Sommerpost: Leben im Seitenarm
| 05. August 2011Seit über 20 Jahren erforscht der Limnologe Hubert Keckeis den Fischbestand im Wienfluss, dem einzigen Seitengewässer des Donaukanals. Mit 17 bis 20 Arten ist der Bestand vielfältiger als landläufig angenommen. Anfang Juli 2011 führte Keckeis mit Studierenden Untersuchungen zum Artenvorkommen im Bereich Hietzing/Kennedybrücke durch. Für uni:view dokumentierte er die Freilandexperimente im Wienfluss.
Der Wienfluss präsentiert sich im innerstädtischen Bereich über eine Strecke von rund 25 Kilometer als stark verbautes Gewässer, das durch einen geradlinigen Verlauf, betonierter Gewässersohle und Ufer sowie ein uniformes Querprofil gekennzeichnet ist. Die Entwicklung vom Wienerwaldfluss (Quelle: Kaiserbrunnberg bei Rekawinkel) zum kanalartigen Gewässer beruht auf dem starken Nutzungsanspruch als Abwasserentsorger und dient als Schutz vor den häufig auftretenden Hochwässern. In Summe führen diese Faktoren zu einer drastischen Verarmung der Biodiversität und starken Verminderung der Qualität der Lebensräume für Fische und viele andere wasserbewohnende Organismen. Das Bild zeigt den im Rahmen des Praktikums "Fischökologie für Fortgeschrittene" ausgewählten Untersuchungsabschnitt des Wienflusses im Bereich Hietzing/Kennedybrücke.
Hier sieht man den Wienfluss von der Kennedybrücke in Hietzing aus. Markant sind die treppenartigen Schwellen und der 2010 eröffnete Fahrradweg, der von hier in das Wiental hinab führt.
Schwellen stellen unüberbrückbare Hindernisse für Fische und andere Gewässerorganismen dar, da erforderliche Zu- und Abwanderungen der Populationen unterbunden sind.
Im Zuge des Praktikums wird der Fischbestand (Artenvorkommen und Populationsstruktur) im verbauten Abschnitt eingehend untersucht.
Durchflussmessungen und detaillierte Messungen der Fließgeschwindigkeit sowie der Wassertiefe vervollständigen als wichtige steuernde hydromorphologische Umweltfaktoren die Untersuchungen.
Im Zuge des Experiments erfolgt die Einbringung von Sandsäcken zur Untersuchung des Einflusses von Restrukturierungsmaßnahmen auf die Fischartengemeinschaft.
Die Detailansicht der experimentellen Anordnung zeigt die Veränderungen des Gewässers deutlich.
Der Tutor Franz Loisl mit zwei Studierenden, nachdem sie die Gewässerstruktur durch den Aufbau von Sandsäcken verändert haben, um die Auswirkungen auf das Habitat für die Fische zu beobachten.
Nach einer Wartezeit von rund zwei Wochen erfolgt eine weitere Probenentnahme, um Auswirkungen der Habitatveränderung auf die Fischgemeinschaft zu untersuchen. Aus diesen Analysen lassen sich Umweltansprüche der Organismen ableiten, und es werden wichtige Informationen für die Weiterentwicklung von Gewässer-Restrukturierungen gewonnen.
In der uni:view-Sommerserie "Sommerpost" berichten Lehrende und Studierende von spannenden Exkursionen und lassen so die "Daheimgebliebenen" an ihren Lehr- und Lernerfahrungen fernab des Hörsaals teilhaben.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Hubert Keckeis ist am Department für Limnologie tätig und Experte für Fischpopulationen in Fluss-Systemen.