Verhaltensbiologie: Frauen schlafen besser ohne Mann

Innere Uhr tickt bei Frauen und Männern anders

Frauen schlafen ohne ihren Partner weitaus besser. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt: Ihr Schlaf ist ruhiger und erholsamer, wenn sie die Nacht neben ihrer Partnerin verbringen. Das fand ein Forscherteam um den Verhaltensbiologen John Dittami von der Universität Wien in der kürzlich veröffentlichten Studie "Geschlechtsunterschiede der inneren Uhr auf Umgebungsreize" heraus. In einer zweiten Studie zeigte sich, dass die innere Uhr von Frauen darüber hinaus generell sensitiver auf "soziale Zeitgeber" wie Arbeitszeiten und Termine reagiert als die der Männer. Die innere Uhr tickt bei Frauen und Männern also anders.

Gemeinsam mit Gerhard Klösch und Josef Zeitlhofer von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien beobachtete Dittami zwischen November 2005 und Juli 2006 insgesamt zehn heterosexuelle Paare in ihrem Schlafverhalten. In einem zweiten Teil der Studie wurde der Arbeitstag/Wochenend-Rhythmus von 36 StudentInnen untersucht. Auch hier reagierten Frauen empfindlicher auf äußere Einflüsse als Männer.

Sex beruhigt
Im ersten Teil des Projekts, der Paarschlaf-Studie, waren die Versuchspersonen junge, unverheiratete und kinderlose Paare zwischen 21 und 31 Jahren. Von den insgesamt 249 beobachteten Nächten wurden 123 alleine verbracht und 126 gemeinsam. In 67 Nächten fand sexueller Kontakt statt. "Sex wirkt sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern positiv auf den Schlaf aus", sagt Dittami.

Schlafempfinden und Schlafqualität
Im Zuge der Paarschlaf-Studie untersuchten die Forscher sowohl das subjektive Schlafempfinden der Testpersonen als auch die objektive Schlafqualität. Ein am Handgelenk getragenes Messgerät lieferte genaue Daten über den Schlaf-/Wachrhythmus. In den meisten Fällen stimmten die Daten des Gerätes mit dem subjektiven Schlafempfinden der TestschläferInnen überein: "Sowohl die subjektive Einschätzung als auch die Daten am Messgerät zeigten uns, dass Frauen in ihrem Schlafverhalten auf die Anwesenheit eines Bettpartners wesentlich sensitiver reagieren als Männer. Diese hingegen schlafen wiederum schlechter ohne Partnerin. Mit Partnerin kam es sogar zu einer wesentlichen Verbesserung objektiver und subjektiver Schlafparameter, wie Nächte ohne Wachphasen oder ein munteres Gefühl in der Früh", erzählt John Dittami.

Schlafstörungen von Frauen evolutionär bedingt?
Die spannendste Frage dieser Studie ist: Warum ist der Schlaf von Frauen derart durch den Partner beeinflussbar? John Dittami vermutet, dass dies evolutionäre Gründe hat: "Die Frau reagiert auf den Mann. Sie ist auf jede Bewegung empfindlich."

Das Doppelbett ist eine relativ junge Erfindung, die auf einige westliche Kulturen begrenzt ist. Generell war das Schlafen in Gruppen vom Urmenschen bis zum modernen Menschen die Regel. Erst mit der Entstehung von Privatheit und Intimität als sozial akzeptierte Verhaltensnormen entwickelte sich das für moderne Industriegesellschaften typische Paarschlafverhalten. "Die große Ausnahme bildete schon immer die Konstellation Mutter – Kind", sagt Dittami: "Der Mann besitzt diese Empfindlichkeit nicht. Er reagiert auf den Paarschlaf wie auf einen Gruppenschlaf, in dem er sich besonders sicher fühlt."

Die Ergebnisse decken sich auch mit anderen Schlafstudien, die zeigen, dass 65 Prozent der Frauen unter Schlafstörungen leiden, aber nur rund 20 Prozent der Männer. Das Team um John Dittami lieferte mit der evolutionären Theorie erstmals eine mögliche Erklärung für Schlafstörungen von Frauen. Auch die Ergebnisse des zweiten Teils der Studie über den geschlechterspezifischen Arbeitstag- und Wochenendrhythmus zeigte, dass Frauen empfindlicher auf Außenreize reagieren.

Die innere Uhr tickt anders
"Wir leben in einer Welt der Frühaufsteher, aber rund 80 Prozent sind viel eher Abendtypen. So werden rund drei Viertel der Menschheit gezwungen, früh aufzustehen und sich an unangenehme soziale Zeitgeber zu gewöhnen. In diesem Teil der Studie hat uns interessiert, ob Männer und Frauen mit ihren inneren Uhren unterschiedlich reagieren", erzählt der Verhaltensforscher. 

Über den Zeitraum von einer Woche wurde der Schlaf-/Wachrhythmus von 23 Studentinnen und 13 Studenten dokumentiert. Und auch hier finden sich eindeutig geschlechterspezifische Unterschiede: Die Auswertung der Daten zeigte, dass die so genannte Phasenlage die innere Uhr von männlichen Versuchspersonen unter den beiden Bedingungen Arbeitstag und freier Tag weniger Schwankungen aufwies als die der weiblichen Versuchspersonen. Sie strengten sich an Arbeitstagen an und erholten sich mehr an freien Tagen. Frauen schalten an Arbeitstagen und freien Tagen mehr um. Das heißt, dass die innere Uhr von Frauen generell stärker auf Umgebungsreize reagiert als die von Männern. "Beide Studienteile lassen noch viele Fragen offen, die wir in Folgeprojekten beantworten möchten, unter anderem: Wer funktioniert unter der Woche besser und wer am Wochenende? Oder: Gibt es eine Art von verstecktem Gewinn für die Frauen beim Paarschlaf? Eines steht jedoch jetzt schon fest: Männer und Frauen ticken anders."

Die Ergebnisse der Studie wurden im Mai 2007 im Journal "Sleep and Biological Rhythms" (Vol. 5/Issue 4) publiziert.

Kontakt:
O. Univ.-Prof. Dr. John Dittami
Department für Verhaltensbiologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-544 60
M +43-664-602 77- 544 60
john.dittami(at)univie.ac.at 

Rückfragehinweis:
Mag. Alexandra Frey
Öffentlichkeitsarbeit 
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
alexandra.frey(at)univie.ac.at
www.univie.ac.at/175