Es weihnachtet schon … (Teil 1)

Der Heiligabend naht ... Für uni:view haben wir auch heuer WissenschafterInnen und MitarbeiterInnen der Universität Wien zu ihrer Sicht auf Weihnachten befragt. Den Anfang macht Archäologin Viktoria Räuchle.

Viktoria Räuchle ...
… ist seit Juni 2014 Universitätsassistentin am Institut für Klassische Archäologie. In ihrer Dissertation hat sie sich mit Mutterschaftskonzepten im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. beschäftigt; in ihrem Habilitationsprojekt wird es um die Lust am Leid in der Antike gehen.

Weihnachten ist für mich …
... die Hektik des Jahres abstreifen und sich Zeit für Familie und Freunde nehmen. Zu den besonderen Besinnlichkeiten der Adventzeit gehört auch das jährliche Treffen mit meinem Kollegen Otto Benndorf (1838-1907), der inzwischen als Büste im Arkadenhof der Universität Wien eine Festanstellung gefunden hat (links im Bild). Die Gespräche mit dem Begründer des Österreichischen Archäologischen Instituts sind stets äußerst anregend, ohne dass viele Worte fallen würden.


Mein "schlimmstes" Weihnachtsgeschenk ...
... Das missglückteste Weihnachtsgeschenk meinerseits waren wohl die gebundenen Exemplare meiner Magisterarbeit, die meine Eltern und Verwandten im Jahr der Abgabe in Ermangelung zeitlicher Ressourcen unterm Weihnachtsbaum vorfanden. Trotz äußerer (Goldprägung) und innerer (Widmung) Reize vermochten sie wahrlich keine Begeisterungsstürme hervorzurufen.

Mein schönstes Weihnachtsgeschenk ...
... scheint mir indes vor zwei Jahren gelungen zu sein, als ich meiner Mutter einen Gutschein schenkte, der ihr von nun alljährlich die moralisch legitimierte Entsorgung eines meiner früheren Präsente ermöglicht. Tief ergriffen lief sie sofort zu dem Devotionalienschrank, der die selbstgebastelten Ungetüme der letzten Jahrzehnte beherbergt, und rief unter Tränen aus: "Nein, wo soll ich nur anfangen!"

Weihnachten und Mutterschaft ...

... Während viele Menschen Weihnachten zur inneren Einkehr nutzen, werden die Nerven der Mater familias zu dieser Zeit des Jahres meist besonders strapaziert. Dieses uralte Brauchtum lässt sich bis zu den Ereignissen im Stall von Bethlehem zurückverfolgen: Kaum hatte Maria ihr Kind empfangen, knieten schon die ersten redlichen Hirten vor der Krippe und der Engelchor jubelte. Archäologische Grabungsbefunde aus Betlehem legen nahe, dass täglich bis zu 90 Besucher im Stall vorstellig wurden, von denen die wenigsten ein Gastgeschenk dabei hatten.

Von den Heiligen Drei Königen entschied sich nur Melchior für ein zeitloses, leider nicht sofort verwertbares Goldgeschenk, Caspar und Balthasar brachten lediglich Myrrhe und Weihrauch. In der Weihnachtswissenschaft gilt es inzwischen als communis opinio, dass der Zimmermann Joseph in dieser Stresssituation heillos überfordert und zu nichts zu gebrauchen war.

Wie stark dieses frühe Rollenverhalten unsere heutigen Traditionen geprägt hat, ist noch nicht hinlänglich untersucht. Ich sehe hier ein dringendes Forschungsdesiderat und bin froh, mit Otto Benndorf aus dem Arkadenhof einen renommierten Altertumskundler an meiner Seite zu wissen, um der Frage in naher Zukunft im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprojekts nachzugehen. (red)