Alumni Lounge: Wenn die Führung in Teilzeit geht

Am 4. April startet das neue Event-Format "Alumni Lounge" des Alumniverbands: Es diskutieren AbsolventInnen und WissenschafterInnen über "Führungskraft & Teilzeit". Lesen Sie hier einen Gastbeitrag aus der druckfrischen März-Ausgabe des Alumnimagazins, in dem die DiskutantInnen vorgestellt werden.

Der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance macht auch vor den Führungsetagen nicht halt. Dass ManagerInnen in Teilzeit gehen, ist in Österreich noch ein weites Experimentierfeld. univie hat sich bei AbsolventInnen umgehört, welche Erfahrungen sie als Führungskräfte mit Teilzeit machen und was die Wissenschaft über dieses Phänomen der modernen Arbeitswelt weiß. 

Manager mit Teilzeit-Wunsch

Seine 80 MitarbeiterInnen in Indien, China, Rumänien, Deutschland und Österreich führt Roman Morawek von Wien aus, zehn Teams leitet der Manager bei einem internationalen Automotive-Großkonzern, von Montag bis Mittwoch. Donnerstag und Freitag sind für die drei Kinder reserviert, Roman Morawek ist Führungskraft in Teilzeit. Für sechs Jahre reduzierte der 39-Jährige seine Arbeitszeit vom üblichen All-In-Vertrag auf 30 Stunden pro Woche. Gefreut habe sich sein Vorgesetzter freilich nicht darüber, schmunzelt Morawek, als er als Erster im Unternehmen den Teilzeit-Wunsch äußerte.

"Dass eine Führungskraft in Teilzeit gehen will, war absolut unüblich. Ich wusste nicht, ob ich meinen bisherigen Job überhaupt behalten kann. Dass jemand anderer meine Position übernimmt, war eine Option, die passieren hätte können." Die Entscheidung, es trotzdem zu wagen, sei ihm nicht leicht gefallen und rückblickend vielleicht sogar die größte Herausforderung bei der ganzen Sache gewesen, sagt er heute. (Foto: Privat)

Schwerpunkt klar bei Frauen

Als Teilzeit-Manager ist Roman Morawek ein Exot. Nur sechs Prozent der Führungskräfte arbeiten in Österreich in Teilzeitmodellen, das sind rund 5.000 Männer und 10.800 Frauen. Bei den unselbstständig Beschäftigten lag die Teilzeitquote 2014 insgesamt bei 28 Prozent, der Schwerpunkt klar bei den Frauen — 47 Prozent gegenüber elf Prozent bei den unselbstständig beschäftigten Männern (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung).

Mit Teilzeitmodellen, besonders in gehobenen Positionen, werde derzeit viel experimentiert, beobachtet der Arbeits- und Organisationspsychologe Christian Korunka von der Universität Wien. "Wir befinden uns in einer Übergangssituation, wo die gesellschaftlichen Regeln erst ausgehandelt werden, Österreich ist eher ein Schlusslicht in dieser Entwicklung." In Ländern wie den Niederlanden oder Teilen Skandinaviens wird Teilzeit als gut etabliertes Instrument eingesetzt und ist gesellschaftlich akzeptiert, was auch die Umsetzung für Führungskräfte einfacher macht.

Eine Frage der Kultur

Diese Erfahrung teilt auch Katharina Janauschek. Die Absolventin der Wirtschaftspsychologie verbrachte sechs Jahre ihres bisherigen Berufslebens im Ausland, unter anderem in Norwegen und den Niederlanden, wo auch ihre beiden Kinder, heute fünf und sieben Jahre alt, zur Welt kamen. "In Norwegen ist es gang und gäbe, dass Väter um 16 Uhr aus der Arbeit gehen, um ihre Kinder abzuholen. Dass Mütter relativ rasch, meist nach einem Jahr, wieder in ihren Job zurückkehren und Väter genauso ihre Verantwortung übernehmen, wird in dieser Kultur als richtig bewertet."

