Wiens erste Moderne

Visuelle Konstruktion von Identität im 15. Jahrhundert

Diplomaten, Intellektuelle, Künstler und Handwerker aus unterschiedlichen Regionen Europas strömten im 15. Jahrhundert nach Wien. Trotz wechselnder Machtverhältnisse baute die Stadt in dieser Zeit ihre Position als geistiges, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Habsburgerreiches aus. Was dieses bewegte Miteinander für die Entwicklung der Künste bedeutete und was "Wiener" Bildkunst unter diesen Bedingungen überhaupt ist, diesen Fragen widmet sich die Tagung "Wiens erste Moderne" des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien in Kooperation mit dem Belvedere und dem Kunsthistorischen Museum vom 11. bis 14. April an mehreren Standorten.

Die geographische Lage Wiens an der Donau und am Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege sowie die Sonderrolle als Universitätsort begünstigten die dynamischen Entwicklungen eines Soziallebens, welches das Profil einer kulturell heterogenen Stadtidentität präsentiert; eine Stadtidentität, die überregional ausstrahlte. Politische Unruhen und Kriege (z. B. gegen die Hussiten in Böhmen) führten zu Migrations- und Abwanderungswellen, die Künstler auch nach Wien führten.

Mehrere böhmische Buchmaler sind in der ersten Jahrhunderthälfte hier fassbar. Der anonyme Meister des Schottenaltars und Lucas Cranach bezeugen eine kontinuierliche Verbindung zwischen Bayern bzw. Franken und Wien. Aus Frankreich und über den Oberrhein aus den Niederlanden vollzog sich der Transfer westeuropäischer Ästhetik. Der Meister von Heiligenkreuz und Niclas Gerhaert van Leyden fungierten als die prominentesten Direktvermittler. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was ist "Wiener" Bildkunst im 15. Jahrhundert? Und wie ist eine Lokalproduktion unter diesen besonderen Rahmenbedingungen zu definieren?

Die ab den 1430er Jahren in Wien zur Anwendung gebrachten visuellen Medien belegen eine neue Wahrnehmung der Welt der sichtbaren Dinge. So führt der anonyme Meister des Albrechtsaltares nicht nur das Material von Hausrat wie Spanschachteln und Messingleuchtern vor Augen, sondern die markante Skyline des damaligen Wiens und darüber hinaus Landschaften unter einem Himmel in je spezifischer Lichtstimmung. Der dort wahrnehmbare Hunger auf die Welt und damit das Interesse für das eigene Ambiente nahmen in den folgenden Jahrzehnten rapide zu. Immer tiefer wurden die heilsgeschichtlichen Ereignisse in den lokalen und zeitgenössischen Kontext eingeschrieben. Das belegt beispielhaft die "Heimsuchung" auf dem Schottenaltar: Maria und Elisabeth begegnen einander hier in der Kärntnerstraße mit Blick auf den Stephansdom.

Aus kunsthistorischer Perspektive sind die Vorbildwirkung der niederländischen Malerei sowie der Vermittlungsweg zwischen den Niederlanden und Wien interessant. Vor einem kulturhistorischen Horizont stellen sich andere Fragen: etwa, ob und wie das in den visuellen Medien fassbare Interesse an der Welt der sichtbaren Dinge mit der Entwicklung der (Natur-)Wissenschaften und deren Vermittlung im Raum Wien Hand in Hand ging.

Die internationale und interdisziplinäre Tagung "WIENS ERSTE MODERNE" wird vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien in Kooperation mit dem Belvedere und dem Kunsthistorischen Museum veranstaltet und findet parallel zu einer Ausstellung des Kunsthistorischen Museums zum "Meister von Heiligenkreuz" statt. Begleitend zu den Referaten am Institut für Kunstgeschichte sind neben einem Festvortrag im KHM Diskussionen vor Originalen im KHM, Belvedere, Schottenstift und Dominikanerkonvent vorgesehen.

Tagung "Wiens erste Moderne"
Zeit: 11. – 14. April 2019
Zum Programm

Die Teilnahme an Tagung und Festvortrag ist kostenlos. Aus organisatorischen Gründen ersuchen wir um Anmeldung unter https://wem.univie.ac.at/anmeldung/

Wissenschaftlicher Kontakt

MMag. Dr. Carmen Rob-Santer

Institut für Kunstgeschichte
Universität Wien
1090 - Wien, Garnisongasse 13, Universitätscampus Hof 9
+43 1 4277 41481
carmen.rob-santer@univie.ac.at

Rückfragehinweis

Paulina Parvanov, BA MA

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