusche in der Nähe zu hören. Doch dann kommt plötzlich ein Schauer. Schnell decken wir den Lautsprecher wieder zu, damit die Nässe keine Schäden verursacht. Der Frust ist groß, der Elefant ist weg.


(Foto: Raphael Sühs)


Den noch beinahe schönsten Tag der Woche nutzen wir, um noch ein letztes Mal Tonaufnahmen bei den drei Elefantenbullen von "Addo Elephant Back Safari" durchzuführen. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei unterschiedliche Verhaltenskontexte, zum einen auf jene Rumbles, wenn Elefanten versuchen über eine weitere Distanz akustischen Kontakt zu halten, zum anderen, auf Rumbles, die während sozialen Bindungssituationen produziert werden.

Schon an unserem ersten Tag stellen wir fest, dass der Elefantenbulle "Duma" der "gesprächigste" in seiner Gruppe ist. Deshalb konzentrieren wir uns speziell auf ihn. Während der täglichen Morgenroutine werden die Tiere nacheinander aus ihrem Stall gelassen. Duma wird als Erster ins Freie gelassen und von seinem Pfleger zum Trainingsplatz geführt. Dort frisst er zunächst in Ruhe seine tägliche Ration Pellets. Genau in diesen Situationen beginnt Duma zu rumblen, um Kontakt mit seinen beiden anderen Artgenossen "Taba" und "Mukwa" herzustellen. Da sich die Einrichtung auf dem so genannten "Zuurberg" befindet, leben die Elefanten nahezu fern von der Zivilisation. Jede Sekunde an Tonaufnahme ist ein Genuss für das Bioakustiker-Ohr.

Nacheinander werden dann Taba und Mukwa aus ihrem Stall gelassen und zu Duma geführt. Die Tiere beginnen in freudiger Aufregung darüber, dass alle drei wieder vereint sind, von allen Seiten lautstark zu rumblen und trompeten. Nach der "Familienzusammenführung" werden die drei Bullen in den Buschwald, ihrem natürlichen Habitat, zum Fressen geführt.


(Foto: Raphael Sühs)


Diese Woche treten wir die Heimreise nach Wien an, allerdings geht die Reise in diesem Jahr noch weiter. Daher bleibt unser überdimensionaler Lautsprecher vorerst in Südafrika und wird in einem angemieteten Selfstorage Lagerraum untergebracht. In gut zwei Monaten werden wir einen unserer Partner im südafrikanischen Ostkap besuchen, um weitere Playback-Experimente durchzuführen. Dabei möchten wir untersuchen wie Elefantenbullen, aber auch Elefantenkühe, auf Veränderungen unterschiedlicher akustischer Parameter in Lauten reagieren. Der zentrale Fokus unseres FWF-Projekts bleibt jedoch auf den Elefantenbullen. Im Rahmen unseres zweiten Feldforschungsaufenthalts im Addo Nationalpark im nächsten Jahr möchten wir mit Playback-Experimenten die Wahrnehmung und funktionelle Relevanz von spezifischen akustischen Parameterkonstellationen bei den tief-frequenten Rumbles im Kommunikationssystem von Bullen näher untersuchen.


(Foto: Raphael Sühs)


Eine Sache haben wir den uni:view-LeserInnen vorenthalten und möchten den letzten Beitrag nutzen, um etwas klarzustellen. Wir möchten uns nämlich gleichzeitig bei unserem dritten Team-Mitglied bedanken, dessen Name bisher ungenannt blieb. Ohne die Hilfe von Simon Stöger, langjährig erfahrener Elefantenpfleger im Tiergarten Schönbrunn, wäre es nicht so einfach gewesen, einen Überblick über den Standort der Elefantenbullen in Addo zu bekommen. Während Beobachtungs- und Abspielwagen beispielsweise den Norden des Nationalparks nach Elefanten abgesucht haben, war unser "roter Teufel" im Süden des Parks unterwegs und hat uns stets up-to-date gehalten, wo ein Elefantenbulle umherstreift, und wo nicht. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Simon Stöger für seine großartige Unterstützung während unserer Zeit in Addo!


(Foto: Mammal Communication Lab/Universität Wien)


Und wo verbringt man als Team seinen letzten Abend im Feld, wenn nicht bei einem gemütlichen Feuer mit einem Glas südafrikanischen Amarula und einem zischenden, kühlen Bier!


(Foto: Raphael Sühs)

Das FWF-Projekt "Formantenvariationen und deren adaptive Relevanz bei Elefantenlauten" unter der Leitung von Dr. Angela Stöger-Horwath und Projektmitarbeit von Mag. Anton Baotic vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien läuft seit März 2014 bis Februar 2017. Über ihre Feldarbeit im Addo Elephant National Park in Südafrika im August 2015 berichten die ForscherInnen wöchentlich im uni:view-Dossier "Feldnotizen aus Südafrika".