Der Frauentag und die Medien

Medien sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig. Sie gelten als Ko-Produzenten von Geschlechterdiskursen. Am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wird feministische Medienwissenschaft nicht nur in Theorie und Empirie erforscht, sondern auch in feministische Praxis umgesetzt: Konstruktive Kritik an Medieninstitutionen und feministische Aktivitäten gehen Hand in Hand mit universitärer Forschung und Lehre.

Ob Internet, Fernsehen, Radio, Film, Werbung oder Videogames: Medien produzieren ständig Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit und bestimmen so maßgeblich mit, was in einer Gesellschaft als typisch weiblich oder männlich gilt. "Vor allem junge Menschen finden im Unterhaltungsangebot der Medien ihre Vorbilder und orientieren sich viel stärker an der normierenden Wirkkraft der Medien als an gesellschaftlichen Institutionen wie Schule, Familie oder Parteien", erklärt die Medienwissenschafterin Johanna Dorer. Angesichts der Fülle an Castingshows und "Lifestyle"-Sendungen – wie etwa "Austria's next Topmodel" oder "The Swan" – überrascht es nicht, wenn junge Mädchen medial vermittelte Schönheitsideale als gesellschaftliche Norm wahrnehmen und mittels "manipulativer Körperselbsttechniken" nachahmen.

Emanzipation durch Medien?

"Nachdem die zweite Frauenbewegung der 1970er Jahre eine breite Medienöffentlichkeit erreicht hat, und so Medien mit ihrer Thematisierungsfunktion am Prozess der Bewusstwerdung für Gleichstellung mitgewirkt haben, sind viele Themen im politischen und privaten Bereich angekommen", erzählt Johanna Dorer. Wie damals haben wir es aber auch heute mit einer ambivalenten Entwicklung zu tun: Prozesse der gesellschaftlichen Bewusstwerdung sind auf Medien angewiesen, die aber wiederum mit Stereotypisierung, Personalisierung und Vereinfachung operieren.

Andererseits haben Medien eine Vielzahl an Frauenthemen aufgegriffen: häusliche Gewalt und Missbrauch an Frauen und Mädchen, Alleinerzieherinnen, Sexarbeit, Stalking und Cyberstalking, Migrantinnen, Transsexualität etc. "Doch eine sensible Berichterstattung finden wir meist nur abseits des Mainstreams – in feministischen Medien, die bewusst gegen die gängigen Geschlechterklischees anschreiben, indem sie oppositionelle Diskurse und die Verschränkung von Gender mit verschiedenen Differenzkategorien wie Ethnizität, sexuelle Orientierung oder Alter aufgreifen und verbreiten", meint Johanna Dorer.

Was bedeutet der Internationale Frauentag für Sie?

Johanna Dorer: Er ist vor allem als Jubiläum wichtig. Denn als "medienwirksamer Event" sorgt er dafür, dass die Forderungen der Frauenbewegung mindestens einmal im Jahr auf der medialen Tagesordnung stehen und etwas ausführlicher behandelt werden. Es braucht ihn nach wie vor, damit frauenpolitische Anliegen der Gleichberechtigung angemessen medial thematisiert werden. Ich wünsche mir, dass eine sensible Aufbereitung frauenpolitischer Themen und Forderungen eine Selbstverständlichkeit für die Medien wird.


Vom "ästhetischen Aufputz" zur Kommissarin

Und doch hat sich hier in den letzten Jahrzehnten einiges geändert: Während Frauen in älteren Filmen höchstens als "ästhetischer Aufputz ohne Handlungskompetenz" vorkommen, gibt es heute Kommissarinnen und Frauen in höheren beruflichen Positionen. "Wenn wir aber genau hinschauen, fällt auf, dass die beruflich erfolgreichen Frauen am Ende nur dann glücklich sind, wenn sie einen Partner finden und die Zweierbeziehung leben können", betont Dorer und nennt als Beispiel die Serien "Sex and the City" oder "Schnell ermittelt".

