Leistungsfähigere Computerchips mittels Kohlenstoff-Nanoröhrchen?

Im Oktober läuft das vierjährige EU-Projekt "Nanotemp" zur Erforschung der Natur von Kohlenstoff-Nanoröhrchen aus. Der Materialphysiker Hans Kuzmany von der Universität Wien beteiligte sich als österreichischer Spitzenforscher an dem Projekt und ist von den außergewöhnlichen Materialeigenschaften der Nanoröhrchen fasziniert.

Was sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen?

Reiner Kohlenstoff kommt in zwei Modifikationen vor: Graphit oder Diamant – so dachte man bis 1985. Dann entdeckten Richard E. Smalley, Harold W. Kroto und Robert F. Curl eine dritte Modifikation: das Fußballmolekül oder Buckminster-Fulleren – benannt nach dem amerikanischen Architekten Buckminster Fuller, an dessen geodätische Kuppeln das Molekül auch erinnert. Dafür erhielten die Forscher 1996 den Nobelpreis. Das ungewöhnliche Molekül erregte von Anfang an viel Aufmerksamkeit, und so wurden schnell kugelförmige Fullerene in verschiedenen Größen gefunden. 1991 entdeckte der Japaner Sumio Iijima in die Länge gezogene Fullerene, die ebenfalls nur aus Kohlenstoff bestehen: die Kohlenstoff-Nanoröhrchen.

"Peapods- oder Erbsenschoten-Forschung"

Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Kuzmany vom Institut für Materialphysik interessiert sich sowohl für die Kügelchen als auch die Röhrchen. Er und sein Team haben neue Verfahren entwickelt, um die „winzigen Bälle“ in die Röhrchen zu füllen. Das Resultat sind "peapods" – zu Deutsch: Erbenschoten. "Vergegenwärtigt man sich die Breite eines solchen Nanoröhrchens – 1,4 Nanometer oder ungefähr ein zehntausendstel der Dicke eines Haares –, kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, da Stoffe reinzukriegen", beschreibt der Kuzmany seine Arbeit. Außerdem stellt der Innenraum der Röhrchen einen Reaktor mit winzigsten (nanodimensionalen) Abmessungen und Reinraumbedingungen dar. Diese Reinraumbedingungen werden in einem eigenen, vom FWF unterstützten Projekt untersucht.

Ein wesentliches Problem bei den "peapods" bestand darin, nachzuweisen, dass die Kügelchen sich auch tatsächlich in den Röhrchen befanden. Die dafür benötigten High-Tech-Apparate sind sehr teuer. "Eine europaweite Kooperation ist hier ein großer Vorteil. Denn es wird nicht nur Know-how ausgetauscht, sondern man nützt für seine Forschungszwecke auch die Ausstattung der anderen Labors", erklärt der Physiker. Das Institut für Materialphysik in Wien hat Spitzengeräte im Bereich der RAMAN- und IR-Spektroskopie, einer der Kooperationspartner in Lausanne hat tolle Spektrometer zur Messung der Elektronenspins, und der Partner in Oxford glänzt durch den Besitz mehrerer höchstauflösender Transmissionselektronenmikroskope.

Materialeigenschaften und Quanteneffekte

In einem letzten Schritt testeten die WissenschafterInnen die physikalischen Eigenschaften des neu gewonnenen Materials. Die Erbsenschoten beispielsweise verwandelten sich bei hohen Temperaturen so, dass sich aus den Kügelchen ein zweites Röhrchen bildete. „Das Resultat war also ein exakt doppelwandiges Nanoröhrchen", erklärt Kuzmany. Bei dem doppelwandigen Nanoröhrchen konnten vergleichsweise starke Quanteneffekte beobachtet werden. Da die Quanteneffekte der Nanowelt sich so auswirken können, dass sie neuartige Materialeigenschaften in unserer Welt produzieren, werden sie von PhysikerInnen mit Vorliebe studiert.

Nanoröhrchen und ihre Zukunft in der Industrie

Hans Kuzmany glaubt, dass die Nanoröhrchenforschung noch lange nicht ausgeschöpft ist. Er nennt zwei Beispiele: Nanoröhrchen aus Kohlenstoff sind extrem leicht und trotzdem rund hundertmal fester als Stahl. Dabei haben sie aber nur etwa ein Zehntel des spezifischen Gewichtes. Und: Es lassen sich sehr hohe Stromstärken durch die Röhrchen schicken. "Wie wir wissen, wird die Halbleiter-Technologie bald an ihre natürliche Grenzen stoßen. Leistungsfähigere Computerchips lassen sich dann nur noch mit einer neuen Technologie machen – eine mögliche Lösung wären Nanoröhrchen“, resümiert der Materialphysiker.

Ao.Univ.-Prof. Dr. Hans Kuzmany und sein Team vom Institut für Materialphysik der Universität Wien kooperierten im Rahmen des Projekts „Nanotemp“ mit Forschern der Universität Oxford (Prof. Dr. Malcolm Green; gleichzeitig Koordinator des Projekts), der Universität Karlsruhe (Prof. Dr. Manfred M. Kappes), der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) (Prof. Dr. Laszlo Forro) und der Universität Lubljana (Prof. Dr. Dragan Mihajlovic).

Kontakt
Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Kuzmany
Institut für Materialphysik
Universität Wien
1090 Wien, Boltzmanngasse 5
T +43-1-4277-513 06
hans.kuzmany(at)univie.ac.at

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