Ein Dachgarten für die Forschung

In den Gewächshäusern der "Plant Facility" der Max F. Perutz Laboratories – ein Joint Venture der Universität Wien und der MedUni Wien am Vienna Biocenter – werden hoch über den Dächern des 3. Bezirks Pflanzen für die experimentelle Biologie gezüchtet.

Woher kommen eigentlich die Modellpflanzen, mit denen die MolekularbiologInnen und BiochemikerInnen der Universität Wien arbeiten? Selbst gezüchtet, versteht sich: "Kurze Wege sparen Zeit und sind sogar essenziell für viele Experimente", betont Andreas Bachmair vom Department für Biochemie und Zellbiologie der Universität Wien. Er leitet, zusammen mit Andrea Barta von der MedUni Wien, die gemeinsame Plant Facility am Dach der Max F. Perutz Laboratories (MFPL) am Vienna Biocenter. Hier befinden sich Gewächshäuser, Wachstumskammern und Anzuchtstationen.

In den Gewächshäusern der Plant Facility wird hauptsächlich die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) angebaut. Diese unscheinbare Pflanze ist als Modellorganismus für die biologische und biomedizinische Forschung unverzichtbar: Sie hat einen kurzen Generationszyklus von nur acht Wochen und lässt sich auf relativ kleinem Raum einfach kultivieren. Übrigens ist die Ackerschmalwand die erste Pflanze, deren Genom komplett entschlüsselt wurde. "Inzwischen ist sogar die Sequenz von über tausend Arabidopsis-Pflanzen ermittelt worden, die man auf der ganzen Welt gesammelt hat", erzählt Andreas Bachmair: "Mit diesen Ressourcen kann man die genetische Basis der Unterschiede individueller Pflanzen erforschen."

Untersuchungen dieser natürlichen Variation stehen im Zentrum der Forschung von Angela Hancock (MFPL, Universität Wien), während Peter Schlögelhofer (MFPL, Universität Wien) den Austausch genetischer Information bei der Befruchtung untersucht. Die Gruppe von Andrea Barta (MFPL, MeduniWien) befasst sich damit, wie die genetische Information interpretiert wird, so dass aus einem Gen mehrere Genprodukte entstehen können. Im Bild: Katarzyna Hanczaryk, Postdoc in der Gruppe von Andreas Bachmair, bei der Arbeit mit Arabidopsis. Sie untersucht Prozesse, die bei Überflutungen eingeleitet werden, um das Überleben der Pflanzen zu sichern.

Ihr Kollege Konstantin Tomanov studiert Vorgänge, die Pflanzen das Wachstum auf salzhaltigen Böden erleichtern. Im Bild oben betrachtet er gerade Pflanzen aus der Gruppe der Akeleien, die sich im Gewächshaus befinden – sie gehören einem Gast, Daniele Filiault vom Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie. "Diese Akeleien sind mitten in der Bildung neuer Arten. Sie haben unterschiedliche Gebiete zur Besiedlung erobert, unterscheiden sich aber im Genom nur wenig voneinander. Ihr genetisches Erbe wird mit ihren Eigenschaften abgeglichen", erklärt Andreas Bachmair die Arbeit seines Kollegen.

Ziel des "universitären Dachgartens" ist es, die PflanzenwissenschafterInnen der Universität Wien und der MeduniWien in ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit bestmöglich zu unterstützen. "Während in Industrieländern die Sicherung gesunder Ernährung und der Erhalt der Umwelt immer wichtiger werden, steht für einen großen Teil der Weltbevölkerung die Vermeidung von Hunger im Vordergrund. Mit Untersuchungen der natürlichen genetischen Variation, der Verteilung dieser genetischen Variation auf die Nachkommen und der Forschung zur Widerstandsfähigkeit gegen Umwelt-Stress liefern die am MFPL tätigen PflanzenwissenschafterInnen grundlegende Erkenntnisse, die zum Erhalt der Umwelt und zur Ernährungssicherheit beitragen", betont Andreas Bachmair: "Die Forschung und Ausbildung von ExpertInnen in molekularer Pflanzenbiologie ist also eine gute Investition in unsere Zukunft!" (Text: Bernadette Ralser; Fotos Pflanzen: Daniel Hinterramskogler/MFPL; Fotos Gebäude: Ulrike Keller/MFPL)

Für unsere Sommerserie haben wir uns auf den Dächern der Universität Wien umgeschaut und berichten wöchentlich von unseren Entdeckungen. Zum Dossier "Sommer am Dach"