Gedenksteine für jüdische Opfer des Nationalsozialismus

Christian Korunka ist nicht nur Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Wien, sondern auch ein engagierter Bürger. Gemeinsam mit NachbarInnen initiierte er in "seiner" Straße die Legung von Gedenksteinen für im Nationalsozialismus vertriebene jüdische BewohnerInnen.

Der dritte Wiener Gemeindebezirk war ehemals ein großes jüdisches Wohngebiet. Im Nationalsozialismus änderte sich das auf grausame Weise – mehr als 13.400 JüdInnen, die hier lebten, wurden verfolgt. Christian Korunka, Professor am Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft der Universität Wien, wohnt seit nunmehr 28 Jahren im dritten Bezirk. Durch ein ehemaliges Schulprojekt seiner Tochter bekam er den Anstoß, der Frage nach ehemaligen jüdischen BewohnerInnen "seiner" Straße nachzugehen. "Seine" Straße, das ist die Baumannstraße, eine kleine Sackgasse mit acht Häusern.


"Durch unsere Aktion wollen wir dazu beitragen, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit weiter anzuregen", erklärt der engagierte Arbeitspsychologe Christian Korunka.



Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

In der Baumannstraße lebten damals 120 JüdInnen. Mehr als zwei Drittel von ihnen überlebte die Zeit des Nationalsozialismus nicht. Um auf diese Gräueltaten aufmerksam zu machen, entstand bei einer "kleinen Gruppe aktiver NachbarInnen" die Idee mit den Gedenksteinen: "Wir schrieben die rund 110 Haushalte der Baumannstraße an, mit dem Resultat, dass etwa 20 Prozent die Gedenksteine finanziell unterstützen wollten", erzählt Christian Korunka: "Es gab zudem zumindest keine einzige negative Rückmeldung."


Vor jedem Haus in der Baumannstraße im 3. Bezirk liegt nun ein Gedenkstein, der an die ehemaligen jüdischen BewohnerInnen erinnert.



Symbolisch einen Platz zurückgeben

Christian Korunka wandte sich für die Aktion an den Verein "Steine des Gedenkens für die Opfer der Shoa", der im 3. Bezirk Gedenktafeln, "Steine der Erinnerung" genannt, an Orte setzt, wo vor 1938 jüdische MitbürgerInnen wohnten oder jüdische kulturelle und religiöse Einrichtungen waren. Der so entstehende Gedenkweg soll die Beraubung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sichtbar machen.



Die Idee der Messing-Gedenktafeln zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit entwickelte ursprünglich der deutsche Künstler Gunter Demnig in den 1990er  Jahren und nennt diese STOLPERSTEINE. (Foto: Karin Richert)



Was wissen Sie über Ihre Straße?

In der Online-Personendatenbank des "Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes" (DÖW) sind die Informationen von über 63.800 österreichischen Opfern des Holocaust gespeichert. Neben Name, Geburtsdatum und -ort, Deportationsdatum und falls bekannt Todesdatum und -ort kann auch nach dem letzten Wohnort gesucht werden.

Nicht nur im dritten, auch in anderen Wiener Bezirken bieten verschiedene Vereine die Möglichkeit an, Gedenktafeln finanziell zu unterstützen. (mw)

Univ.-Prof. Dr. Christian Korunka promovierte an der Universität Wien. Nach mehreren Aufenthalten als Gastprofessor an der University of Madison-Wisconsin ist er seit 2007 Professor für Arbeitspsychologie an der Fakultät für Psychologie und Leiter der Arbeitsgruppe für Arbeits- und Organisationspsychologie. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung von den Auswirkungen von Veränderungen in der modernen Arbeitswelt.