UB-Ausstellung: Nationale Autonomie einmal anders

In Bosnien, Kroatien und im Libanon diskutiert man aktuell Autonomiemodelle, die in der Habsburgermonarchie bereits vor hundert Jahren erprobt wurden. Vom 14. Februar bis zum 30. April 2014 setzt sich eine Ausstellung an der Universitätsbibliothek Wien mit Vor- und Nachteilen ebendieser auseinander.

Im Libanon wird seit mehreren Jahren über ein neues Wahlrecht diskutiert, das die jahrzehntelangen Konflikte zwischen den einzelnen ethnischen und religiösen Gruppen entschärfen soll. Nach einem genauen Proporz dürften dann etwa Schiiten nur mehr Schiiten und Maroniten nur mehr Maroniten wählen. KritikerInnen sehen darin nicht nur das Ende überkonfessioneller Parteien, sondern befürchten auch eine verstärkte Ethnisierung der Gesellschaft. Schließlich müssten ja zunächst alle WählerInnen in entsprechende Register eingetragen werden.

Lehren aus der Geschichte

Vor ähnlichen Herausforderungen stand man bereits vor einhundert Jahren in Österreich-Ungarn. In einem Forschungsprojekt untersucht der Historiker Börries Kuzmany – vormals Postdoc im Doktoratskolleg "Das österreichische Galizien und sein multikulturelles Erbe" der Universität Wien, nun an der Central European University (CEU) in Budapest Erwin-Schrödinger-Stipendiat – die nicht-territoriale Autonomieformen in der Habsburgermonarchie. In drei Kronländern wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals ein Modell ausverhandelt, das bestimmten Volksgruppen und ihren jeweiligen Mitgliedern unabhängig von deren Wohnort Autonomie gewährte.

Dieses Konzept der Personalautonomie sah vor, dass die Behörden alle WählerInnen, entsprechend der letzten Volkszählung in ein nationales Register eintragen. Jede dieser Gruppen konnte nun die zuvor festgelegte Zahl an Abgeordneten wählen. Im Landtag sollten dann nur die Abgeordneten der jeweiligen Volksgruppen über die kulturellen Fragen und bildungspolitischen Aufgaben ihrer eigenen Nationalität bestimmen dürfen. Man hoffte durch diese klare Trennung der Zuständigkeiten, die wechselseitigen politischen Blockaden und das nationale Besitzstanddenken zu überwinden.

Personale statt territoriale Autonomie


Allerdings verfügten die jeweiligen Gruppen nicht über ein gesondertes Steuersystem, und so musste im Landtag erst recht wieder das Budget, etwa für eine neu zu errichtende Schule gleich welcher Sprache, gemeinsam ausgehandelt werden. Noch viel größere Probleme bereitete jedoch die Einteilung der Bevölkerung in diese nationalen Kataster. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch viele Menschen, die sich gar nicht national definierten. Gerade in den ländlichen Gebieten identifizierten sich viele in erster Linie mit ihrer sozialen Stellung als Bauer. Oder, wie sollte man mit mehrsprachigen Personen umgehen, etwa aus Mischehen? Jede/r BürgerIn durfte zwar Einspruch gegen die von den Behörden gemachte nationale Katasterzuteilung erheben, an der Pflicht, sich zu einer Nationalität zu bekennen, führte allerdings kein Weg vorbei.

Der Historiker Kuzmany beschäftigt sich in seinem Forschungsprojekt daher auch mit den unbeabsichtigten Folgen von Personalautonomie: "Wenn man alle Menschen in ein nationales 'Kastl' zwingt und ihre Rechte über die Zugehörigkeit zu diesem definiert, ist es nicht so verwunderlich, dass der Nationalismus eher zu- als abnimmt."

Ausstellung an der Universitätsbibliothek Wien

Vor einhundert Jahren, am 14. Februar 1914, beschloss der Galizische Landtag ein neues Wahlgesetz, das die Einführung der Personalautonomie mittels eines Katasters, getrennt nach PolInnen und UkrainerInnen, vorsah. Aus Anlass dieses sogenannten "Galizischen Ausgleichs" eröffnet am 14. Februar 2014 an der Universitätsbibliothek eine Ausstellung, die sich mit Vor- und Nachteilen solcher Personalautonomie-Modelle auseinandersetzt.

Die Ausstellung thematisiert bei freiem Eintritt die Entstehung dieser Idee, zu der anerkannte RechtswissenschafterInnen der Universität Wien aber auch Austromarxisten wie Karl Renner und Otto Bauer in ihren Schriften beigetragen haben. Neben deren theoretischen Überlegungen werden auch konkrete historische und aktuelle Beispiele vorgestellt. Der Bogen spannt sich dabei von den politischen Erfahrungen aus ähnlichen nationalen Ausgleichen in Mähren und der Bukowina bis zu aktuell diskutierten Personalautonomie-Regelungen in Osteuropa und im Nahen Osten. (red)

Ausstellung: Ein Laboratorium kreativer Nationalitätenpolitik. Die Idee der Personalautonomie von der Habsburgermonarchie bis heute.

Freitag 14. Februar bis Mittwoch 30. April 2014
Foyer der Universitätsbibliothek Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien

Eröffnung:
Freitag, 14. Februar 2014 um 18.30 Uhr
Foyer der Hauptbibliothek
Universitätsring 1, 1010 Wien
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