Ein Geschichtsbuch unserer Zeit

Im Projekt "Memory Of Mankind" werden Texte und Bilder in Tontafeln eingebrannt und im Salzbergwerk Hallstatt archiviert. Kürzlich wurden die ersten 250 Tontafeln eingelagert – darunter auch Tafeln für die Grete-Mostny-DissertationspreisträgerInnen 2013 der Universität Wien.

Am 17. Mai 2013 fanden in Hallstatt im Rahmen des Projekts "Memory Of Mankind" (MOM) eine Podiumsdiskussion sowie die erste Einlagerung von rund 250 Tontafeln statt. Im Projekt werden Texte und Bilder von großen und kleinen Geschichten, Ereignissen, Ansichten und Einblicken unserer heutigen Welt auf Tontafeln eingebrannt und im Salzbergwerk von Hallstatt "für die Ewigkeit" eingelagert. Keramik ist ein äußerst haltbares Trägermedium, während die Lebensdauer und Lesbarkeit der digitalen Medien, auf denen wir unser heutiges Wissen vorwiegend speichern, ungewiss ist bzw. vieles verloren gehen wird.

Was wird von uns bleiben?


An der Podiumsdiskussion, die vom Initiator und Leiter des MOM-Projekts  Martin Kunze eingeleitet und moderiert wurde, nahmen von der Universität Wien die Dekanin der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und Historische Archäologin Claudia Theune und der Geologe Erich Draganits, beide Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, sowie Konrad Paul Liessmann vom Institut für Philosophie teil. Weiteres saßen Anton Kern von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums und Martin Stürzlinger vom Archiversum am Podium. Im Mittelpunkt standen die beiden Fragen "Was wird von uns bleiben?" und "Was soll von uns bleiben?"

Zunächst wurde über die Beständigkeit, bzw. Unbeständigkeit unserer heutigen zeitgenössischen Quellen diskutiert. Die derzeit regelhafte Speicherung auf digitalen Medien birgt die große Gefahr, dass viele Informationen von und über uns (Bilder und Texte wie Bücher und Aufsätze, E-Mails, Notizen und Blogs) verloren gehen, weil ein stetes Upgrade nicht gewährleistet werden kann. Zudem muss berücksichtigt werden, dass für das Entschlüsseln von digitalen Daten der Träger samt der gespeicherten Informationen unversehrt und ohne Datenverlust überdauern muss.

Weiteres braucht es ein "Lesegerät", um die Bilder und Texte wieder sichtbar zu machen, wie Konrad Paul Liessmann betonte. Schon heute existieren kaum noch Lesegeräte für Datenträger, die zu Beginn des Computerzeitalters üblich waren. Für die Entschlüsselung von eingebrannten Informationen auf den Keramiktafeln sei jedoch ausschließlich die menschliche Intelligenz erforderlich.

Material Culture Studies

Claudia Theune und Anton Kern waren hinsichtlich der Quellenbeständigkeit von Objekten aller Art zuversichtlich, insbesondere Materialien wie Keramik, Porzellan, Glas und auch Metalle sind in der Regel sehr beständig, auch der heute so allgegenwärtige Kunststoff ist recht unverwüstlich. Unter günstigen Umständen können sich auch organische Materialien wie Hölzer oder Textilien sehr lange halten. Dies zeigt insbesondere der Fundort Hallstatt, wo im prähistorischen Salzbergwerk unzählige organische Überreste dank der hervorragenden Konservierungseigenschaften des Salzes vorhanden sind. Durch die "Material Culture Studies" können diese dinglichen Quellen vielfältige Einblicke in vergangene Lebenswelten geben, jedoch fehlen für ein umfassendes Bild der Vergangenheit häufig viele Puzzleteile.

Natürliche und künstliche Geschichtsarchive


Mit den Unterschieden zwischen natürlichen, durch geologische Vorgänge bewahrten Archiven und solchen, die Menschen anlegen, befassten sich Erich Dragnits und Martin Stürzlinger. Während geologische Archive keinem Filter unterliegen und einen recht naturgemäßen Einblick in ehemalige (Lebens-)Welten geben, unterliegen die von uns geschaffenen Archive stets einer Auswahl, wobei die ArchivarInnen – nach heute geltenden Gesichtspunkten – eine Sichtung hinsichtlich der Bedeutung und damit der Entscheidung für die Einlagerung vornehmen.

Bezüglich der Frage "Was soll von uns bleiben?" entzündete sich eine angeregte Diskussion. Alle TeilnehmerInnen waren sich einig, dass nicht nur geschönte Einblicke in die heutige Welt auf die Tontafeln gebrannt und eingelagert, sondern auch dunkle und weniger bequeme Seiten unserer Gesellschaft dargestellt werden sollten. Eine zusätzliche Option wäre die Speicherung unterschiedlicher Ansichten zu einem Thema. Konrad Paul Liessmann monierte, dass möglicherweise auch Belanglosigkeiten wie Katzenfotos oder ähnliches eingelagert werden können.

Es ist jedoch ein Grundkonzept des Projekts,  dass jeder seine eigene Tafel gestalten und produzieren lassen kann und so sehr unterschiedliche und nach heutigem Verständnis wichtige und unwichtige Zeugnisse eingelagert werden. Claudia Theune begrüßte dieses offene Konzept, so werde ein buntes und vielfältiges Bild unserer heutigen Gesellschaft aufbewahrt. Insbesondere Zeugnisse des Alltags seien sehr aussagekräftig hinsichtlich vergangener Zeiten.

Grete-Mostny-Dissertationspreis

Durch das MOM-Projekt sei an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät die Idee entstanden, einen Dissertationspreis für AbsolventInnen zu initiieren, so Claudie Theune weiter. Auf den Tafeln der drei geehrten jungen DoktorInnen werden jeweils eine Zusammenfassung der Dissertation sowie ein kurzer Lebenslauf mit Bild eingebrannt. Zwei der drei PreisträgerInnen 2013 (Anna Maria Kaiser und Bernhard Brudermann) waren auch bei der anschließenden Einlagerung der ersten rund 250 Tafeln anwesend. Einen weiteren Preis hat Ove Sutter erhalten. Offiziell werden die drei PreisträgerInnen im Rahmen einer Feier am 26. Juni 2013 um 18 Uhr im Lesesaal der Fachbereichsbibliothek Geschichte geehrt.


Univ.-Prof. Dr. Claudia Theune-Vogt ist Dekanin der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und Vorständin des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie.


Verleihung der Grete-Mostny-Dissertationspreise der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät
Mittwoch, 26. Juni 2013, 18 Uhr
Universität Wien
Lesesaal der Fachbereichsbibliothek Geschichte Stiege 8, 2. Stock
Universitätsring 1, 1010 Wien
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