"Harry spricht, Meghan himmelt ihn an"

Am 19. Mai heiraten Prinz Harry und Meghan Markle. Boulevardblätter bringen seit Wochen eine Story nach der anderen und am Tag selbst werden tausende Menschen die Hochzeit im TV verfolgen. uni:view sprach mit Kulturwissenschafterin Monika Seidl über den Hype, Aschenputtel-Fantasien und Eskapismus.

uni:view: Frau Seidl, wieso ist eine royale Hochzeit heutzutage noch so ein Hype?
Monika Seidl: Es ist nicht nur um die Hochzeit ein Hype; insgesamt sind die britischen Royals derzeit hoch im Kurs. Dazu zählen Blockbusterfilme wie The Queen (2007), The King’s Speech (2010) oder ganz aktuell die Netflix Serie The Crown (ab 2016), die sich dem Leben von Elizabeth II widmet. In all diesen medialen Repräsentationsformen steht das Banale, das Alltägliche, die Anbindung an die Erfahrungswelten der ZuseherInnen im Mittelpunkt. Aber dann ist eben immer dieser imperiale Rest als Zusatzattraktion da.

Die Hochzeit wird ja nicht nur vor dem Bildschirm verfolgt, sondern es reisen auch Enthusiasmierte nach Windsor, um selbst anwesend gewesen zu sein, um einen Blick zu erhaschen, sich also der Evidenz des Geschehens zu vergewissern und sich im Kreise Gleichgesinnter in die richtige Stimmung zu bringen. Diese gute Stimmung kann man dann gleich in den späteren Nachmittag mitnehmen, wenn im FA Cup Final im Wembley Stadium Chelsea gegen Manchester United spielt.

Kulturwissenschafterin Monika Seidl vom Institut für Anglistik und Amerikanistik forscht und lehrt insbesondere zur Kulturtheorie und zu Phänomenen der Populärkultur. (© B. Maly-Bowie)

uni:view: Als ein Grund für die Begeisterung wird in der Presse angegeben, dass Meghan Markle als "eine aus dem Volk" empfunden wird. Damals war das auch ein beliebtes Motiv bei der Hochzeit von Prinz Harrys Eltern Charles und Diana. Welche Vorstellungen und Wünsche kommen hier zum Vorschein?
Seidl:
"Eine aus dem Volke" bedient natürlich die Aschenputtel-Fantasie des eleganten Klassensprungs aus reiner Liebe. Im Falle von Meghan Markle ist die Sache ein wenig komplexer, da sie schließlich eine relativ erfolgreiche Schauspielerin ist, die einen Marktwert von rund fünf Millionen Dollar hat, natürlich eine Lappalie, wenn man bedenkt, dass diese Summe ungefähr den jährlichen Reisekosten der britischen königlichen Familie entspricht.

Aber Ms. Markle ist auch geschieden, Amerikanerin und hat eine schwarze Mutter und einen weißen Vater. Eher ungewöhnliche Ingredienzien für eine royale Braut, aber das macht sie natürlich besonders attraktiv. Wenn man die Bilder der offiziellen Auftritte von Harry und Meghan ansieht, wird allerdings sofort klar, dass die alten Geschlechterrollen klar verteilt sind: Harry spricht, Meghan himmelt ihn an.

uni:view: Was macht gerade das britische Königshaus so interessant für viele Menschen?
Seidl: Das britische Königshaus ist durch seine lange Tradition identitätsstiftend, verkörpert ein geeintes Britannien und täuscht damit über Regionalisierungstendenzen hinweg. Je stärker die Attraktion wird, umso mehr hat man das Gefühl, dass in Großbritannien vieles sehr schief läuft: da stehen die Ängste den Brexit betreffend derzeit an oberster Stelle. Großbritannien zeichnet sich ja nicht gerade durch eine überzeugende Innen- oder Außenpolitik aus. Das Königshaus gaukelt mit seinem gekonnten Pomp, Prunk und Gloria Inszenierungen Stabilität vor und öffnet damit einem wohligen Eskapismus Tür und Tor.

Das kann für den Alltag stärken, aber auch in parasozialer Interaktion ausarten, wie MedienpsychologInnen die starke illusionäre Bindung an Personen wie Stars, Avatare oder eben Mitglieder eines Königshauses nennen. Ein wichtiger Punkt ist noch, dass sich das britische Königshaus besonders in den USA größter Beliebtheit erfreut, was vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass die USA keine Trennung von politischer und repräsentativer Staatsführung kennt, sondern ein Präsident beides in sich vereint. 

Im Rahmen des 20-Jahr-Jubiläum des Uni Wien Campus spielen Studierende des Instituts für Anglistik und Amerikanistik am Donnerstag und Freitag, 17. & 18. Mai, ab 19 Uhr in Hof 8 Shakespeare’s Komödie "A Midsummer Night’s Dream". ZuschauerInnen können hierbei das klassische "Shakespeare in the Park"-Format erleben, auf Decken im Gras sitzen und während der Aufführung ihr mitgebrachtes Essen und Trinken genießen. Mehr Informationen 

uni:view: Gibt es Beispiele in Österreich, wo es einen ähnlichen Hype gab, oder liegt die Faszination in dem System der konstitutionellen Monarchie begründet?
Seidl:
Ein ähnlicher Hype entwickelt sich in Österreich vielleicht immer wieder im Umfeld des Wintersports, aber sicher nicht im Umfeld der Habsburger. Österreich ist Republik und das ist gut so – und dieser Status wird auch als normal empfunden.

uni:view: Schauen Sie sich die Übertragung an? Was ist für Sie als Kulturwissenschafterin daran besonders interessant?
Seidl: Die Übertragung werde ich mir nur in Ausschnitten zu Gemüte führen, das reicht für meine kulturwissenschaftlichen Bedürfnisse. Was mich mehr interessiert, sind beispielsweise die Reaktionen im Internet. Da sind nach der Hochzeit von William und Kate 2011 sehr amüsante Dinge passiert: Es haben sich sehr schnell wirklich lustige Memes verbreitet; der gewagte Hut von Prinzessin Beatrice, wahlweise Riesenbrezel oder Hirschgeweih genannt, war so ein Renner oder das Kleid von Pippa, Kate Middletons Schwester. Da gibt es sicher wieder Einiges zu sehen.

Der ausladende Kopfschmuck von Prinzessin Beatrice bei der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton im April 2011 sorgte für einigen Hohn im Internet. (Quelle: knowyourmeme.com)

Auch ist noch abzuwarten, ob sich die Öffentlichkeit wirklich so stark wie behauptet in Form von Street Parties einbringen wird. Es wurde diesmal kein Bank Holiday, wie sonst üblich, gewährt, sondern die Vermählung findet an einem Samstag statt. Die Zeiten sind seit 2011 härter geworden.

uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (mw)

Monika Seidl (geb. 16.3.1957) kam nach einem dreijährigen Aufenthalt an den Universitäten St Andrews (Schottland) und Cambridge (England) im WS 1990/91 an die Universität Wien. In weiterer Folge habilitierte sie sich im Bereich Anglistik Kulturwissenschaften und etablierte die Cultural and Media Studies am Institut für Anglistik und Amerikanistik.