Umweltschutz, Menschenrechte und Bruttonationalglück (Teil 1)

Vier WissenschafterInnen – Christina Binder, Iris Eisenberger, Wolfram Schaffar und Michaela Windischgrätz – sind als Delegation der Universität Wien für zehn Tage in Bhutan, um dort am Aufbau der ersten Rechtswissenschaftlichen Fakultät mitzuwirken. Für uni:view berichten sie von ihrer Reise.

Bhutan hatte bislang keine eigene rechtswissenschaftliche Fakultät. Dies soll nun anders werden. 25 Studierende werden ab Juli 2017 den ersten Jahrgang eines fünfjährigen Studiums an der Jigme Singye Wangchuck School of Law in Bhutan (JSW) bilden. Präsidentin der JSW Law School ist Ashi Sonam Dechan Wangchuck, Absolventin der Harvard Law School und Schwester des amtierenden 5. Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck.

Rezente Entwicklungen im bhutanischen Staatsgefüge sind dem Entschluss der bhutanischen Führung zu einer JuristInnenausbildung im eigenen Land vorausgegangen. Mit der Unterzeichnung der Verfassung am 18. Juli 2008 durch den 4. König Jigme Singye Wangchuck, dem Namensgeber der neuen Law School, wurde Bhutan eine konstitutionelle Monarchie. Der Implementierung der Verfassung folgte eine intensive Phase der Gesetzgebung sowie des Aufbaus eines Gerichtssystems westlicher Prägung. Die JSW Law School soll neben der Ausbildung von JuristInnen die Entwicklung der bhutanischen Demokratie und deren Rechtsordnung wissenschaftlich begleiten.

Unterstützung aus Österreich

Unterstützung dieser Projekte kommt unter anderem aus Österreich. Bhutan ist eines der Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Austrian Development Agency fördert nicht nur den Aufbau neuer Gerichtsgebäude, vielmehr soll auch beim Wissenstransfer kooperiert werden. Unter der Leitung von Michaela Windischgrätz, Rechtswissenschafterin und Tibetologin, haben die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien und die JSW Law School ein Teaching Mobility Programm abgeschlossen, um jährlich vier Lehrende der Universität Wien zur Unterstützung des großteils noch sehr jungen Lehrpersonals an die JSW Law School zu entsenden. Kurse im Bereich Politikwissenschaft, Methodenlehre, Menschenrechte, Umweltrecht und Mediation sollen in den ersten Jahren von österreichischen Lehrenden betreut werden. Unsere heurige Delegation widmet sich der Vorbereitung dieser Kurse.

Auf der Baustelle

Unser erster Besuch führt uns auf die Baustelle des künftigen Campus der JSW Law School, der in zwei Jahren fertig gestellt sein soll. Der Bauleiter, Chief Karma, ein bhutanischer Ingenieur, empfängt uns herzlich. Mit Schutzhelmen ausgestattet, besichtigen wir die Baustelle. Nach der Besichtigung laden uns Chief Karma und seine Familie zum Mittagessen ein. Es ist Losar, bhutanisches Neujahr, also trinken wir Ara, den traditionellen Reisschnaps. Die Gastgeber überraschen uns mit einem Festmahl aus Rindfleisch, Hühnercurry, rotem Reis, Forelle aus einheimischen Gewässern sowie Ema Datsi, dem bhutanischen Nationalgericht aus Chilischoten und Käse.

Der Campus der ersten Law School in Bhutan wird 125 Studierende sowie einheimische und ausländische Lehrende beherbergen. Neben Hörsälen, einer Bibliothek, Aufenthalts- und Schlafräumen darf auch ein Tempel nicht fehlen. (Foto: Universität Wien)

Kritisches Denken und klare Analyse

Das erste Arbeitsmeeting in Thimphu, der Hauptstadt Bhutans, findet in einem Übergangsquartier der Law School, im Stadtteil Taba, statt. In dem gemütlichen, aus Holz gebauten und an eine Schutzhütte in den Alpen erinnernden Gebäude, finden inzwischen 30 Menschen ihren Arbeitsplatz. Wir besprechen das Curriculum, planen Unterrichtseinheiten und Lehrinhalte. Ein wesentlicher Punkt ist die Frage, welche Lehrmethoden wir einsetzen können und sollen. Asiatische Schulen setzen traditionell darauf, dass die SchülerInnen Unmengen an Stoff weitestgehend auswendig lernen. Unsere künftigen Studierenden sind demnach an Frontalunterricht gewöhnt. Da es jedoch das erklärte Ziel der JSW-Universitätsleitung ist, die bhutanischen JuristInnen zu kritischem Denken und einer klaren Analyse des Rechts zu führen, möchten wir kreativ-diskursive Lehrmethoden einführen.

Den Rest der Woche absolvieren wir weitere Arbeitstreffen: Teils gemeinsam, teils forschungsspezifisch aufgeteilt nach Umweltrecht, Menschenrechten/human dignity und Politikwissenschaften, bekommen wir Informationen von verschiedenen bhutanischen AnsprechpartnerInnen.

Lesen Sie hier Teil II des Reiseberichts