Roland Girtler: Abenteurer der Feldforschung wird 70

Wilderer, Jäger, Schmuggler, Landstreicher, Prostituierte und LandärztInnen sowie BäuerInnen und Adelige in Österreich und Siebenbürgen zogen das Interesse des Soziologen Roland Girtler auf sich. Am 31. Mai 2011 wird der Feldforscher, der nach wie vor das Fahrrad zu seinem liebsten Fortbewegungsmittel zählt, 70 Jahre alt.

"Die große und vornehme Aufgabe des Soziologen und der Soziologin, wie ich meine, ist es, durch entsprechende gute Studien, zu denen die Beschreibungen des Alltags von Menschen in ihren Gruppen mit all ihren sozialen Kontakten, ihren Problemen, ihren Strategien des Überlebens, ihren Symbolen und Ritualen gehören, dazu beizutragen, dass Menschen sich gegenseitig akzeptieren und achten", so der Leitspruch des Soziologen Roland Girtler in seinen "10 Geboten der Feldforschung".

Sein Metier, die Soziologie, bezeichnet Girtler gerne als Abenteuer, für das er auch immer wieder auf die Straße wie auf Reisen geht. So kam er per Autostopp bis Istanbul, durchquerte Griechenland zu Fuß und fuhr mit dem Rad bis Paris und über die Pyrenäen.

Die Sprache der Gauner

Obwohl Roland Girtler 1941 in Wien geboren wurde, liegen seine Wurzeln in Oberösterreich. In Spital am Pyhrn wuchs er als Sohn eines ÄrztInnenpaares auf und besuchte das Humanistische Gymnasium im Kloster Kremsmünster. Diese Schulzeit stand auch im Mittelpunkt seines Buches mit dem Titel "Die alte Klosterschule – Eine Welt der Strenge und der kleinen Rebellen".

Auf Wunsch des Vaters begann Girtler zunächst ein Studium der Rechtswissenschaften, das er aber nach zwei Staatsprüfungen an den Nagel hängte: Nach einem schweren Unfall lernte er auf seinem Zimmer im Krankenhaus einen Zuhälter kennen. Roland Girtler war von den Gesprächen mit dem "Strizzi" derart fasziniert, dass er postwendend die Studienrichtung wechselte, über Völkerkunde und Urgeschichte verschlug es ihn zur Soziologie. Durch seinen Zimmergenossen im Krankenhaus kam er auch erstmals in Kontakt mit der Gaunersprache, dem "Rotwelsch", dem Roland Girtler eines seiner Bücher widmete.

Domäne Feldforschung

Äußerst hilfreich für seine Studien waren ihm nicht zuletzt diverse Ferienjobs und Tätigkeiten zum Gelderwerb. So arbeitete er als Bierausführer, Gemüselieferant oder Filmkomparse. Seine Domäne ist und bleibt die Feldforschung, für die er auch "10 Gebote der Feldforschung" verfasst hat. "Die Wahrheit liegt im Feld" nannte sich auch eine Festschrift, die anlässlich des 65. Geburtstags des Soziologen herausgegeben wurde.

Girtler, der seit 1964 verheiratet ist, zwei Kinder und acht Enkelkinder hat, beschäftigte sich wissenschaftlich auch mit Kroatien und gleich nach seiner Promotion im Jahr 1971 forschte er in Bauerndörfern Gujarats in Indien. 1972 wurde er Assistent am Institut für Soziologie der Universität Wien, wo er sich 1979 habilitierte und bis heute – auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2006 – forscht und lehrt. (APA/red)