"Universitäten sind die neuen Zuwanderungs- und Integrationsmotoren"

Weltoffenheit und exportorientierte Wirtschaft: Faktoren, die Österreich gut tun – nur die politische Realität ist eine andere. Warum es wichtig ist, dass Österreich qualifizierte Zuwanderung zulässt, war Thema einer Pressekonferenz an der Universität Wien.

Am Donnerstag, 28. November 2013, sprachen Vizerektor Heinz Faßmann, Susanne Schober-Bendixen von der Firma Baxter Österreich und Nuno Maulide vom Institut für Organische Chemie im Rahmen einer Pressekonferenz an der Universität Wien über Universitäten als Integrationsmotoren für Österreich. Der Vizerektor für Personalentwicklung und Internationale Beziehungen Faßmann forderte erneut Nachjustierungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte; Gruppenleiter Nuno Maulide, der sein Team vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (Mülheim, Deutschland) mit an die Universität Wien gebracht hat, erzählte u.a. von den bürokratischen Hürden beim Umzug der internationalen Forschungsgruppe. Einige der Gruppenmitglieder haben bereits im Vorfeld der Pressekonferenz von ihren Erfahrungen berichtet (siehe Kurzinterviews in den Kästen).


My name is Langui Xie. I was born in China in 1985, and got all my school education in the Mainland. After being awarded the PhD degree, I joined the group of Professor  Nuno Maulide at the Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Germany. I am very interested in the mechanisms of palladium catalyzed reactions.

My way to Austria:

As I am from China and before the movement I was working in Germany, the major bureaucratic obstacle was the visa process. The check list for the visa here is quite different from that in Germany. The preparation of the further documents was started from middle of March, and when I got the visa, it was already October.
The biggest trouble was that I don't have a birth certificate, as I was born in a small village in 1985. To get this kind of paper and do the legalization required, my friend, who helped me in the process, had to go to my hometown and the legalization office many times, because normally this document requires presenting in person. It took us about three months! And my troubles are very personal. I believe, if concern to the whole group, the group leader would have many more, as we are a group with different nationalities.

What does "internationality" mean to me:

In my opinion, "internationality" means different ways of thinking based on the cultural upbringing. In our family-like group, for most of the questions one can ask about chemistry, there could be several proposed explanations from quite different points of view. Of course, the differences can be everywhere, especially the life styles. I think it is really good to know and learn from that.



Internationale Universität Wien


Im Rahmen der Pressekonferenz präsentierte der Vizerektor u.a. den kürzlich erschienenen International Report der Universität Wien: "Die Universität Wien ist sehr international." So stammen 28 Prozent der 92.500 Studierenden aus dem Ausland. Sie kommen aus 140 Ländern – wobei die meisten Studierenden aus Deutschland, der Türkei und Italien sind; die Anzahl der Studierenden aus dem östlichen und südöstlichen Europa ist jedoch fast so groß wie jene aus Deutschland.

"Von 100 AbsolventInnen der Universität Wien haben 29 – also fast ein Drittel – einen Auslandsaufenthalt absolviert", so der Vizerektor: "Überdurchschnittlich oft gehen DoktorandInnen und Studierende der Geisteswissenschaften ins Ausland. Die Hälfte der Aufenthalte wird über ERASMUS, das Studierenden-Austauschprogramm der EU, finanziert." 2012 gingen 1.088 Studierende der Universität Wien mit Erasmus ins Ausland, und es kamen 979 Studierende damit an die Universität Wien. "Durch Auslandsaufenthalte erweitern Studierende ihre Perspektiven, verbessern ihre Sprachkenntnisse, bauen soziale Netze auf und werden tolerant im Umgang mit anderen Kulturen", betonte Faßmann. Ein weiterer Vorteil: "Die Employability von Studierenden und AbsolventInnen erhöht sich."

Weiters würden AbsolventInnen mit einem offenen Mindset Vorteile für eine exportorientierte Wirtschaft schaffen. Ausländische AbsolventInnen wiederum seien eine qualifizierte Ergänzung für den österreichischen Arbeitsmarkt. "So leistet die Universität Wien einen wichtigen Beitrag für eine offene Gesellschaft mit Weltsicht und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft", sagte der Vizerektor. Die weltweite Vernetzung mit anderen Universitäten trage weiters zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft bei. "Durch Internationalität erhöht sich die Reputation der Universität Wien im In- und Ausland", so Faßmann.


"Universitäten sind die neuen Zuwanderungs- und Integrationsmotoren", ist Vizerektor Faßmann überzeugt und fordert von der Politik: "Universitäten sollten unter ähnlichen Rahmenbedingungen agieren können wie Fachhochschulen und konsequenterweise von Drittstaatsangehörigen Studiengebühren einheben dürfen. Studierende aus Entwicklungsländern wollen wir von dieser Regelung weiter ausnehmen." Nach Abschluss eines Studiums bleiben nur 16 Prozent der Studierenden aus Drittstaaten in Österreich (viele davon dürfen nicht bleiben). Damit verliert Österreich zahlreiche hochqualifizierte "ideale Zuwanderer". Im Vergleich dazu – laut OECD (2011) verbleiben in Deutschland 25 Prozent und Kanada 33 Prozent.



