Heinz W. Engl: Von der Spitzenforschung an die Uni-Spitze

Mit dem Linzer Mathematiker Heinz Engl (57) steht in den kommenden vier Jahren ein Forschungsprofi an der Spitze der größten Universität Österreichs. Der am Freitag, 4. März 2011, zum neuen Rektor der Universität Wien gewählte Wissenschafter bekleidete neben seiner universitären Tätigkeit auch Funktionen in der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und im Wissenschaftsfonds FWF. 2007 wurde er mit dem "Pionier-Preis" des "International Council for Industrial and Applied Mathematics" (ICIAM) geehrt – der höchsten Auszeichnung im Bereich angewandte Mathematik.

Heinz W. Engl galt als logischer Nachfolger von Georg Winckler, der seit 1999 als Rektor amtiert: 2007 verließ der Mathematiker die Universität Linz, um quasi "von außen" als Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung an die Universität Wien zu wechseln – ein damals ungewöhnlicher Schritt.

Zum neuen Rektor für die Funktionsperiode vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. September 2015 wurde Engl am Freitag, 4. März 2011, in der Sitzung des Universitätsrats gewählt. Grundlage der Entscheidung war der vom Senat verabschiedete Dreiervorschlag, der – dem Vorschlag der Findungskommission folgend – neben Engl weiters die Kandidaten Steffen Huck und Wolf Rauch enthielt.

Steile Karriere


Der künftige Rektor hat bereits eine steile Karriere hinter sich: Engl, am 28. März 1953 in Linz geboren, studierte in seiner Heimatstadt Mathematik und wurde 1977 sub auspiciis promoviert. 1979 habilitierte er sich an der Universität Linz, 1988 wurde er dort zum Professor für Industriemathematik berufen.

Davor und danach hatte Engl zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Australien, Großbritannien und Deutschland inne. Ab 1992 leitete er außerdem ein Christian Doppler-Labor, aus dem sich das Kompetenzzentrum für Industriemathematik entwickelte. Von 1994 bis 2003 war Engl überdies Mitglied des Kuratoriums und Referent des FWF. Seit 2003 ist er wirkliches Mitglied der ÖAW sowie Direktor des Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (RICAM) der ÖAW.

Bereits vor seiner Zeit an der Universität Wien sammelte der Mathematiker Erfahrung in der Universitätspolitik: Von 1995 bis 2000 amtierte er als Dekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Linz, von 2003 bis 2007 war er Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrats an der Technischen Universität Graz.

Alternative mathematische Zugänge

Wissenschaftlich beschäftigte sich Engl vor allem mit sogenannten "inversen Problemen". Grob gesprochen bedeutet das eine Abkehr von üblichen mathematischen Operationen, bei denen man von einem System alle Parameter kennt und anschließend berechnet, wie es sich entwickelt. Bei inversen Problemen wird das Pferd quasi vom Schwanz her aufgezäumt: Man definiert ein bestimmtes Ziel und berechnet, wie man dieses am besten erreicht.

"Forschungsuniversität mit weltweiter Anerkennung"

Anlässlich seiner Wahl zum neuen Rektor freut sich Engl "über das von Senat und Universitätsrat ausgesprochene Vertrauen und auf die Möglichkeit, die nächsten Jahre der Universität Wien gemeinsam zu gestalten." Über seine Schwerpunktsetzung schreibt er: "Die Universität Wien will weiterhin eine europäische Forschungsuniversität mit weltweiter Anerkennung und mit der für die Universität charakteristischen Verbindung von Lehre und Forschung bleiben."

Dazu müssen dem bisherigen Vizerektor und Stellvertreter des amtierenden Rektors zufolge Anstrengungen unternommen werden, um die Attraktivität des Studienorts weiter zu steigern, in der Forschung die Konkurrenzfähigkeit zu festigen sowie um wissenschaftliche Karrieren verstärkt zu ermöglichen.

"Wir sind unterfinanziert"

In einer Pressekonferenz am Montag, 7. März 2011, erklärte Engl überdies, dass der Universität Wien für eine "ordentliche Finanzierung" 150 Mio. Euro fehlen. Natürlich könne man die Universität Wien nicht in einen Topf mit Harvard werfen, "aber wir sollten uns mit europäischen Universitäten wie der Universität Zürich, der Freien Universität Berlin oder der Technischen Universität München vergleichen können", so der künftige Rektor.

In der Forschung sei die Universität Wien derzeit recht gut aufgestellt, befand Engl weiters. Als Stärken nannte er hier etwa die Quantenphysik, die Molekularbiologie, die Geschichte und die Sozialwissenschaften. In den Naturwissenschaften lasse sich dies aber bei derzeitiger Finanzierung nicht aufrechterhalten, vor allem was die Infrastruktur betreffe – hier müsse in der nächsten Zeit investiert werden.

"Kooperation ist kein Sparprogramm"

Die zuletzt von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl immer wieder erhobene Forderung nach verstärkter Kooperation der Universitäten sieht Engl gemischt. "Kooperation ist kein Sparprogramm. Sie dient dazu, uns wissenschaftlich breiter aufzustellen." In den vergangenen Jahren habe man etwa die Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien wieder verstärkt und jene mit der Technischen Universität (TU) ausgebaut. "Aber es muss neben Kooperation auch Konkurrenz geben."

Teilweise neue Schwerpunktsetzungen

Als künftiger Rektor sieht sich Engl einerseits durchaus in der Tradition des derzeit amtierenden Georg Winckler. "Aber es wird auch andere Schwerpunktsetzungen geben."

Für "extrem wichtig" hält der Mathematiker die künftige Verankerung der Ausbildung der SekundarstufenlehrerInnen an der Universität. "Ein künftiger Physiklehrer soll die Chance gehabt haben, eine Vorlesung von Anton Zeilinger gehört zu haben. Das ist nur an einer Universität möglich."

Engl ist seit mehr als 500 Jahren der erste Rektor der Universität Wien, der dort nicht zuvor Professor war. "Seit seiner Berufung als Vizerektor vor dreieinhalb Jahren hat er sich im Haus breites Vertrauen aufgebaut", so der Vorsitzende des Universitätsrats, Max Kothbauer. (APA/red)