Österreichs Universitäten kämpfen gegen den Absturz ins Provinzielle

"Wenn man so weitermacht, riskiert man alles", gab Bildungsministerin Sonja Hammerschmid 2015 zu bedenken. Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien, stimmt ihr zu. In einem Gastbeitrag äußert er sich zur Unterfinanzierung der Universitäten, Budgeterhöhung und Verbindlichkeit im Studium.

Österreich hat 300.000 Studierende an Universitäten und ein jährliches Budget von 3.6 Milliarden; die nur etwas kleinere Schweiz versorgt mit einem Budget von 5.4 Milliarden 140.000 Studierende. Die Uni Wien mit ihren 94.000 Studierenden hat dasselbe Budget wie die Uni Zürich mit ihren 25.000 Studierenden, das Verhältnis zwischen ETH Zürich und TU Wien ist noch grotesker. Wollen wir, will Österreich so "innovation leader" werden?

An der Uni Wien beginnen pro Jahr ca. 15.000 Studierende ihr Studium, nach vier Jahren wurde etwa die Hälfte der belegten Studien abgebrochen, und ein auf drei Jahre angelegtes Bachelorstudium haben nach vier Jahren 18 Prozent abgeschlossen. Ist das nicht Vergeudung von Lebenszeit und Ressourcen?

Mehr Budget ist eine Notwendigkeit, aber ebenso eine bewusstere Studienwahl und mehr Verbindlichkeit im Studium. Das Wissenschaftsministerium und Uni-RektorInnen haben in sehr detaillierter Arbeit (nicht "Husch-Pfusch", wie eine maßgebliche SPÖ-Abgeordnete meint) ein System aus an Bedarfs- und Leistungsindikatoren orientierter Finanzierung und moderater Zugangssteuerung (viel milder als von der damaligen uniko-Präsidentin Hammerschmid gefordert) entwickelt.

Bundesminister Mahrer verfolgt diese Linie konsequent weiter. Auch Bundeskanzler Kern hat die massive Unterfinanzierung der Universitäten festgestellt und sich in seinem Plan A für eine "stärkere Steuerung der Studierenden-Flüsse seitens der öffentlichen Hand sowie eine Verbesserung des Beratungsangebotes für die Berufs- und Studienwahl, parallel zur Aufstockung der Mittel" ausgesprochen! Und das soll jetzt nicht umgesetzt werden?

Können im Wissenschaftsausschuss nicht etwa zehn Seiten an Gesetzes- und Verordnungstext in wenigen Wochen verarbeitet und verhandelt und dann im Nationalrat beschlossen werden? Kann man nicht die dafür notwendige Ernsthaftigkeit und den dafür notwendigen Einsatz erwarten? Es geht um nichts weniger als um bessere Studien- und Forschungsbedingungen, die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Standorts! Und sieht soziale Gerechtigkeit so aus, dass jene, die es sich leisten können, an ausländischen Spitzenuniversitäten studieren?

Die Finanzierung der österreichischen Universitäten konnte in den letzten Jahren zwar moderat, aber doch merklich gesteigert werden. Für die Universität Wien ermöglichte dies trotz noch stärker steigender Studierendenzahlen eine deutliche Qualitätsverbesserung in allen Aspekten ihrer Tätigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit unserer internationalen Berufungspolitik. In vielen Bereichen gehört die Universität Wien zur Weltklasse. Gerade in diesen Gebieten, z.B. Mikro- und Molekularbiologie oder Quantenphysik, wird in anderen europäischen und insbesondere außereuropäischen Ländern stark investiert.

Mit jährlich mehr als 10.000 AbsolventInnen trägt die Universität Wien enorm zum "Output" des österreichischen Bildungssystems bei, und dies in großer fachlicher Breite. Mit der zur Umsetzung der Studienplatzfinanzierung verbundenen Budgeterhöhung könnten wir nun einen weiteren großen Schritt zur qualitativen Verbesserung setzen.

In den letzten Jahren wurde für Österreichs Universitäten viel erreicht. Sollen wir wirklich jetzt riskieren, auch in den Fächern, wo wir Weltniveau haben, den internationalen Anschluss zu verlieren? Sonja Hammerschmid sagte am 21. Dezember 2015: "Wenn man so weitermacht, riskiert man alles." Sie hat recht, und nun ist die Zeit zum Handeln. Oder ist tatsächlich nur Wahlkampf?

Der Gastbeitrag "Österreichs Universitäten kämpfen gegen den Absturz ins Provinzielle" erschien am 7. Juni 2017 in "Die Presse".