Vertraulich und anonym: Beratungsstelle Sexuelle Belästigung und Mobbing

Ein Ausbildungsverhältnis ist immer auch ein Abhängigkeitsverhältnis. Erlebst du vielleicht ungute Situationen im Studium, die grenzüberschreitend sind? Dann kannst du dich an die Beratungsstelle wenden. Im Interview sprechen Sylwia Bukowska und Helga Treichl über die Hintergründe der Beratungsstelle.

uni:view: Wer kann sich an die Beratungsstelle Sexuelle Belästigung und Mobbing wenden?
Helga Treichl: Alle Angehörigen der Universität Wien, sowohl Studierende als auch MitarbeiterInnen, die sich vom Thema angesprochen fühlen. Das kann zum Beispiel sein: "Ist es sexuelle Belästigung, was ich erfahre?" Meistens ist es ein vages Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass der Kontakt in eine unprofessionelle Richtung gelenkt wird. Wenn die Situation fortschreitet, kommen mehr Hinweise hinzu, Äußerungen, die eindeutiger sexualisiert sind, vielleicht sogar bis hin zu verbalen oder tätlichen Übergriffen.

uni:view: Nach welchen Zeiträumen wenden sich üblicherweise die Betroffenen an Sie?
Helga Treichl: Das ist unterschiedlich. Betroffene neigen dazu, sich zunächst selber zu hinterfragen. Erst wenn der Leidensdruck schon sehr groß ist, suchen sie Hilfe. In manchen Fällen liegt das Erlebte auch bereits längere Zeit zurück. Die Betroffenen entscheiden, wann für sie der passende Zeitraum ist, die Beratungsstelle zu kontaktieren.

Sylwia Bukowska: Es gibt zwei Konstellationen. In der einen Situation empfinden die Betroffenen die Ereignisse als diffus und nicht wirklich greifbar. Womöglich sammeln sich dann Erlebnisse und erst nach einiger Zeit, wenn es zu viel wird, entsteht das Bedürfnis sich beraten zu lassen. Und es gibt die andere Variante, die glaube ich wesentlich seltener vorkommt, und das ist ein klares, einschneidendes, punktuelles Erlebnis.

uni:view: Die Beratungsstelle ist anonym, vertraulich und kostenlos. Was erwartet die Menschen in diesem sicheren Raum?
Sylwia Bukowska: Der Grundgedanke ist die hundertprozentige Vertraulichkeit und, wenn gewünscht, auch Anonymität. Die Beratungsstelle ist definitiv keine Zwischenstelle, die Informationen weiter gibt. Wir melden nicht. Das heißt, die Bekanntmachung hängt wirklich von der betroffenen Person ab.

Helga Treichl: Natürlich bespreche ich die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt, wenn weitere Schritte gesetzt werden möchten. Wo der Vorfall gemeldet werden kann und wer zuständig ist. Wichtig ist jedoch, dass jede Person für sich entscheidet, welche Methode der Verarbeitung für sie geeignet ist. Es braucht oft Zeit, herauszufinden, was genau das eigene Anliegen ist. Diesen Prozess möchte die Beratungsstelle unterstützen.

uni:view: Sich mitteilen, jemanden zum Zuhören haben. Was ist den Betroffenen wichtig?
Helga Treichl: Ich erlebe es oft, dass die Menschen ihr Anliegen durch die Beratungsstelle an der Universität deponieren – auch wenn ihre Geschichte diesen Raum nicht verlässt. Dadurch, dass die Gespräche in den Räumlichkeiten der Universität stattfinden, wird signalisiert, dass das Anliegen an diesem Ort gehört und ernst genommen wird. Einige möchten die offiziellen Wege gehen und eine Meldung machen. Diesen Weg kann man mit mir besprechen, ich gebe die Kontaktdaten weiter und kann den Prozess hier in der Beratungsstelle begleiten.

Sylwia Bukowska: Zwei Dinge waren uns damals bei der Gründung der Beratungsstelle wichtig. Zum einen die psychosoziale Komponente direkt im Haus anzubieten, und das vertraulich, anonym und kostenlos. Zum anderen war es uns ein Anliegen, einen Raum für Informationen zu schaffen, welche Möglichkeiten es noch an der Universität Wien gibt. Es ist ein sicherer Raum, um zu schauen, was passt wann für jemanden.

uni:view: Sie begleiten die Beratungsstelle von der Gründung bis heute. Was hat sich im Laufe der Zeit gewandelt?
Sylwia Bukuwska: Ich selbst bin ja in die Beratung nicht involviert und habe auch keinerlei Informationen, wer kommt. Wir nehmen die Vertraulichkeit sehr streng, tauschen uns aber auf allgemeiner Ebene regelmäßig aus. Mein Eindruck ist, dass es von Anfang an gut angenommen wurde und stetig genützt wird. Nicht allzu überraschend bei einer Universität dieser Größe, hat diese Stelle nach wie vor einen Bedarf.

uni:view: Studieren und arbeiten an der Universität Wien. Was unterscheidet die Universität von anderen Betrieben?
Helga Treichl: Die Universität ist sehr hierarchisch strukturiert, sowohl was Einfluss als auch Prestige betrifft. Die Studierenden sind in einem Ausbildungsverhältnis und das ist auch ein recht großes Abhängigkeitsverhältnis.

Sylwia Bukowska: Eine Universität ist eine eigene Welt, was diese Thematik betrifft. Es geht dabei nicht um die Universität Wien im Speziellen, sondern generell ist es eine spezielle Situation, gleichzeitig Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz zu sein.

uni:view: Wie steht konkret die Universität Wien zu dieser Thematik?
Sylwia Bukowska: Die Universität Wien hat in ihrem Code of Conduct diesen Bereich thematisiert und ihn ganz klar aufgenommen. Von Seiten der Universität Wien gibt es hier eine klare Linie. Wenn solche Vorfälle gemeldet werden, werden sie sehr ernst genommen.

uni:view: Es melden sich nicht nur direkt Betroffene an die Beratungsstelle.
Sylwia Bukowska: Die Beratungsstelle wird auch von Führungskräften, ProfessorInnen in Anspruch genommen. Sie lassen sich beraten, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen sollen. Ganz im Sinne der Fürsorgepflicht. Und das freut uns sehr, dass unsere Stelle auch auf dieser Ebene gut angenommen wird.

Helga Treichl: Ich habe den Eindruck, dass dieses Angebot steigend angenommen wird. Nicht nur von Seiten der Führungskräfte, sondern auch von sogenannten ZeugInnen. Sie möchten wissen, was sie tun können. Mir ist es wichtig, dass sich alle Menschen an der Universität Wien angesprochen fühlen, die Fragen in diesem Bereich haben. Dafür ist die Stelle da.

uni:view: Vielen Dank für das Gespräch. (td)

Veranstaltungstipp
"Alltags:Handlungen. Von Sexismen, sexueller Gewalt und Gegenstrategien"
Dienstag, 15. März um 17.30 Uhr
Aula am Campus der Universität Wien, Hof 1
Spitalgasse 2-4, 1090 Wien