In den Medien herrscht nach wie vor ein Geschlechterdualismus, der das Männliche stets höher als das Weibliche bewertet. Dasselbe zeigt sich auch in anderen Bereichen: "So gibt es heute zwar viele Nachrichtensprecherinnen, und auch Polittalkshows werden vermehrt von Frauen moderiert. Eingeladen werden jedoch vorwiegend Männer – vor allem, wenn wichtige politische Themen zur Diskussion stehen."

Alte Muster neu gezeichnet

Auch in der Werbung haben die alten Rollenbilder längst nicht ausgedient: Nach wie vor gibt es die traditionellen Rollenzuschreibungen und außerdem wieder vermehrt sexistische Werbung. Zwar hat sich die Bandbreite der Konstruktionen von "männlich" und "weiblich" erweitert – wir sehen nun auch die "Karrierefrau" und den "ungeschickten Antihelden" –, die alten Stereotype werden aber weiterhin mehrheitlich bemüht. "Dabei könnte die Werbung hier mit ihrem Anspruch, besonders innovativ sein zu wollen, eine Vorreiterrolle übernehmen", meint Johanna Dorer.

Ulrike Weish vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft fordert deshalb anlässlich des Frauentags die Umstrukturierung des Werberats: Ein Drittel sollen GenderexpertInnen, ein Drittel KonsumentInnen und ein Drittel Werbefachleute sein. Außerdem will die Medienwissenschafterin – und Mitorganisatorin der Demonstration zum Frauentag – eine gesetzliche Reglementierung statt Selbstregulation der Werbeindustrie, um Sexismus in der Werbung rechtlich belangen zu können.

Was bedeutet der Internationale Frauentag für Sie?

Ulrike Weish: Der Frauentag ist ein internationaler Kampf-Tag um gleiche Rechte, egalitäre Partizipation an Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur im mittleren und höheren Leistungssegment. Die Frage nach bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Situation von Gewalt in strukturellen aber auch individuellen Kontexten, die Koppelung von Sexismus und Rassismus, die Zunahme der Unterschiede zwischen Frauen in Bezug auf ihre klassenspezifische Herkunft, ihre ethnische Selbst- und Fremdzuschreibung ist und bleibt aktuell. Der 8. März ist ein Tag der Symbolik, dessen Themenfelder über das gesamte Jahr relevant bleiben, aber medial unterbelichtet sind, da die unerreichten Forderungen alt und deren Nachrichtenwert deshalb reduziert ist.


Frauentag und Medien

Medien sind an Personen, Geschichten und Events interessiert: Wenn Medien frauenpolitische Anliegen – wie etwa häusliche Gewalt – thematisieren, so wollen sie das Opfer befragen und erklären nicht, wie männliche Gewalt strukturell entsteht. "Die Medienlogik der Personalisierung erschwert damit das frauenpolitische Anliegen über z.B. häusliche Gewalt oder strukturelle Gewalt an Migrantinnen durch restriktive Fremdenrechtsbestimmungen etc. aufzuklären", so Johanna Dorer.

Der Frauentag ist ein Event, der dieser Medienlogik entgegenkommt. Politische Forderungen anlässlich des Frauentags haben dann die Chance, in der Öffentlichkeit diskutiert zu werden. Die Medien bieten die ideale Bühne, um diese Appelle an die breite Öffentlichkeit zu bringen. "Denn in der täglichen Berichterstattung haben familienpolitische Themen die frauenpolitischen zunehmend ersetzt. Deshalb braucht es den 8. März, um alte und neue Forderungen der Frauenbewegung zumindest einmal im Jahr auf die mediale Agenda zu setzen", meint Johanna Dorer in Hinblick auf vergangene und zukünftige Internationale Frauentage. (ps)

Ass.-Prof. Mag. Dr. Johanna Dorer, Dr. Brigitte Geiger, Mag. Dr. Monika Bernold, Mag. Dr. Ulrike Weish, Mag. Agnieszka Hanna Kwiecinski und Dr. Irmtraud Voglmayr vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft forschen und lehren zu unterschiedlichen Aspekten der feministischen Medienwissenschaft.