Für Janauschek steht fest: "Die Verantwortung verringert sich nicht mit der Teilzeit, aber ich habe mehr Flexibilität, wie ich mir meine Arbeit einteile." (Foto: Bernhard Noll)

Janauschek leitet die Personal-Agenden bei Unilever und arbeitet aus Gründen der besseren Vereinbarkeit "nur" 80 Prozent. Als besonders herausfordernd empfindet sie die tägliche Organisation, das Management des Alltags. Um 15 Uhr verlässt die HR-Chefin meist ihr Büro, der Nachmittag gehört den Kindern, E-Mails werden abends oder frühmorgens abgearbeitet. Nach einer anfänglichen Annäherungsphase hätten sich die MitarbeiterInnen inzwischen an die flexiblen Arbeitszeiten ihrer Vorgesetzten gewöhnt.

"Entgrenzung der Arbeit"

Flexible Arbeitszeit zu haben, heißt im Grunde, jederzeit und überall arbeiten zu können. Die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben verschwimmen bzw. lösen sich ganz auf – "Entgrenzung der Arbeit" nennt Christian Korunka dieses Phänomen der modernen Arbeitswelt, das derzeit auch in der arbeitspsychologischen Forschung ein wichtiges Thema ist.

"Die Auflösung von räumlichen und zeitlichen Grenzen hat völlig neue Ausmaße angenommen. Heute kann man mit einem Tablet-PC und einer SAP-Software ein Unternehmen im Grunde auch am Strand sitzend steuern", bringt es der Arbeits- und Organisationspsychologe Korunka auf den Punkt. (Foto: Universität Wien)

Die Gründe, warum Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, sind vielfältig. Neben Kinderbetreuungspflichten spielt die Pflege von Angehörigen ebenso eine Rolle wie eigene Krankheit oder Alter, Weiterbildung oder schlicht der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance. Unternehmen haben zusehends Interesse, diesen Wünschen nach flexiblen und reduzierten Arbeitszeiten entgegenzukommen — für sie sind die hochqualifizierten Fachkräfte eine wertvolle Ressource, die sie möglichst dauerhaft ans Unternehmen binden wollen. Auch angesichts von Fachkräfteengpässen werden flexible Arbeitszeitmodelle daher in Zukunft wichtiger.

Flexibilisierung der Lebensplanung

Auf der Plusseite dieser Entwicklung sieht Korunka eine generelle Flexibilisierung der Lebensplanung für die Beschäftigten. "Die Arbeitszeit je nach Lebensphase, auch mit dem Partner/der Partnerin, abstimmen zu können und über den Lebenszyklus zu variieren, ist sicherlich ein Vorteil. Kritisch sehe ich allerdings, wenn Teilzeit lediglich die wirtschaftliche Flexibilität erhöht und den Leuten aufgezwungen wird." Denn da komme das Thema Sicherheit ins Spiel, ein geringeres Einkommen und geringere Pensionsansprüche. Ob Teilzeit positiv oder negativ zu bewerten sei, hänge jedenfalls davon ab, ob jemand aus freien Stücken in Teilzeit arbeite oder vom Unternehmen dazu genötigt werde, so der Psychologe ...

... Lesen Sie den gesamten Artikel in univie, dem Alumnimagazin der Universität Wien (E-Paper)

Druckfrisch: Das neue univie, das Alumnimagazin der Universität Wien, ist da. Schwerpunktthema ist "Geteilte Zeit. Work-Life-Balance für Führungskräfte: Erfahrungen von Alumni & was die Wissenschaft dazu sagt".

Alumni Lounge #1: Management neu denken: Führungskraft & Teilzeit?
Montag, 4. April 2016, 18 Uhr
Sky Lounge, Universität Wien
Oskar-Morgenstern-Platz 1, 1090 Wien
Programm

Es diskutieren: Iris Brachmaier, Head of HR Business Relations Europe & International, Mondi AG, Katharina Janauschek, HR-Leiterin in Teilzeit, Unilever Austria GmbH, Christian Korunka, Arbeits- und Organisationspsychologe, Universität Wien, Roman Morawek, Abteilungsleiter in Elternteilzeit, Continental Automotive Austria GmbH