Internationalität in der Praxis

Vor allem in internationalen Konzernen sind BewerberInnen mit Auslandserfahrung begehrt. Darüber berichtete auf der Pressekonferenz Susanne Schober-Bendixen, Vorstandsmitglied von Baxter Österreich: "Wir sind ein internationaler Konzern und rekrutieren zahlreiche AbsolventInnen der Universität Wien sowie von anderen in- und ausländischen Universitäten. Unsere Teams profitieren, wenn unsere Neuzugänge neben ihrem Fachwissen auch Fremdsprachenkenntnisse mitbringen sowie team- und zielorientiert sind – wobei wir bei der Teamorientierung nicht nur auf Inklusion, sondern auch auf eine multikulturelle Ausrichtung Wert legen."

Internationalität im Forschungsteam

"Ich würde nie mit einem 100 Prozent nationalen Team arbeiten, denn je diverser eine Gruppe ist, umso mehr Zugänge und auch Lösungsvorschläge gibt es zu einer Fragestellung", erklärte Nuno Maulide, seit Oktober 2013 Professor für Organische Synthese an der Fakultät für Chemie der Universität Wien. Maulides 15-köpfiges, hochspezialisiertes Forschungsteam, das er vom Max-Planck-Institut in Deutschland nach Österreich mitgebracht hat, kommt aus elf Nationen.


I am Juliette Sabbatani, a French PhD student. I did all my studies in Lyon, where the chemistry teaching level is good. I decided to undertake my PhD abroad and I applied to the group of Professor Nuno Maulide originally in Mülheim because I find his research topics to be diversified and stimulating. Additionally, I discovered with the time that Nuno Maulide has great teaching skills.

My way to Austria:
As a European citizen it is really easy to move from Germany to Austria.
The registration takes about ten minutes and almost everyone speaks English in Viennese administration offices.

What does "internationality" mean to me:
Working in an international research group is really enriching. Everyone has a different cultural background, a different type of knowledge and a different point of view, and sharing those altogether makes us stronger, more resourceful and generally open minded.



Die Übersiedlung nach Wien war für seine Gruppenmitglieder vor allem aus den nicht europäischen Ländern wie Syrien, Indien, Thailand und China alles andere als leicht. Einige von ihnen mussten ins Heimatland fliegen, um Dokumente im Original den hiesigen Einwanderungsbehörden nachreichen zu können. "Das war zeit- und kostenintensiv, und ich verstehe nicht, wieso dies notwendig ist, wo doch meine Leute schon in Deutschland waren", erzählte Nuno Maulide. In Deutschland seien die Prozesse einfacher, effizienter und weniger bürokratisch.

Als Beispiel für bürokratische Umwege nannte Vizerektor Faßmann das Thema Fingerprints, die für Arbeitsvisa in Österreich notwendig sind. Die können nur in österreichichen Botschaften abgegeben werden: Ein kanadischer Postdoc aus Vancouver müsse beispielsweise nach Toronto fliegen, um seinen Fingerabdruck abgeben zu können.

Weitere Verbesserung der RWR-Karte gefordert

Der Vizerektor forderte daher u.a. eine Verwaltungsvereinfachung. Die RWR-Karte sei gut, aber nicht attraktiv genug: Nach wie vor können Bachelor-AbsolventInnen keine beantragen. Auch ist die Einkommensgrenze mit 1.998 EUR zu hoch angesetzt, da das durchschnittliche Einstiegsgehalt 1.530 EUR brutto beträgt. "Es ist auch wichtig, selbständige Tätigkeit bei der Einkommensbestimmung anzuerkennen", so Faßmann.


My name is Supaporn Niyomchon (my friends and colleagues call me Boom). My country of origin is Thailand, where I was born and I graduated at Naresuan University. Afterwards, I had the chance to do an internship in the group of Professor Christine Willis in Bristol University (UK). Successively, I moved to Taiwan in the group of Professor Minoru Isobe where I completed my master project. For two years I have been working in the group of Professor Nuno Maulide, first in Mülheim and then in Vienna, and my research interests are focused on Pd-catalysed stereoselective transformations.

My way to Austria:
The moving of an entire group is certainly a difficult task to manage.
In this context an international mindset from the hosting country helps to sort out faster all the bureaucratic obstacles. For example, the UK has a friendly immigration policy where an immigration office is present in each faculty. From my lucky point of view, the key problems in moving to Austria were mostly due to an exaggerated preparation of documents and on the difficulties of apartment-hunting for non-German-speaking students.

What does "internationality" mean to me:
On my opinion the word internationality, in particular related to research, finds its advantages on sharing knowledge, which translates in faster intellectual growing for the whole group.



Österreich soll dem Beispiel Deutschlands folgen

Für die Beantragung einer RWR-Karte sind drei Ministerien zu durchlaufen: das BMeiA ist für den Erstkontakt zuständig, das BMI klärt das Aufenthaltsrecht und das BMASK kümmert sich um den Arbeitsmarkt. Das bedeutet, Zuwanderungswillige haben ein komplexes und langsames System mit Schnittstellenproblemen zu durchschreiten; die RWR-Karte hat bürokratische Abläufe bei der Einreise nicht vereinfacht.

"Der bürokratische Weg muss deutlich vereinheitlicht und damit vereinfacht werden. Von den drei dafür zuständigen Ministerium sollte sichtbar eines den Hut aufsetzen und für die Servicierung der Einreisewilligen zuständig sein", forderte Heinz Faßmann: "Im Koalitionsvertrag der deutschen Regierung – 'Deutschlands Zukunft gestalten' – wird eine Steigerung des Anteils der ausländischen Studierenden bis 2020 um ein Drittel angestrebt, ebenso soll die Hälfte der StudienabsolventInnen einen Auslandsaufenthalt absolviert haben." (red)