"ERC Advanced Grant" für Historiker Walter Pohl

Walter Pohl vom Institut für Geschichte erhält einen mit zwei Millionen Euro dotierten "ERC Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrates. Damit geht diese Förderung für SpitzenforscherInnen bereits zum achten Mal seit 2007 an die Universität Wien. Für den renommierten Historiker die zweite Auszeichnung in diesem Monat: Er wird außerdem Sprecher eines erst kürzlich vom FWF bewilligten Spezialforschungsbereichs.

Die Förderung von grundlagenorientierter Pionierforschung ist einer der Schwerpunkte der Europäischen Union. Vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) werden Projekte mit hohem Potenzial für Innovationen unterstützt. "Dass der wichtigste europäische Forschungspreis an einen Geisteswissenschafter geht, ist ein Signal, dass die Geschichtswissenschaft eine unverzichtbare Grundlage zum Verständnis der heutigen Welt bildet", erklärt Walter Pohl.

Grundlagen von Identitäten und Gemeinschaften


Der renommierte Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Wien sowie Direktor des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht mit seinem Team junger WissenschafterInnen zu einer der Kernfragen der internationalen Geschichtswissenschaft: Auf welchen Grundlagen bilden sich Identitäten und entwickeln sich Gemeinschaften?

"Ferner Spiegel" in die Gegenwart


In dem ERC-Projekt "SCIRE – Social Cohesion, Identity and Religion in Europe (400-1200)" beschäftigt sich Pohl mit dem Frühmittelalter, das die Grundlage des heutigen Europas samt gegenwärtigen sozialen, ethnischen und religiösen Konflikten bildet. "Einerseits ist im Frühmittelalter viel von dem entstanden, was unsere Gesellschaft heute noch prägt: das Christentum, viele Staaten und Nationen, Kulturlandschaften, Mentalitäten, Identifikationsmuster und Feindbilder. Andererseits ist es ein 'ferner Spiegel', der entfernt genug ist, damit wir uns selbst gerade an den Unterschieden besser erkennen können", erklärt Pohl.

"Dunkle" Epoche als Laboratorium

Was hält Gesellschaften zusammen? Und wodurch wird dieser Zusammenhalt bedroht? Kaum erforscht sind die Zusammenhänge, wie politische Gemeinschaften, religiöse Bekenntnisse und ethnische oder nationale Identitäten in unterschiedlicher Weise ineinander greifen. "Das als 'dunkle' Epoche verschriene Mittelalter bietet geradezu ein Laboratorium, um Identitätsbildungen über längere Zeit hinweg zu untersuchen", so Pohl.

Insgesamt bereits 14 "ERC Grants"


Walter Pohl ist bereits der achte Forscher der Universität Wien, der einen "ERC Advanced Grant" erhält. Dieser seit 2007 vergebene Forschungspreis ging ebenso an Gerhard J. Herndl (Meeresbiologie), Herlinde Pauer-Studer (Philosophie), Anton Zeilinger (Physik), Tecumseh Fitch (Kognitionsbiologie) sowie Ludmil Katzarkov, Walter Schachermayer und Adrian Constantin (Mathematik). Dank sechs weiterer "ERC Starting Grants" für NachwuchswissenschafterInnen überzeugt die Universität derzeit mit 14 "ERC Grants".

Sprecher eines FWF-Spezialforschungsbereiches


Pohl ist auch Sprecher des neuen FWF-Spezialforschungsbereiches "Visions of Community: Comparative Approaches to Ethnicity, Region and Empire in Christianity, Islam and Buddhism (400-1600)". Mit seinem Team untersucht er die unterschiedliche Entwicklung der politischen Rolle von ethnischen und religiösen Identitäten im Christentum, im Islam und im Buddhismus. Die ForscherInnen verbinden dabei Ansätze der Geschichte, Sozialanthropologie, Philologie sowie Kultur- und Religionswissenschaft.

Wittgenstein-Konferenz lädt nach Wien

Bereits 2004 erhielt Walter Pohl den "Wittgenstein-Preis", die höchste wissenschaftliche Auszeichnung in Österreich. Die Ergebnisse des mit diesen Mitteln finanzierten Großprojekts "Ethnische Identitäten im frühmittelalterlichen Europa" werden von Donnerstag, 9. Dezember bis Samstag, 11. Dezember 2010 bei einer hochkarätig besetzten Tagung in Wien diskutiert. (ad)

Final Conference "Ethnic Identities in Early Medieval Europe"
Donnerstag, 9. Dezember, bis Samstag, 11. Dezember 2010
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Theatersaal, Sonnenfelsgasse 19, 1010 Wien
Institut für Mittelalterforschung, Seminarraum 1+2
Wohllebengasse 12-14, 1040 Wien
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Programm (PDF)